PRO BAHN zum Bahnprojekt "Regent"
Am 22. März 2000 hat PRO BAHN Bayern an den bayerischen Verkehrsminister Dr. Otto Wiesheu folgenden Brief geschrieben. Anlaß war das anstehende Treffen von Wiesheu mit Hartmut Mehdorn.Sehr geehrter Herr Staatsminister,
zu Ihrem anstehenden Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG, Herrn Hartmut Mehdorn, über die Zukunft des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) in Bayern erlauben wir uns, Ihnen einige Gedanken aus Sicht der Fahrgäste zu übermitteln. Wir sind der Meinung, daß eine Neugliederung des Bahnnetzes in Bayern für die Fahrgäste durchaus vorteilhaft sein kann, wenn dadurch die verkehrliche Infrastruktur gestärkt wird und eine Basis für eine Verbesserung des Angebots (u.a. Reisegeschwindigkeit, Pünktlichkeit) geschaffen wird.
Aus Sicht der Fahrgäste sind deshalb folgende Forderungen zu erfüllen:
- Falls eine Abgabe an Dritte erfolgt, müssen die
Zweigstrecken in einem sanierten und modernisierten Zustand zu fairen
Bedingungen an den neuen Betreiber übergeben werden. Diese
Forderung ist in der entsprechenden grundgesetzlichen Verpflichtung
des Bundes als Eigentümer der DB AG begründet. Die
technische Ausstattung der Strecken muß einen sicheren und
kostengünstigen Betrieb ermöglichen; darüber
hinausgehende "Luxussanierungen", die den Fahrgästen keine
Vorteile bringen und nur zu unkalkulierbaren Betriebs- und Folgekosten
für den neuen Betreiber oder die öffentliche Hand
führen, müssen vermieden werden.
- Es dürfen nicht nur "Sanierungsfälle" ausgegliedert
werden, sondern nur zusammenhängende Netze mit lukrativen
Strecken. Nur so können wirtschaftlich gesunde regionale
Bahngesellschaften gebildet werden. Beispielsweise will die DB AG die
Strecken Murnau - Oberammergau, Weilheim - Schongau und Tutzing -
Kochel ausgliedern, nicht jedoch die verbindende Hauptstrecke
München - Tutzing - Weilheim - Murnau - Garmisch. Der Betrieb
eines zusammenhängenden Netzes durch den gleichen Anbieter
bedeutet für die Fahrgäste eher die Gewähr für ein
"Angebot aus einem Guß" und Zukunftssicherheit als eine Vielzahl
von Betreibern mit isolierten Stichstrecken.
- Der derzeit laufende massive Rückbau von Kreuzungs- und
Überholungsmöglichkeiten, die Zerstörung von Anlagen des
Güterverkehrs, der Abbau von Abstellanlagen und der Verkauf von
Bahnimmobilien müssen sofort gestoppt werden, um nicht die
Marktchancen eines neuen Betreibers zu beschneiden.
- Das im Besitz der DB verbleibende Netz muß Kapazitäten
bereithalten, die die Nutzung durch neue Betreiber, z.B. für
durchgehende Personenzüge aus einem ausgegliederten Teilnetz in das
nächste Oberzentrum oder Führung von Güterzügen,
nicht einschränkt.
- Es muß sichergestellt werden, daß in ganz Bayern gleiche Chancen für die Modernisierung des Schienennetzes bestehen. Bürger, die an Strecken wohnen, die aufgrund der Topographie technisch aufwendig gebaut werden müssen, dürfen nicht Verlierer der Umstrukturierung werden.
Bezüglich des Leistungsangebotes des künftigen SPNV in Bayern sehen wir vorrangig folgende Maßnahmen:
- Für die Teilnetze muß eine ausreichende und
dauerhafte Bestellung von Zugleistungen gesichert sein, damit sich
für diese Strecken neue Betreiber finden lassen und diese auf
Dauer bestehen können.
- Die von der DB AG gewünschte Umwandlung von derzeitigen
Fernverkehrsleistungen zu Nahverkehrszügen darf nicht zu
Abbestellungen von Zugleistungen auf den zur Ausgliederung anstehenden
Strecken führen.
- Es ist sicherzustellen, daß ein flächendeckender
Bayern-Takt auch nach erfolgter Ausgliederung erhalten bleibt.
- Die Etablierung neuer Betreibergesellschaften darf nicht zum Verlust der durchgängigen Tarifierung führen; sowohl der "normale" Tarif als auch Sonderangebote wie das Bayern-Ticket müssen auf dem kompletten Schienennetz in Bayern Gültigkeit haben.
Wir möchten Sie ferner bitten, Herrn Mehdorn gegenüber die Bedeutung des Güterverkehrs auf der Schiene zu unterstreichen; zum einen für die Entlastung der Umwelt und der Erhöhung der Verkehrssicherheit auf den Straßen, zum anderen als Kostendeckungsbeitrag für die Schieneninfrastruktur.
Wir würden uns freuen, wenn Sie unsere Argumente teilen und gegenüber der Deutschen Bahn AG mit Nachdruck vertreten würden.
Wir bedanken uns für Ihr Entgegenkommen und verbleiben mit
freundlichen Grüßen
Dr. Matthias Wiegner
Vorsitzender