Bahnhof Weilheim

PRO BAHN: Offener Brief vom 19. November 2000

Anläßlich der Diskussionen um die Umgestaltung des Bahnhofsumfeldes in Weilheim hat der Fahrgastverband PRO BAHN einen offenen Brief an die Mitglieder des Stadtrates geschrieben.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren des Weilheimer Stadtrats,

Ihr Vorhaben, das Umfeld des Weilheimer Bahnhofs neu zu gestalten, begrüßen wir ganz außerordentlich, ist doch der jetzige Zustand alles andere als optimal für die Fahrgäste. Der Funktion einer Schnittstelle zwischen der Schiene und den anderen Verkehrsträgern wird der Bahnhof derzeit nur unzureichend gerecht.

Bedauerlicherweise scheint nun ein Thema die Diskussion zu beherrschen, das auch in Ihrem Gremium offenbar zu gegensätzlichen Standpunkten führt und den Fortgang des Vorhabens möglicherweise behindert: die Erreichbarkeit des Bahnhofs für den privaten Autoverkehr.

Gestatten Sie uns deshalb, mit den Ergebnissen aus Fahrgastbefragungen, die PRO BAHN im Bereich der Münchner S-Bahn und entlang einer Regionalbahn im Werdenfels-Takt durchgeführt hat, einen Beitrag zur Ihrer Meinungsbildung und zur Versachlichung der Diskussion zu leisten.

Die Fahrgäste wurden u.a. nach dem Verkehrsmittel gefragt, mit dem sie den Bahnhof erreichen: Selbst im S-Bahn-Bereich, wo man angesichts der Ausbaumaßnahmen im Bereich P&R eigentlich eine besonders intensive Park&Ride-Nutzung vermutet, benutzen nur elf Prozent der Bahnkunden den eigenen Pkw zum Bahnhof. An der Regionalbahn waren sogar nur 8,5 Prozent der Fahrgäste Park&Ride-Nutzer. Die Mehrheit der Fahrgäste erreicht den Bahnhof zu Fuß (ca. 48 %) oder mit dem Rad (28 %). Durchschnittlich 10 % nutzen den Bus als Zubringer. Bei der Regionalbahn waren es bis zu 80 % Fußgängeranteil.

Selbstverständlich unterliegen diese Zahlen gewissen Schwankungen in Abhängigkeit von der Jahreszeit oder dem Vorhandensein eines Busanschlusses, die Verteilung zwischen den Verkehrsmitteln ist aber in ihrer Größenordnung immer ähnlich und trifft sicher auch auf Weilheim zu.

Dass dem Park&Ride-Verkehr eine - unberechtigt - hohe Bedeutung zugewiesen wird, dürfte an dem unverhältnismäßig hohen Flächenbedarf der Parkplätze liegen, während der Platzbedarf für Fahrradständer nur einen Bruchteil der Fläche beansprucht und dadurch augenscheinlich eine untergeordnete Bedeutung vortäuscht. Die überraschend geringe Pkw-Nutzung bei den Bahnkunden ist darauf zurückzuführen, dass viele Haushalte mit der Verkehrsmittelwahl Bahn sich bewusst die Anschaffung eines Zweitwagens sparen und die Nutzung eines Pkw für nur wenige Kilometer täglich zum Bahnhof schlicht unwirtschaftlich ist. Generell ist zu überlegen, ob ein innerstädtisch gelegener Bahnhof wie Weilheim geeignet für einen weiteren Ausbau des P&R-Angebots ist oder sich im regionalen Umfeld bessere Möglichkeiten finden. Für den Bereich südlich von Weilheim bietet sich der Bahnhof Huglfing durch seine unmittelbare Lage an der B 472 als idealer P&R-Bahnhof an.

Aus den Erhebungsdaten zieht der Fahrgastverband PRO BAHN daher folgende Schlüsse für den Weilheimer Bahnhof:

  1. Der Zugang zum Bahnhof muss in seiner Funktionalität auf die große Mehrheit der Fahrgäste abgestimmt sein, die zu Fuß oder mit dem Rad zum Bahnhof kommen
  2. Bequeme Fuß- und Radwege im Umfeld des Bahnhofs tragen zur Attraktivität der Bahn und zur Verkehrssicherheit bei.
  3. Ein Bedarf für einen motorisierten Durchgangsverkehr zwischen Bahnhofsallee und Bahnhofsstraße (außer für Busse) ist nicht erkennbar, vielmehr führt die derzeitige Verkehrsführung gerade nach einer Zugankunft oft zu chaotischen und gefährlichen Situationen. PRO BAHN sieht daher einen großen Vorteil für die Fahrgäste, wenn der Bereich vor dem Bahnhof gefahrlos gequert werden kann, und begrüßt den Vorschlag des Planungsbüros für eine verkehrsberuhigte Zone.
  4. Ein angemessenes Angebot an Parkplätzen für die Kunden von Bahn und Post, die auf den Pkw angewiesen sind, muß vorgehalten werden. Eine missbräuchliche Nutzung der Parkplätze sollte aber ausgeschlossen werden.
  5. Für den weitaus bedeutenderen Fahrradverkehr sind Stellplätze in ausreichender Zahl und geeigneter Funktion bereitzustellen. Das Angebot, abschließbare Fahrradboxen zu mieten, wird erfahrungsgemäß gerne in Anspruch genommen.
  6. Die Planung sollte auch die Güterverkehrskunden berücksichtigen. Auch wenn die aktuelle Unternehmenspolitik von DB Cargo kein Interesse am Güterverkehr auf der Schiene zeigt, sollten die Möglichkeiten für einen Wagenladungsverkehr am Bahnhof Weilheim erhalten bleiben.

Wir hoffen, dass wir mit den genannten Fakten zu einer Entscheidungsfindung im Sinne der Fahrgäste beitragen und dabei die einen oder anderen Bedenken ausräumen können.

Mit freundlichen Grüßen
PRO BAHN Weilheim
gez. Norbert Moy