Der Filzenexpress

Trauriges Jubiläum für Wasserburg

Bericht in der PRO BAHN Post vom April 2017

Standardisierte Bewertung, alles im Butter?

Zu den Grundsätzen bayerischer Verkehrspolitik gehört, dass die Eisenbahn sich lohnen, aber zumindest volkswirtschaftlich sinnvoll sein muss. Für ein objektives Urteil gibt es den Nutzen-Kosten-Index. Ihn zu errechnen ist Aufgabe eines Gutachters. Eine entscheidende Größe - neben den Bau- und Betriebskosten - sind die Personenkilometer, die vom motorisierten Individualverkehr auf die Schiene verlagert werden. Sie werden dem monetarisierten Nutzen zugeordnet. Bei der Schätzung dieser Zahlen bestehen gewisse Gestaltungsspielräume. Die Objektivität der Berechnung darf also immer hinterfragt werden.

Denn die Politik verlässt sich auf das errechnete Ergebnis. Ist der errechnete Index größer eins, gilt das Projekt als sinnvoll. Beim zweiten Stammstreckentunnel in München liegt der Nutzen-Kosten-Index mit 1,05 nur ganz knapp über dieser magischen Zahl. So sehr sich bei so knappen Ergebnissen eine kontroverse Diskussion anböte, glauben wir mal die errechneten Zahlen.

Wenden wir uns einem weiteren Projekt in Oberbayern zu, der Wasserburger Altstadtbahn. Auch hier wurde der Nutzen-Kosten-Index ermittelt, wenn auch nicht direkt. Der Gutachter hat vielmehr einen Quotienten aus erforderlichem und erwartetem Mehrverkehr errechnet unter der Annahme eines Nutzen-Kosten-Index von 1,0. Dieser Quotient liegt zwischen 0,11 und 0,21. Damit fällt die Wasserburger Altstadtbahn durch. Also alles in Butter bei der Ablehnung? Ja, wenn es so einfach wäre.

Der Gutachter für Wasserburg rechnet für die erforderlichen Personenkilometer allein die auf der 4 km langen Altstadtbahn erbrachten. Praktisch bedeutet das: Alle neuen Fahrgäste fahren mit dem Zug von der Innenstadt bis Reitmehring und fahren ab dort mit dem Auto weiter nach München.

Der Gutachter für die Münchner S-Bahn geht anders vor: Um die Wirkung des neuen Tunnels zu bewerten, wird der gesamte MVV-Bereich einbezogen. 1,4 Millionen auf die Schiene verlagerte Personenkilometer pro Werktag liegen dem Gutachten zugrunde. Nach der Wasserburg-Methodik umgerechnet auf die 12 km lange Stammstrecke wären dann 167.000 Fahrgäste pro Werktag notwendig. Prognostiziert werden aber nur 48.200 verlagerte Personenfahrten. Damit läge der Nutzen-Kosten-Faktor nach der Wasserburger Methode deutlich unter eins. Das Gutachten vom Oktober 2016 geht von 2,3 Mrd Euro Investitionskosten aus, die Politik nennt aber inzwischen 3,3 bis 3,8 Mrd Euro. Noch eine Verringerung des Nutzen-Kosten-Faktors. Also, nichts ist in Butter.

Dazu kommen weitere grobe Rechenfehler im Wasserburger Gutachten, beispielsweise bei den Energiekosten. Diese werden im Gutachten mit 213.000 Euro/Jahr beziffert. Eine einfache Nachrechnung, wie sie jeder Autofahrer beherrscht, kommt auf höchstens 60.000 Euro. Zusammenfassend läge nach der Münchner Methode der Nutzen-Kosten-Index der Wasserburger Altstadtbahn eher bei zwei.

Verschiedene Gutachter verwenden verschiedene Rechenverfahren. Das ist an und für sich nicht verwerflich. Wenn aber zwei Verfahren zu so stark divergierenden Ergebnissen führen, dann muss der Auftraggeber, die Politik, innehalten. Die genauere Betrachtung erweckt den Eindruck, dass hier "alternative Fakten" zum Tragen kommen und die Ergebnisse eher die eigenen Wünsche der Auftraggeber widerspiegeln. Die Kernfrage: Haben wir verantwortungsvolle Politiker? Die Fakten zählen!

Rudi Barth, Norbert Moy

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