PRO BAHN Aktivitäten

Die politische Lobby-Arbeit für eine Schienenverknüpfung zwischen Oberfranken und Südthüringen - weitgehend auf der Trasse der ehemaligen Werrabahn - gehen auch im Jahr 2008 unvermindert weiter. Am 28. Juli 2008 druckt die Zeitung "Freies Wort" (Suhl) einen ausführlichen Bericht über die PRO BAHN Vorstellungen.

Wir zitieren auszugsweise:

"2017 wird die Werrabahn eine echte Alternative"

Die Initiativen aus Oberfranken für den Lückenschluss zwischen Eisfeld und Coburg stoßen in Thüringen auf wenig Resonanz. Noch.

Von Redaktionsmitglied Markus Ermert

Seit Freitag liegt der Süden gleich um die Ecke. Keine halbe Stunde braucht man noch über die neue A 73, um von Suhl oder Meiningen ins oberfränkische Coburg zu gelangen. Von dort geht’s flott weiter Richtung München. Ein ganz neues Tempo-Zeitalter links und rechts der Werra im Thüringer Südwesten – aber nur für Autofahrer. Wer den gleichen Weg mit dem Zug einschlägt, wird von einer historischen Lücke ausgebremst: Zwischen Eisfeld und Coburg sind die Gleise der Werrabahn aus Eisenach nach der deutschen Teilung gekappt und nie wieder aufgebaut worden. Busfahren im Schneckentempo oder weite Bahn-Umwege über Schweinfurt oder Sonneberg sind seitdem die Alternativen beim Fahrziel Süden.

Rainer Bier ist einer derjenigen, denen das überhaupt nicht schmeckt. Er steht am Eisfelder Bahnhof und zeigt auf das Gleis, das bis 1945 Thüringen und Bayern verband – und das nun im Nichts endet. „Das bringt mich richtig in Rage“, sagt der Coburger, der mit der Fahrgast-Lobby „Pro Bahn“ seit vielen Jahren für den Wiederaufbau der 22 Kilometer langen Werra-Verbindung kämpft. Die Wut Biers gilt der Thüringer Landesregierung, die auch im Jahr 18 der Einheit kein Interesse an diesem Lückenschluss zwischen den Bundesländern zeigt. „Wir haben starken Zweifel daran, ob dafür überhaupt Bedarf besteht“, verkündete Thomas Sauer, Sprecher von Landesverkehrsminister Gerold Wucherpfennig (CDU) vor wenigen Tagen. Schließlich habe man das Ansinnen schon 1990 aus gutem Grund abgelehnt. Andere Bahnlinien, etwa die für Neigetechnik ertüchtigte Strecke Erfurt–Würzburg, seien, so Sauer, wichtiger. „Das hat Priorität.“ Damit bleibt der Freistaat bei ihrem klaren Nein zu jeglichem neuen Zugverkehr nach Bayern. Erst kürzlich hatte die Landesregierung einen zukünftigen Regionalverkehr auf der ICE-Neubaustrecke Erfurt–Nürnberg ebenso abgelehnt wie die Bestellung von Zügen auf dem 500 Meter langen Thüringer Abschnitt der Höllentalbahn, der direkten Verbindung von Saalfeld und Blankenstein ins fränkische Hof.

„Die haben überhaupt nicht nachgedacht“, schimpft Bier und erinnert daran, dass das Werrabahn-Projekt nach der Wende einst als „Hirngespinst“ und „völliger Quatsch“ abgetan wurde. „Die neue ICE-Strecke schafft aber völlig neue Bedingungen“, sagt Biers „Pro Bahn“-Kollege Burkhard Eßig. Tatsächlich: Die Hochgeschwindigkeitsstrecke, die ab 2017 Berlin und München in vier Stunden verbinden soll, bringt den blitzschnellen ICE auch nach Thüringen und Franke. Nach bisheriger Planung aber soll er lediglich in Erfurt, Bamberg und Nürnberg jede Stunde stoppen – und würde daher Fahrgästen aus dem Raum Coburg und Südthüringen zumindest in Richtung Süden wenig nützen. Damit der Zeitvorteil durch Umwege und Umsteigen in Erfurt oder Bamberg aufgefressen wird, muss ein ICE-Halt in Coburg her. Für den wird schon jetzt eigens ein Schlenker von der Haupttrasse gebaut, den nach dem aktuellen Konzept aber nur ein paar Züge täglich nutzen sollen – zu wenig für eine wirklich gute Anbindung.

Trassen-Modell für 60 Millionen

Damit sich für die Bahn ab 2017 ein stündlicher ICE-Stopp lohnt, braucht man genügend Fahrgäste. „Rund 60 Einsteiger pro Zug“, rechnet Bier vor. Und um die zu erreichen, braucht der Coburger Bahnhof dringend Fahrgäste aus Südwestthüringen, aus Hildburghausen, Schmalkalden-Meiningen und Suhl – und eben die soll die Werrabahn bringen.

Die regionale Politik in Oberfranken hat das längst erkannt und macht seit einigen Wochen tüchtig Dampf: Jüngst rang der Coburger CSU-Bundestagsabgeordnete Hans Michelbach Bahnchef Hartmut Mehdorn ein persönliches Bekenntnis zum Lückenschluss ab. Eine Werrabahn-Initiative im bayerischen Landtag soll folgen. „Pro Bahn“ forderte Ministerpräsident Günter Beckstein auf, die durch das abgeblasene Münchner Transrapid-Projekt eingesparten Mittel der Werrabahn zuzuschießen. Und Coburgs OB Norbert Kastner (SPD) investiert mit dem Landkreis Coburg 50 000 Euro in eine Machbarkeitsstudie, um zu prüfen wie und wo die Gleise wieder hergerichtet werden.

Mit dem Verlegen von ein paar Gleisen ins Nachbarland nämlich ist es nicht getan. Zwar ist der alte Bahndamm auf Thüringer Seite, obwohl ab Eisfeld zugewuchert, noch weitgehend intakt. In Bayern jedoch, im Lautertal, hatte man die Trasse in steter Hoffnung auf die Wiedervereinigung zunächst freigehalten, dann aber in den siebziger Jahren an Häuslebauer verkauft. „Das macht nichts, diesen Bereich kann man mit relativ wenig Aufwand umgehen“, sagt Rainer Bier und verweist auf das Trassen-Konzept seiner „Pro Bahn“-Leute: Teils entlang der ICE-Neubaustrecke, teils in einem Erdeinschnitt parallel zum Lautertal und teils auf dem alten Damm sollen die Züge künftig rollen. „Die Grundstücke sind zu 90 Prozent in öffentlichem Eigentum, und fast überall besteht Planungsrecht“, sagt Bier. Auf rund 60 Millionen Euro schätzt Bier die Baukosten für den Abschnitt Eisfeld–Coburg – eigentlich ein Klacks angesichts der 2,4 Milliarden für die Thüringer-Wald-Autobahn oder der 13 Milliarden Euro, die ICE-Strecke Berlin–München insgesamt kostet.

Doch auch dieser Klacks muss finanziert werden – vom Bund. Und der wird nur investieren, wenn er damit rechnen kann, dass die Bundesländer ab 2017 auch wirklich Zugfahrten bestellen und bezahlen. Denn während die Bahn den Fernverkehr auf eigene Rechnung betreibt, läuft im Nahverkehr nichts ohne das Geld aus den Kassen der Länder, die alle Züge bestellen und bezahlen müssen. Erfurt und München wiederum werden nur dann etwas springen lassen, wenn sich, wie in Oberfranken, Menschen regen und den Bedarf für die Strecke nachweisen.

In Südthüringen herrscht dagegen vor allem Schweigen. Ein Pro-Werrabahn-Beschluss des Wirtschaftsausschusses im Kreis Sonneberg, ja. Und bei einer Rundreise zu den Südthüringer Landräten sei er auf „zurückhaltende Zustimmung bis Begeisterung“ gestoßen, berichtet Bier. Aber aktiver Einsatz für besseren Bayern-Anschluss ist indes bisher Fehlanzeige.

Steffen Harzer aus Hildburghausen gehört zu den wenigen Ausnahmen. Der Bürgermeister von der Linkspartei weiß ebenso wie der gesamte Stadtrat um die Bedeutung, die ein guter Anschluss ans ICE-Netz für seine Kleinstadt hat. „Wir kämpfen seit Jahren für eine Bahnverbindung nach Coburg“, sagt Harzer, der die ablehnende Haltung der Thüringer Landesregierung nicht nachvollziehen kann. „Es gibt eindeutig einen Bedarf“, da sei man sich mit allen Nachbarn einig. In der Kreisstadt bevorzugt man allerdings die Trasse über Bad Rodach, wofür zwischen Hildburghausen und der Kurstadt eine gänzlich neue Strecke gebaut werden müsste.

„Diese Variante wäre aber zu teuer und deutlich schlechter“, entgegnet „Pro Bahn“-Mann Bier und verweist auf die überregionale Bedeutung einer künftigen Achse Eisenach–Coburg: „Die wäre auch für den Güterverkehr zwischen Oberfranken, Mittel- und Norddeutschland interessant.“ Bislang nämlich müssen Güterzüge Richtung Hamburg den weiten Umweg über Würzburg oder Leipzig nehmen, statt direkt über Eisenach und Kassel an die Nordsee oder ins Ruhrgebiet zu rollen. Schöner Nebeneffekt: Für Güterstrecken gibt es zusätzlich Gelder von der Bundesregierung.

In Erfurt interessieren solche Argumente einstweilen nicht. „Wenn es wirklich einen Bedarf für Züge von Südthüringen nach Coburg geben sollte, dann muss er erst mal nachgewiesen werden“, sagt Ministeriumssprecher Sauer.

Was das betrifft, setzen Rainer Bier und seine Mitstreiter ganz auf die örtliche Politik. „Es muss endlich mehr Druck aus der Region geben“, sagt er und regt die Gründung eines Zweckverbands „Werrabahn“ an, dem alle Städte und Landkreise angehören, die von der Verbindung profitieren.

Dass die Lobby für die Bahn in Südthüringen eher schwach ist, weiß auch Rainer Bier. Schließlich hat die Region die höchste Autodichte im Osten, viele Menschen erleben die Eisenbahn nur noch als Autofahrer, der an der Schranke wartet. Entsprechend unpopulär sind Investitionen in die Schiene „Alles keine Argumente gegen den Lückenschluss“, sagt Bier und sieht sich auf der richtigen Seite: „Wir schauen voraus.“ Horrende Benzinpreise und die Energieknappheit würden auch hier automatisch ein Umdenken einleiten. „Im Jahr 2017 wird die Bahn eine echte Alternative“, sagt Rainer Bier. „Das anders zu sehen wäre wirklich kurzsichtig.“

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