Filzenexpress: Dokumentation

März 2011: Gutachten - Schlechtachten - Bahnschlachten

Ein Bericht aus der PRO BAHN Post Nr. 288 (März 2011) von Thomas Kauderer:

Bekanntlich fällt das jüngste Gutachten zur Reaktivierung der Wasserburger Stadtstrecke negativ aus. Die hohen Investitionskosten von rund 11 Millionen Euro mögen auf den ersten Blick erschrecken, mit etwas mehr als 2 Millionen Euro pro Kilometer liegen sie aber unter den Kosten der meisten Umgehungsstraßen, obwohl der Wiederaufbau dieser Bahnstrecke einem Neubau gleichkommt.

Eher zu hinterfragen ist, warum die jahrzehntelang verschleppte Korrektur einer illegalen "technischen Sperrung" mit keinem Wort in eine Kosten/Nutzenbewertung eingeht. Die unmittelbar nach dem Dammrutsch erforderlichen Reparaturkosten von umgerechnet rund hunderttausend Euro wären auch mit den wenigen hundert Fahrgästen vertretbar, die heute für die Strecke prognostiziert werden. Allerdings wurde diese Zahl bereits damals mit überalterten Schienenbussen und ohne Taktverkehr übertroffen (über 1000 Reisenden-km pro km Betriebslänge; da keine Zwischenhalte zu bedienen waren, real wohl über 1000 Fahrgäste.)

Bemerkenswert ist auch, dass seit der Vertaktung des Busverkehrs vor einigen Jahren lediglich im innerstädtischen Bereich (Stadtbus Linie 8418) die Zahl der Gelegenheitsfahrgäste zugenommen hat. Eine nachhaltige Verkehrsverlagerung auf den ÖPNV ist mit dem bisherigen Busverkehr jedoch weitgehend ausgeblieben.

Der Schülerverkehr kann auch hier aufgrund des Nullknotens von Inntalbahn und Stadtbus in Reitmehring nicht ohne weiteres integriert werden, es sei denn, man entschließt sich, die Schulzeiten an einen dann langfristig gültigen ÖV-Takt anzupassen. Andernfalls sind auf diesem Sektor Taktabweichungen kaum zu vermeiden (und bei den Bussen auch übliche Praxis). Solche Taktabweichungen gibt es auch im Schienenverkehr: So verkehrt beispielsweise auf der Ammertalbahn Herrenberg-Tübingen in Baden-Württemberg (KBS 764) seit Jahren ein Schülerzug zusätzlich zum sonst durchlaufenden Takt. Das relativiert auch die Behauptung, der Schülerverkehr sei grundsätzlich nicht auf die Schiene verlagerbar.

Beim zweiten Stammstreckentunnel in München werden Taktfragen schon wesentlich undogmatischer behandelt. Nachdem der angestrebte 10-Minutentakt keine positive Kosten/Nutzenbewertung erzielte, konzipierte man kurzerhand einen 30/15-Minutentakt. Während beim Südring die Kosten für einen Vollausbau angesetzt wurden, strich man auf der Tunnelstrecke etliche Zwischenhalte, um die Bahnhöfe zu sparen; der geneigten Öffentlichkeit wird dies dann als "Express-S-Bahn" verkauft. Nicht der Südring ist "Stammstrecke light", wie immer behauptet wird, sondern der geplante Tunnel. Außerdem ändert er nichts an den fahrplantechnischen Sachzwängen auf den dicht belegten Mischverkehrsstrecken nach Geltendorf, Freising und Markt Schwaben, auf denen seit Jahren starker Nachholbedarf bei den Investitionen besteht. Ineffektiver lassen sich Milliarden nicht ausgeben.

Nicht weniger "amüsant" ist im Nachhinein die Erschließung der Messestadt Riem: Der vom Freistaat favorisierte S-Bahn-Anschluss scheiterte damals einschlägigen Broschüren zufolge an der Standardisierten Bewertung. Während heute steif und fest behauptet wird, alles müsse direkt zum Marienplatz, traf das nach den damaligen Gutachten offenbar noch nicht zu. Und so kommt niemand von der Messe umsteigfrei in die Innenstadt ohne zuvor eine ausgiebige Stadtrundfahrt in den U-Bahn-Röhren unter Berg am Laim und Giesing absolviert zu haben.

Wie man sieht, lassen sich Takt- und Angebotsfragen sehr flexibel handhaben, sobald es darum geht ein paar Kilometer Tunnel zu graben.

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