Kochelseebahn

Dokomentation: Kochelseebahn vor dem Werdenfels-Takt

"Endgültiges Aus für Kochelsee-Bahn"

Bericht im Tölzer Kurier (11. März 1983)

Kochel a. See (red) - Fest entschlossen, die Bahnstrecke Penzberg-Kochel stillzulegen, scheint offensichtlich die Münchner Bundesbahndirektion. Dies ist jedenfalls der Eindruck der Tölzer Landtagsabgeordneten Christa Harrer nach ihrer Unterredung mit DB-Präsident Professor Lisson vom letzten Mittwoch.

DB-Chef wollte keine Kompromisse

Eindringlich trug dabei die SPD-Politikerin die Argumente für eine Beibehaltung der umkämpften Strecke vor. Das Plädoyer fiel jedoch auf wenig fruchtbaren Boden, denn der DB-Chef zeigte sich zu keinerlei Kompromissen bereit. Viel zu lange schon betreibe man diese defizitäre Strecke. Im Nahverkehr, so führte Lisson aus, beitrage die Kostendeckung nur 20 Prozent und weil dies so sei, müsse man allein zwischen Penzberg und Kochel Verluste in Höhe von jährlich weit über 1,5 Millionen Mark hinnehmen.

Für die Pendler sei die Aufnahme des Bahnbus-Betriebes, den man nach der Streckenstillegung aufnehmen will, sogar von Vorteil, denn statt bisher vier Halltestellen habe man künftig acht an der Zahl. Daß dies den Fahrgästen, soweit sie nicht direkt an einem der Bahnhöfe wohnen, Zeit einsparen könne, liege auf der Hand. Günstig sei sicher auch, daß man beim Bahnbus-Verkehr neue Siedlungsstrukturen berücksichtigen könne. Auch für den Fremdenverkehr sei die Abschaffung des Zugverkehrs sicher nicht von großem Nachteil.

Aufgrund der massiven Proteste zahlreicher Kommunalpolitiker bei Bekanntwerden der Stillegungspläne habe man eine Untersuchung vorgenommen. Diese habe gezeigt, daß nur 14 Prozent der Fahrgäste Touristen und Gelegenheitsfahrer seien.

Auch die von Christa Harrer ins Gespräch gebrachte Umstellung der Station Penzberg zum Endbahnhof verursache keine zusätzlichen Kasten, weil Umbaumaßnahmen dort nicht vorgenommen werden müßten. Das einzige Problem sah Lisson in der Tatsache, daß die Zufahrt zum Penzberger Bahnhof zu eng sei. Hier müsse man sich etwas einfallen lassen.

Grenzen der Belastung erreicht

An die Adresse der Kochler richtete der Beamte den Vorschlag, die Kosten für den Schienenbetrieb zu übernehmen, dann sei die Bahn selbstverständlich bereit, die Strecke zu halten. Im übrigen aber sei die Grenze der Belastbarkeit bei der Eisenbahn längst erreicht - die Wirtschaftlichkeit habe jetzt absolute Priorität. Fahrpreiserhöhungen seien derzeit wohl nicht durchsetzbar. Und man habe auch bereits angekündigt, daß 1983 keine Tariferhöhungen durchgeführt werden.

Abschließend begehrte die Landtagsabgeordnete Aufklärung darüber, warum eine Fahrt von Reichersbeuern nach München teurer sei als von Bad Tölz aus, obwohl die Strecke Tölz - München um einige Kilometer länger sei. Auch hier hatten die Beamten eine Erklärung parat: Vor Jahren schon habe man, der Kundenwerbung wegen, Sonderrückfahrkarten eingeführt. Der niedrigen Fahrgastzahlen wegen gäbe es diesen Sondertarif in Reichersbeuern nicht. Man räumte allerdings ein, daß dies dem Bürger merkwürdig erscheinen müsse.

Kommentar von Hans Staar: Bahn "im Regen"

Nichts geht mehr bei der Kochler Bahnlinie! Diesen Eindruck mußte man gewinnen als Zeuge des Gespräches zwischen Christa Harrer und DB-Präsident Prof. Lisson. Vom Tisch gewischt wurden alle Argumente gegen eine Streckenstillegung. Die möglichen Auswirkungen auf den Fremdenverkehr, das Handwerk, das Gewerbe - kostspielige Investitionen der Bahn in der Vergangenheit - Bahnbusse, die sich über eine verstopfte B 11 quälen - all das zählt nicht. Eiserner Sparwille herrscht bei der Bundesbahn. Zu billig wäre es allerdings, die Beamten für ihre Haltung zu schelten. Seit 1978 wurden die Zuweisungen aus dem Haushalt an die Bahn nicht mehr erhöht. Nicht zu Unrecht beklagt Prof. Lisson fehlenden politischen Flankenschutz. Gerne wird, des Defizits wegen, mit Fingern auf die Bundesbahn gezeigt. Ebenso gerne haben Politiker aller Parteien in der Vergangenheit verkündet, wieviele Mittel auf ihr Engagement hin aus den Kassen von Bund und Ländern "losgeeist" werden konnten. Jetzt, wo unpopuläre Sparmaßnahmen verordnet wurden, läßt man die Bahn im Regen stehen. Geht's wirklich so einfach?

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