PRO BAHN beklagt Serviceeinschränkung

Einstellung des Fahrkartenverkaufs im Zug

Ein Ärgernis aus Fahrgastsicht war die Einstellung des Fahrkartenverkauf in Zügen der Deutschen Bahn AG zum 1. April 2007. Wer - aus welchen Gründen auch immer - ohne Fahrschein im Zug angetroffen wurde, wurde oft rigoros als Schwarzfahrer eingestuft und mit 40 Euro belegt. Im Sommer 2007 häuften sich dann auch die Beschwerden von Fahrgästen, die unberechtigerweise das EBE ("erhöhtes Beförderungsentgelt") aufgebrummt bekamen. PRO BAHN hatte in mehreren Gesprächen die DB darauf hingewiesen, dass ihre Regelung von den ehrlichen Fahrgästen als Kriminalisierung aufgefaßt werde und dem Image der Eisenbahn schweren Schaden zufüge. Die DB sagte zwar eine kundenfreundliche und der jeweiligen Situation angemessene Raeaktion der Kundenbetreuer im Zug ("Schaffner") zu, die Wirklichkeit zeigte jedoch, dass entweder die Schulung der Mitarbeiter ungenügend ist oder dass die Zusagen nicht eingehalten wurden.

Einen Vorfall in Weilheim nahm PRO BAHN zum Anlaß für eine Beschwerde (15. September 2007) und die Bitte um verbindliche Aufklärung. Einer Kundin war die Mitfahrt verweigert worden, obwohl sie am Bahnsteig vor Abfahrt des Zuges dem Schaffner mitteilte, dass sie noch einen Fahrschein benötigte. Die BEG erhielt eine Abschrift des Schreibens. In der Antwort vom 24. September 2007 [Tippfehler wurden beibehalten] teilt die DB nun mit, dass die Zurückweisung der Kundin unrechtmäßig war.

PRO BAHN wird das Thema bei der nächsten Beiratssitzung der Bayerischen Eisenbahngesellschaft nochmals zur Sprache bringen.

In einem Artikel in der PRO BAHN Post hat Norbert Moy das Thema ebenfalls nochmal aufgearbeitet:

PRO BAHN Post 10/2007: Wie man sich Schwarzfahrer macht .....

Mittlerweile sechs Monate dürfen Bayerns Bahnkunden den erweiterten Kundenservice in den Nahverkehrszügen der DB AG genießen: Seit 1. April 2007 hat DB Regio Bayern den Fahrkartenverkauf in den Zügen eingestellt, damit die Kundenbetreuer mehr Zeit für die Fahrgäste haben. Was böse Zungen für einen Aprilscherz hielten, wurde aber bitterer Ernst. Aus Unternehmenssicht stand dabei das Ziel im Vordergrund, die Zahl der Schwarzfahrer in den Zügen einzudämmen. Unausgesprochen dürfte es aber auch darum gehen, die Zugbegleiter Schritt für Schritt entbehrlich zu machen und so die Kosten zu reduzieren. Ob diese Ziele erreicht wurden, lässt sich von Außen kaum beurteilen. Zweifel sind aber angebracht, ob sich mit den mittlerweile sporadischen Fahrscheinkontrollen die Zahl der echten Schwarzfahrer vermindern lässt.

Erstaunt hat aber die fanatische Gründlichkeit, mit der auch zahlungswillige Fahrgäste geradezu kriminalisiert werden. Ein paar Beispiele:

Eine Dame kommt am Bahnhof Weilheim in letzter Minute an den Bahnsteig und bittet den Zugbegleiter um einen Fahrschein. Technisch wäre er auch in der Lage einen Fahrschein auszudrucken, er darf es aber nicht. Die Kundin bleibt folglich am Bahnsteig zurück und hat eine Stunde Zeit, die gepflegten Bahnhofsanlage zu besichtigen. Der wirtschaftliche Vorteil, der sich aus dieser Vorgehensweise ergeben soll, bleibt dem einfachen Gemüt des Verfassers aber verborgen. Sicher ist aber, dass sich die Dame geärgert hat....

Ein anderer Kunde besitzt einen Fahrschein 2. Klasse Weilheim - Frankfurt zum Normalpreis ohne Ermäßigung. Nachdem der Weilheimer Zug sehr voll ist, setzt er sich in die erste Klasse und bittet den Zugbegleiter um einen Übergangsfahrschein für die Gesamtstrecke. Er erhält jedoch einen Zahlungsbefehl für ein erhöhtes Beförderungsentgelt in Höhe von 40 Euro und wird aufgeklärt, dass er den Zugbegleiter erst hätte aufsuchen müssen. Wieder ein gut zahlender Kunde vergrault, gleichwohl man ihm die Absicht unterstellen kann, die Beförderung erster Klasse erschleichen zu wollen. Doch wo im Zug findet er den Zugbegleiter? Gut gelöst ist diese Frage beim Allgäu-Express, wo die Nachlöser den Zugbegleiter im "Alex-Treff" am Tresen antreffen können.

Auch der Verfasser diese Artikels wurde auf der Heimfahrt aus dem Urlaub unfreiwillig zum Schwarzfahrer: Für die Fahrt von Amstetten in Niederösterreich nach Weilheim sah der Fahrplan wegen der Mitnahme der Fahrräder ab Salzburg die Benutzung von Regionalzügen der DB vor. Die Übergangszeit vom ÖBB-IC 644 auf den RE 30036 war mit 26 Minuten ausreichend für den Erwerb eines Bayern-Tickets bemessen. Eine Verspätung verkürzte die Zeit aber auf weniger als 10 Minuten; mit Müh und Not erreichten wir den Zug - aber ohne Fahrschein. Die Frage an den Zugbegleiter am Bahnsteig, ob er uns ein Bayernticket verkaufen würde, wurde mit einem kategorischen Nein beantwortet. Dafür herrschte er uns an, warum wir so spät dran wären. Der Hinweis auf die Verspätung des IC 644 bewirkte jedoch keinen Sinneswandel. Über den Schienenersatzverkehr zwischen Freilassing und Traunstein informierte er uns aber, der dann übrigens sehr gut organisiert war. Trotzdem stiegen wir den Zug, der Schaffner ließ nicht mehr blicken und in Freilassing bestand ausreichend Zeit für den Fahrscheinkauf.

Ganz offenkundig haben die Zugbegleiter keinerlei Ermessungsspielraum, den Kunden gegenüber Kulanz zu zeigen und offenkundig zahlungswilligen Fahrgästen einen Fahrschein zu verkaufen, und müssen wohl für jeden verkauften Fahrschein eine Begründung nachweisen. Ob das Misstrauen des Unternehmens gegenüber seinen Mitarbeitern gerechtfertigt ist, sei an dieser Stelle dahingestellt. Es sei aber daran erinnert, dass schon die früheren Regelungen zum Nachlösen im Zug die Fahrgäste verpflichteten, sich aktiv beim Zugbegleiter zu melden. Eigentlich wäre diese Regelung ausreichend, die "Schwarzfahrer" von zahlungswilligen Kunden zu unterscheiden. In der Praxis fand die Regelung aber kaum Anwendung und auch die "Kunden", die es darauf ankamen ließen, ob der Zugbegleiter wirklich durchkommt, erhielten trotzdem einen Fahrschein ausgestellt. Dafür mag es auch Gründe geben, es gibt ja auch Fahrgäste, die den Schaffner mit unbegründeten Beschwerden das Leben schwer machen. Aus Sicht von Pro Bahn kann aber das Problem Schwarzfahren nur durch gründliche Fahrscheinkontrollen gelöst werden. Was nicht sein darf, ist, dass zahlungswillige Kunden noch am Bahnsteig abgewiesen werden. Die derzeitige Praxis entspricht den Ansprüchen an eine zeitgemäße Dienstleistung. Damit ehrliche Bahnkunden nicht als Schwarzfahrer behandelt werden und Schwarzfahrer eindeutig detektiert werden, braucht es als Voraussetzung ein perfektes und transparentes Vertriebssystem. Und ist das Vertriebssystem nicht perfekt, dann hilft eben nur Kulanz.

Norbert Moy

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