PRO BAHN zu den nahenden Fahrplanänderungen im Busverkehr in Bensheim, Heppenheim und Bürstadt: Große Verbesserungen im Regionalbusverkehr. Quantensprünge in Bürstadt und Heppenheim. Wenig ambitioniertes Stadtbuskonzept in Bensheim. Ruftaxi bleibt in Bensheim weiterhin wenig innovatives Zwangskunden-Vehikel.

 

Mit gemischten Gefühlen blickt der Fahrgastverband PRO BAHN auf die zum Fahrplanwechsel am 9.12. nahenden Veränderungen im Busverkehr im Bereich Bensheim, Heppenheim und Bürstadt. Während die Städte Heppenheim und Bürstadt ihre Stadtverkehre im Sinne einer Angebotsoffensive massiv ausbauen, verschläft ausgerechnet die größte Stadt im Kreis Bergstraße eine wichtige Gelegenheit ihren städtischen ÖPNV auf Vordermann zu bringen. Im Regionalbusverkehr dagegen kommt es auch in Bensheim zu erheblichen Verbesserungen.

Halbherziges Konzept in Bensheim

„Die Bensheimer Kommunalpolitik hat ihre Chance auf eine Angebotsoffensive im Stadtbusverkehr leider verschlafen“, stellt Peter Castellanos, Vorsitzender des PRO BAHN Regionalverbands Starkenburg und Gründungsmitglied des zwischen 2012 und 2016 aktiven Arbeitskreises Stadtbus Bensheim enttäuscht fest. „Zwar kommt es auf der Linie 671 nach Auerbach zu einer Verdopplung des Fahrtenangebots und endlich auch zu einem – wenn auch marginalen – Samstagsbetrieb, das täuscht aber nicht darüber hinweg, dass es in der Stadt weiterhin erhebliche Erschließungsdefizite und wenig Innovation im bedarfsgesteuerten Verkehr geben wird“.

Castellanos spricht dabei einerseits von unerschlossenen Flecken, wie beispielsweise dem „schwarzen Loch“ Weststadt im dicht besiedelten Bereich nahe der Joseph-Heckler-Schule, wo auch in den nächsten zehn Jahren weit und breit kein attraktives ÖPNV-Angebot vorgesehen ist, und andererseits vom Festhalten am liniengebundenen Ruftaxi. Dieses könne nur bedingt auf die Mobilitätswünsche einer so prosperierenden Stadt wie Bensheim eingehen und zeugt von mangelnder Innovation. „Hier hätte man auch eine weitaus einfachere und flexiblere Lösung mit bestehenden Mitteln umsetzen können, anstelle den Ruftaxilinien-Dschungel in nur leicht veränderter Form fortzuschreiben. Eine konkrete Idee dazu ist im Maßnahmenkatalog des Arbeitskreises Stadtbus Bensheim [1] festgehalten“.

Zwar wurden etliche Anregungen aus den Arbeitsergebnissen des Arbeitskreises aufgegriffen, etwa die neuen Haltestellen „Hemsberg“, „Richard-Strauß-Straße“ oder die bessere Erschließung des EKZ am Güterbahnhof. In wesentlichen Punkten bleibt das neue Konzept allerdings hinter den Basics eines attraktiven ÖPNV-Konzeptes zurück. „Ein spärlicher Samstagsbetrieb auf den Stadtbuslinien 671 und 673 bis 17 Uhr im Stundentakt ist zwar besser als nichts, die selbst gesteckten ambitionierten Ziele in Richtung „klimaneutrale Stadt“ lassen sich aber nicht erreichen, wenn bei der ÖPNV-Angebotsplanung angenommen wird, dass samstags nach 17 Uhr und sonntags grundsätzlich die Bürgersteige hochgeklappt werden. Dann auch noch zu glauben, dass allein das vorbestellungspflichtige Ruftaxi ein attraktives Ersatzangebot für einen besser getakteten Busverkehr sein könnte spricht Bände“. Bensheim brauche ein Mobilitätsgrundnetz und kein Nachfragerumpfnetz, fordert der Fahrgastverband unter Verweis auf die Einstellung der Buslinie 672 zum Leimenberg und Waldfriedhof. Das Ruftaxi mit seiner zu langen Vorbestellfrist von einer Stunde sei für dieses anspruchsvolle Gebiet eine vollkommen ungeeignete Bedienform – zumal es für viele Bürger systembedingt erklärbedürftig ist und die Stadtverwaltung nun wirklich nicht durch offensives ÖPNV-Marketing aufgefallen ist.

Der tendenziell vernachlässigte Stadtbus darf aber nicht über die Verbesserungen auf den Regionalbuslinien hinwegtäuschen. Auf der Linie 669 Alsbach – Bensheim – Heppenheim werde es z.B. bis 21 Uhr einen durchgehenden Halbstundentakt geben und einen Betrieb bis nach 0 Uhr hinein. Die Linie 675 nach Gronau schafft den Sprung von der Schülerkutsche zur gelegentlich interessanten Alternative zum eigenen Pkw. Immerhin von 6 bis 18 Uhr werde es durchgehend einen Stundentakt auf dieser Linie geben, was ungefähr einer Verdopplung des bisherigen Angebots entspricht und insbesondere die Flexibilität von auf den ÖPNV angewiesenen Zellern und Gronauern erheblich steigert.

Heppenheim und Bürstadt investieren massiv in ihre Stadtverkehre

Mit großer Zufriedenheit blickt PRO BAHN in die Kreisstadt und die Riedkommune Bürstadt. „Hier zeigt sich, was machbar ist, wenn die Kommunalpolitik das Thema ÖPNV ernst nimmt“, bewertet Castellanos die Neukonzeption. So werde es in Heppenheim etwa zwischen der Nordstadt und dem Bahnhof sogar den ganzen Tag über einen 15-Minuten-Takt geben; im Gegensatz zum deutlich einwohnerstärkeren Bensheim sogar einen täglichen Betrieb bis 22 Uhr. „Das geht sogar über jede Vorstellung hinaus, die wir für möglich gehalten haben, wenn man bedenkt, dass der Heppenheimer Stadtbus mal einstellungsgefährdet war. Zugleich zeigt das plakativ, dass in beiden Städten deutlich unterschiedliche ÖPNV-Strategien gefahren werden“.

In Bürstadt wird der Stundentakt im Stadtbus auf einen Halbstundentakt von 5 Uhr morgens bis 20 Uhr abends verdoppelt und die Erschließung der Stadt deutlich verbessert. Einziger Wermutstropfen: In Bürstadt wird es auch weiterhin samstags und sonntags keinen Stadtbusbetrieb geben – was insbesondere für die Erreichbarkeit des Neubaugebiets Sonneneck, das Wohngebiet um den Krieglachring herum und Teile Bobstadts gravierend ist. Mit dem fehlenden bzw. eingeschränkten Wochenendangebot haben Bürstadt (16 000 Einwohner) und Bensheim (40 000 Einwohner) eine Gemeinsamkeit – wenngleich hier zwei verschieden große Städte (Einwohnerdifferenz 24 000!) verglichen werden.

„Langfristig müssen die Stadtbusnetze von Bürstadt und Lampertheim zusammenwachsen“, fordert Castellanos. „Zwischen den beiden Mittelzentren bestehen viele Beziehungen, die allein über die Schiene nicht zumutbar auf den ÖPNV verlagert werden können. Neben der Verspätungsanfälligkeit der Riedbahn ist es auch Unsinn zu glauben, dass man eine direkte Pkw-Fahrt von der einen in die andere Stadt freiwillig gegen zeitraubenden und mit Umwegen und bis zu zweimaligem Umsteigen verbundenen ÖPNV eintauscht“. Hier setzt PRO BAHN ganz auf den bald fortzuschreibenden Nahverkehrsplan, der endlich deutlicher zwischen schädlichem und unschädlichem Schienenparallelverkehr differenzieren muss, um kundenorientierte Lösungen zu ermöglichen. Die letzten Sommer neu eingerichtete Linie 655 von Riedrode nach Lampertheim kann in diesem Zusammenhang mit ihren 3-4 Fahrten pro Tag nur als guter Wille, nicht jedoch als ernst gemeintes Alternativangebot zum eigenen Pkw aufgefasst werden.

In der Gesamtschau bewegt sich in Bürstadt und Heppenheim vieles, in Bensheim nur einiges, um den ÖPNV als echte Alternative zum eigenen Pkw zu entwickeln. PRO BAHN ist sich sicher: Wenn die Bensheimer Regierungsparteien die nächsten zehn Jahre – die Vertragslaufzeit der Busbündel – etwas engagierter nutzen, als das bisher zu beobachten war, sind auch die letzten ÖPNV-Lücken leicht zu schließen und die Erlössituation durch zahlungskräftige Neukunden deutlich zu verbessern.


[1] Arbeitskreis Stadtbus Bensheim 2016, Maßnahmenkatalog zur Optimierung des ÖPNV in Bensheim (Stand März 2016)