Der nachfolgende Pressetext kann zusammen mit einer Auswahl der hier dargestellten Bilder über den folgenden Button als PDF-Datei herunterladen werden (ca. 4MB):

Die nachfolgenden Bilder sind unter der Lizenz CC-BY-SA 4.0 veröffentlicht und können unter Namensnennung „Peter Castellanos / PRO BAHN Starkenburg“ oder „Peter Castellanos“ weiterverwendet werden.
Die Bilder sind außerdem auf unserer
Facebookseite abrufbar.


Am 12.10.2019 waren die Odenwaldbahn-Initiative, der PRO BAHN Regionalverband Starkenburg, der DGB Darmstadt-Dieburg und der BUND Darmstadt auf Exkursion in Bad Wildbad. Dort erhielten die neun Teilnehmer eine erkenntnisreiche Führung durch Bürgermeister Klaus Mack, der über die Entwicklung seiner Stadt in den letzten Jahren und die Rolle der 2002 modernisierten Enztalbahn Pforzheim – Bad Wildbad berichtete. Das Modernisierungsprojekt umfasste neben der Komplettsanierung und Elektrifizierung der 20 km langen Strecke, die Einrichtung zahlreicher neuer Haltepunkte und die Weiterführung der Bahnlinie vom Bahnhof durch einen städtebaulich sensiblen Bereich bis zum Kurpark auf einer Straßenbahn-Neubaustrecke.Die Erfahrungen aus Bad Wildbad können einen Beitrag zur Diskussion um die Entwicklung des ÖPNV im Darmstädter Umland leisten.

Im Antlitz des eigens für den württembergischen Adel erbauten Bahnhofsgebäudes erklärt Bürgermeister Mack, dass die Modernisierung der Bahn eines von vielen wesentlichen Elementen im strategischen Gesamtkonzept für die Stadtentwicklung in Bad Wildbad bildet. Neben dem Ausbau von Ganztags-Kita-Plätzen und der städtebaulichen Revitalisierung des ehemals brachliegenden Bahnhofsgeländes durch barrierefreies Wohnen, hat die Stadt in den letzten Jahren viel in den Tourismus investiert. In den letzten Jahren sind unter anderem eine Downhill-Strecke für Mountainbiker, ein Baumwipfelpfad und eine 60 Meter hohe Hängebrücke für Fußgänger entstanden. Diese Attraktionen ergänzen die beiden Thermen, Theater und Kliniken der im Enztal eingebetteten mondänen Kurstadt mit rund 10 000 Einwohnern, 280 000 Übernachtungsgästen und hunderttausenden Tagesbesuchern pro Jahr.

  • Bürgermeister Klaus Mack begrüßt die Reisegruppe aus Südhessen und führt über die Historie der Enztalbahn zur Entwicklung des Bahnhofsumfeldes ein.
  • Das Empfangsgebäude wird gegenwärtig (10/2019) saniert und beherbergt nach den Sanierungsarbeiten u.a. ein Geschäft für Reisebedarf und ein Café.
  • S6 nach Bad Wildbad Kurpark fährt in den Bahnhof Bad Wildbad ein. Anschließend geht es weiter...
  • ... in die in die Innenstadt bis zum Kurpark.

Als beliebtes Ausflugsziel und Bildungsstandort müssen wir ein hohes Verkehrsaufkommen bewältigen. Seit 1996 ist unsere Altstadt vom Durchgangsverkehr dank einer Umgehungsstraße entlastet und damit die Voraussetzungen für die Stadtbahn bis zum Kurpark geschaffen worden. Durch diese Kombination haben wir den Verkehr in den Griff bekommen“, so der Bürgermeister, der kein Geheimnis daraus macht, dass die Stadtbahn während der Planungsphase hochumstritten war.

Denn so selbstverständlich, wie heute bis zu vier Mal pro Stunde ein Zug durch die verkehrsberuhigte Begegnungszone der König-Karl-Straße fährt, war das Vorhaben durchaus nicht. Nachdem einige Bürger und Einzelhändler Wind davon bekommen haben, dass durch die Altstadt bald Züge rollen sollten, formierte sich heftiger Widerstand. Die Sorgen und Ängste konnten jedoch schnell durch umfassende Aufklärung und Unterstützung der Landespolitik ausgeräumt werden. „Heute will sich niemand gegen die Stadtbahn ausgesprochen haben“, fasst Mack den Meinungsumschwung zusammen. „Die anfängliche Sorge, dass die König-Karl-Straße wegen der neuen Verkehrssituation unsicherer und deshalb ausbluten würde, hat sich nicht bestätigt. Dieser Bereich wird sogar etwas stärker frequentiert, als die parallel verlaufende Fußgängerzone. Die Stadtbahn ist heute die Lebensader unserer Stadt“.

  • Direkt hinter dem Bahnübergang am Bahnhof geht die Trasse in den begrünten Straßenraum über.
  • Hier findet der Systemwechsel zwischen "großer Eisenbahn" und Straßenbahn statt.
  • Sowohl das Stromsystem...
  • ... als auch die Rechtsgrundlagen für den sicheren Betrieb der Infrastruktur wechseln hier. BOStrab = "Straßenbahn Bau- & Betriebsordnung"; EBO = "Eisenbahn Bau- und Betriebsordnung"
  • Gleich durchfährt der Straßenbahnwagen 849 in Doppeltraktion mit Wagen 870 die Systemwechselstelle ...
  • ... und wird zur Eisenbahn-Doppeltraktion 849+870. Der Fahrgast spürt von alldem nichts.

An der Haltestelle Uhlandplatz, dort wo die Bahn mitten durch den Außenbereich bewirteter Cafés und Gaststätten fährt und in unmittelbarer Nachbarschaft zur 2011 modernisierten Sommerbergbahn hält, erzählt Mack von der Albtal-Verkehrsgesellschaft (AVG), dem Verkehrsunternehmen, das die Enztalbahn bis heute mit Mehrsystem-Stadtbahnwagen betreibt. Diese Züge sind technisch so ausgerüstet, dass sie sowohl in der Stadt, als auch auf Eisenbahnstrecken eingesetzt werden können.

In den 1990er Jahren hat die AVG durch ihr Engagement in Zusammenarbeit mit betroffenen Landkreisen und dem Land Baden-Württemberg viele stilllegungsgefährdete Bahnstrecken im Raum Karlsruhe durch Modernisierungen und daraus resultierenden Vervielfachungen der Fahrgastzahlen gerettet.

Die AVG hat die Weiterfahrt vom Bahnhof zum Kurpark von Anfang an zur Voraussetzung für die Modernisierung gemacht“, erläutert Mack. Erklärter Wille des damaligen Geschäftsführers Dr. Dieter Ludwig war es schließlich „die Bahn zu den Menschen zu bringen“. Dieser Wille wurde durch harte Fakten aus der Nutzen-Kosten-Untersuchung zur Modernisierung der gesamten Enztalbahn gefestigt: Ohne die Weiterführung bis zum Kurpark hätte das Projekt nämlich nicht den notwendigen Nutzen-Kosten-Faktor über 1 erreicht. Liegt das Ergebnis über 1 ist die Wirtschaftlichkeit eines Projektes nachgewiesen. Dies ist notwendig, um Fördergelder von Bund und Land für Investitionen in Verkehrswege zu erhalten.

  • Blick in die König-Karl-Straße, wo die Straßenbahnstrecke neben der Enz durch einen städtebaulich hochsensiblen Bereich fährt.
  • Hin und wieder kommt hier mal die Bahn. Außerhalb der Fahrzeiten kann die Bahntrasse ohne Probleme betreten werden (Anfang der "Begegnungszone" oder des "Shared Space"-Bereichs).
  • Mitten durch die Außengastronomie fährt die Bahn hier...
  • ... in der Hauptverkehrszeit bis zu 4 Mal / Std. durch. Währenddessen klirrt das Geschirr dank guter Gleisdämmung übrigens nicht. Davon hat sich die Reisegruppe beim Mittagessen selbst überzeugt! 😉
  • An der Station Uhlandplatz wird es nie langweilig, da die Bahn regelmäßig für Frequenz sorgt. Hier kann man übrigens auch die ...
  • ... 2011 komplett modernisierte Sommerbergbahn erreichen.
  • Hier berichtet Bürgermeister Mack über die Nutzen-Kosten-Untersuchung zur Modernisierung der gesamten 20km langen Enztalbahn Pforzheim - Bad Wildbad ...
  • ... Ohne die Weiterführung bis zum Kurpark wäre das Projekt nicht förderfähig gewesen, da der notwendige Nutzen-Kosten-Faktor nicht erreicht worden wäre.
  • Nach anfänglichen Protesten während der Planungsphase gegen eine Bahn durch die Altstadt, will heute niemand die Bahn missen.

Am Kurpark, wo sich Kurgäste der Thermen mit Parkbesuchern, Radfahrern und Fahrgästen der Stadtbahn tummeln, berichtet Mack von den Vorteilen der einfachen Anreise mit der Bahn, die besonders Senioren sehr schätzen würden. „Durch die Direktverbindung nach Pforzheim und Karlsruhe ist es sehr leicht direkt vor die Haustür der zahlreichen kulturellen Veranstaltungen im König-Karls-Bad zu gelangen oder einfach den Trubel der Großstadt nach einem Spaziergang im Kurpark hinter sich zu lassen.“

  • Ebenfalls reizvoll und sehenswert: Die parallel zur Bahn verlaufende Fußgängerzone.
  • Vor dem Kurhaus erzählt Bürgermeister Mack vom kulturellen Leben in der Stadt, das sich im Bereich zwischen Kurpark und Uhlandplatz räumlich zusammen mit den Kurkliniken bündelt.
  • Am Kurpark befindet sich das Streckenende. Von hier startet auch am Wochenende alle 60 Minuten ...
  • ... ein Zug direkt nach Karlsruhe. Dort wechseln die Züge ebenfalls auf Straßenbahngleise. Vom Kurpark Bad Wildbad kommt man also z.B. direkt zum Karlsruher Marktplatz. Ohne Umstieg durchreisen? ...
  • ... Das wissen besonders mobilitätseingeschränkte ÖPNV-Kunden zu schätzen! Schließlich entfallen damit zeit- und kraftraubende Umstiege mit Treppen, Rampen oder (schlimmstenfalls defekten) Fahrstühlen.
  • Nach dem Spaziergang durch den Kurpark bedanken sich die Exkursionsteilnehmer bei Bürgermeister Mack für die erkenntnisreiche Führung.

Im Anschluss an die Führung fand eine verkehrspolitische Diskussion im Kurhaus statt. Unter den Teilnehmern herrschte Einigkeit darüber, dass ohne Weiteres zwar nicht alle, aber doch viele Erfahrungen aus Bad Wildbad auf die Stadt Darmstadt und den Landkreis Darmstadt-Dieburg in adaptierter Form übertragen werden können. „Eine reaktivierte Bahnstrecke in Kombination mit einer Ortsumgehung entfaltet einen deutlich größeren Nutzen, als eine Ortsumgehung allein“, ist sich Uwe Schuchmann, Sprecher der Odenwaldbahn-Initiative, mit Blick auf die Diskussion um die Gersprenztalbahn in Groß-Bieberau sicher. „Die Exkursion zeigte uns, dass in der Diskussion um das beste Konzept für den ÖPNV zwischen Darmstadt und Groß-Zimmern noch viel Klärungsbedarf besteht. Einen Beitrag dazu werden wir in den nächsten Monaten liefern“, kündigt Peter Castellanos, Vorsitzender des PRO BAHN Regionalverbands Starkenburg an.