1984: Stilllegung des Pollinger Bahnhofs

Pollinger kämpfen um ihren Bahnhof
Resolution an Bayerns Verkehrsminister Anton Jaumann

Von Lobeshymnen zu Grabreden war nur ein Schritt

Polling (hr) - Zu einer Veranstaltung, die mehr war als "nur" eine Versammlung zur Kommunalwahl, hatte die CSU in Polling eingeladen. Hauptthema war nämlich die drohende Stillegung des Pollinger Bahnhofs. Kein Wunder, daß im Handumdrehen 47 Unterschriften für eine Resolution zustande kamen, die der CSU-Ortsverband Polling an Bayerns Verkehrsminister Anton Jaumann richtet. Ironie des Schicksals: Bei der 100-Jahr-Feier der Strecke Weilheim - Murnau mußte der Bahnhof Polling für Lobeshymnen herhalten. Und jetzt "Grabreden?"

20 Jahre später: ET 425 bei der Durchfahrt in Polling ohne Halt; gelbleuchtend in der Abendsonne das Bahnhofsgebäude (17.6.2004; Foto: Wiegner)

Hier die Resolution im Wortlaut:

Obwohl der neue Sommerfahrplan der Deutschen Bundesbahn so gut wie beschlossen und damit unsere Haltestelle Polling auf der Hauptstrecke München-Garmisch geschlossen wird, erlauben wir uns einen Hilferuf an den zuständigen Minister der Bayerischen Staatsregierung. Wir bitten Sie auch deshalb um Hilfe, weil wir Ihr Bestreben - Forderung nach einem überarbeiteten, zweiten Sanierungskonzept für die Deutsche Bundesbahn - voll unterstützen wollen. Wir wollen unseren Bahnhof zumindest als Haltestelle weiter behalten, weil:

  • etwa 100 bis 150 Bürger täglich ab Bahnhof Polling mit der Bahn aus- bzw. einpendeln
  • die Aufrechterhaltung der Haltestelle Polling auf der Hauptstrecke München - Garmisch mit Sicherheit eine wesentlich bessere Kostendeckung als der Bus-Ersatzverkehr bringt
  • die Pollinger Fahrgäste die Bahn trotz der Ortsrandlage dem Bus vorziehen, obwohl sich der Regionalverkehr Oberbayern (RVO) um ein recht guten Ersatzfahrplan für Polling bemüht hat 1
  • wir befürchten, daß der Bus-Ersatzverkehr später Stück um Stück auf ein unzumutbares Minimum abgebaut wird (die dann erforderliche Anfahrt zum Bahnhof Weilheim ist wegen der dort fehlenden Parkmöglichkeiten nur unter größten Schwierigkeiten möglich;
  • selbst die Kabinettsvorlage des Bundesministers für Verkehr zur Deutschen Bundesbahn bestätigt, daß die Deutsche Bundesbahn einen vergleichsweise geringen Energieverbrauch pro beförderte Tonne/beförderte Person aufweist, relativ unabhänig von importierten Energieträgern ist, einen vergleichsweise geringen Raum- und Flächenbedarf für Schienenverkehrsanlagen braucht, ein hohes Maß an Verkehrssicherheit mit den geringsten Unfallfolgekosten für die Allgmeinheit bietet, die Allgemeinheit beim Transport mit gefährlichen Gütern am geringsten gefährdet.

"Die Argumentation des Präsidenten der Bundesbahndirektion München gegenüber dem Abgeordneten Peter Widmann, wonach durch Auflassung die Reisezeit der Züge verkürzt und damit die Attraktivität erhöht werden könne, ist - bezogen auf den Bahnhof Polling - äußerst fragwürdig.

Die Zeitverzögerung allein wegen des Haltes in Polling mit höchstens ein bis zwei Minuten ist äußerst minimal. Bei den üblichen Wartezeiten und Verzögerungen im Personenverkehr der Bundesbahn ist dies unerheblich. Im übrigen verzögert sich die Reisezeit der Pollinger Fahrgäste durch den kombinierten Bus-Bahnverkehr weit mehr.

Wir finden es völlig unverständlich, daß das hochdefizitäre Schienennetz des Münchner-Verkehrs-Verbundes weiter ausgebaut und auch schwach frequentierte Haltestellen beibehalten werden. Hier wird offensichtlich mit verschiedenen Maßstäben gemessen!

Den Aus- und Einpendlern in bzw. von Richtung Murnau mutet die Bundesbahn ab dem neuen Sommerfahrplan den Umweg über Weilheim zu. Für den erheblichen Zeitverlust "dürfen" die DB-Kunden dann auch noch mehr bezahlen.

Als besondere Ironie müssen es jedoch die Pollinger empfinden, wenn vor geraumer Zeit bei der 100-Jahr-Feier der Bundesbahnstrecke Weilheim-Murnau der Bahnhof Polling als Zeuge von Lobeshymnen auf die Deutsche Bundesbahn herhalten mußte. Keiner der Verantwortlichen deutete an, daß es sich hierbei gleichzeitig um "Grabreden" für den Bahnhof Polling handelte. Wir wollen unseren Bahnhof behalten, weil wir ihn brauchen! Bitte helfen Sie uns!