Hintergrund-Informationen

Fakten zur Schönbuchbahn

Die Schönbuchbahn zweigt in Böblingen von der Hauptstrecke Stuttgart - Horb - Singen ab und führt nach Dettenhausen. Sie ist 17 km lang.

Pläne gegen die Stilllegung

Mitte der 1960er Jahre wurde nach etwa 50 Jahren Betrieb der Schienenpersonennahverkehr auf der Schönbuchbahn aufgegeben. In der Fahrplanperiode vom 22. Mai bis 24. September 1966 gab es nur noch einen Güterzug mit Personenbeförderung "bis auf weiteres". 1988 beantragte die Deutsche Bundesbahn die Stillegung für den Personen- und Güterverkehr. Nachdem der Landkreis Böblingen Interesse an der Übernahme der Strecke gezeigt hatte, wurden die Stillegungsabsichten nicht weiter verfolgt.

Im Auftrag des Landkreises Böblingen erstellte die Württembergische Eisenbahngesellschaft WEG im September 1989 eine Konzeption für die Reaktivierung des Schönbuchbahn. Das Land Baden-Württemberg sagte GVFG-Mittel für die Reaktivierung zu. Im Juli bzw. Oktober 1993 beschlossen die Landkreise Böblingen und Tübingen die Reaktivierung und gründeten am 29.11.93 einen "Zweckverband Schönbuchbahn" (ZVS; Beteiligung 80% Böblingen, 20% Tübingen). Am 28.12.93 erwarb der ZVS die betriebsnotwendigen Grundstücke und Bahnanlagen zum Kaufpreis von einer Mark plus Steuer. Anschubmittel für unterlassene Instandsetzungen am Fahrweg und sonstige Starthilfen wurden von der DB nicht gewährt.

 

Im Böblinger Wald (km 7.4) Oktober 1994 und August 1996; (Fotos: Aschpalt)

Nach einer beschränkten Ausschreibung zum Bau und Betrieb der Bahn, an der sechs Verkehrsunternehmen Angebote abgaben, erhielt die WEG am 6. Juli 1994 den Zuschlag. In der Ausschreibung waren 27 Zugpaare an Werktagen (Mo-Fr), 14 an Samstagen und 6 an Sonn- und Feiertagen gefordert.

Der Streckenausbau umfasste im wesentlichen folgende Punkte:

  • Bau einer Kreuzungsmöglichkeit mit Rückfallweichen
  • Einrichtung von Zugleitfunk
  • Bau einer Fahrzeugunterstellhalle
  • Erhöhung der Streckenhöchstgeschwindigkeit von 50 km/h auf 80 km/h
  • technische Sicherung von 12 Bahnübergängen
  • Rückbau von 5 Bahnübergängen von Fuß- und Radwegen zu Umlaufsperren
  • Schließung von 4 Bahnübergängen
  • Bau einer Unterführung anstelle eines Bahnübergangs
  • Sanierung bzw. Neubau von 6 Brücken
  • Einrichtung von 12 Haltepunkten bzw. Bahnhöfen
Die Bahnsteighöhe beträgt 76 cm. Als Fahrzeuge werden Regio-Shuttle eingesetzt.

Für vier Triebwagen, Streckensanierung und -ausbau, Hochbaumaßnahmen, Signalanlagen, Unterstellhalle mit Verwaltungsteil, Fahrkartenautomaten an allen Haltepunkten, Verkabelung, Erstellung einer Bahnunterführung sowie Ablösung (Vorteilsausgleich) für eine neu erstellte Brücke waren Netto-Investitionen in Höhe von etwa 28.5 Mio. DM nötig.

Im Zeitraum 2002/2003 wurde für knapp 400000 Euro die Wagenhalle um 30 Meter verlängert.

Vom 26. Juli bis zum 7. September 2003 wurde der Betrieb auf der Schönbuchbahn vorübergehend eingestellt, um die Strecke selbst gründlich zu modernisieren. Die seinerzeit schnell hergerichtete Stecke zeigte etliche Mängel, so dass an verschiedenen Brücken Sanierungsarbeiten vorgenommen sowie etwa zehn Kilometer Schienen ausgebaut und durch Langschienen ersetzt werden mussten. Der Bahndamm bei Weil im Schönbuch wurde abgetragen und neu erstellt. Die Generalüberholung der Schönbuchbahn hat ca. 12,7 Millionen Euro gekostet. In den Jahren nach 2007 wurden für die Verbesserung der Signalisierung und den technisch gesicherten Zugleitbetrieb nochmals ca. 1,7 Millionen Euro investiert.

Fahrgastprognosen übertroffen

Bei den Planungen zur Wiederinbetriebnahme der Schönbuchbahn zwischen Böblingen und Dettenhausen im Jahre 1993 war man von täglich 2500 Fahrgästen ausgegangen, wobei ein durchschnittlicher Fahrgastzuwachs von 20 % bereits einkalkuliert war. Mit dem Bus waren damals etwa 2000 Fahrgäste pro Tag gefahren.

Einige Ergebnisse von Zählungen.

  • Bereits am ersten vollen Betriebstag, dem 2. Dezember 1996, wurden 3740 Fahrgäste gezählt.
  • 14 Tage später waren es 4090 Personen und der Zuspruch hielt weiter an.
  • Im April 1997 wurden 4584 Fahrgäste pro Tag ermittelt.
  • Zwei Jahre später, im April 1999, beförderte die Schönbuchbahn 5035 Personen pro Tag. Diese Zahl ist nach Angaben der WEG, der Württembergischen Eisenbahngesellschaft mbH, die die Strecke betreibt, eine repräsentative Zahl, die belegt, dass sich die Schönbuchbahn wachsender Beliebtheit und reger Kundenbindung erfreut.
  • Nach Meldungen von "Bus und Bahn" (März 2001) und "Eisenbahnrevue International" (März 2001) sind Anfang des Jahres 2001 täglich 5800 bis 6000 Fahrgäste unterwegs.
  • Anfang 2003 sind Fahrgastzahlen von 6800 pro Werktag gezählt worden.
  • Eine VVS-Erhebung aus dem Jahre 2006 ergab 6968 Fahrgäste pro Werktag.
  • Im April 2008 wurden 7340 Fahrgäste pro Werktag gezählt.
  • Im Jahr 2010 wurden bis zu 8000 Fahrgäste pro Tag gezählt.
  • Im Jahr 2012 wurden an Werktagen über 10.000 Fahrgäste befördert.
Weitere Baugebiete in unmittelbarer Bahnnähe, vor allem in Holzgerlingen, lassen einen weiteren Fahrgastanstieg erwarten.

Europaweites Vorbild

Nicht nur bei den Fahrgästen erfreut sich die Schönbuchbahn großer Beliebtheit, auch in der Verkehrsbranche wird die Bahn europaweit als Modellprojekt gewertet. Nationale und internationale ÖPNV-Delegationen bereisen die Schönbuchbahn auch heute noch, um Anregungen für eigene Projektplanungen zu erhalten.

Noch im Jahr 1996 bereisten 11 Gruppen die Schönbuchbahn; neben Pressefahrten auch Delegationen aus Dänemark und Norwegen sowie die Horber Schienentage. In den Folgejahren vergingen kaum 14 Tage ohne Besichtigungstour: Mehrere Exkursionen aus Schweden, Frankreich, Österreich, Italien, China, Ungarn und Luxemburg, von der UITP, von Hochschulen und Parteien, von PRO BAHN, VCD und ADFC sowie lokalen Initiativen, oft mit politischen Entscheidungsträgern, um ein gelungenes Nahverkehrsprojekt publik zu machen.


Holzgerlingen Bahnhof, 27.8.98, Foto: Aschpalt

 

Ständige Ausweitung des Angebots

Mit der Herbstsaison 1999 wurde das Fahrplanangebot weiter verbessert, indem der Halbstundentakt werktags ausgeweitet wurde: Die Züge verkehrten jetzt montags bis freitags bis etwa 20 Uhr im Halbstundentakt, ebenso samstags zwischen etwa 8 und 14 Uhr. In den Abendstunden, Samstag nachmittags sowie an Sonn- und Feiertagen fuhr die Bahn im Stundentakt. Damit wurden nun 35 Zugpaare Mo-Fr, 24 Zugpaare samstags und 15 Zugpaare sonn- und feiertags angeboten. Die Kosten für die Taktverdichtung beliefen sich auf 147.000 DM pro Jahr. Seit November 2000 rollen die Züge werktags sogar bis 22 Uhr und samstags bis 16 Uhr im Halbstundentakt. Seit dem Fahrplanwechsel im Juni 2001 sind montags bis freitags zwischen 5 Uhr und 1 Uhr 37 Zugpaare unterwegs, samstags 26 und sonn- und feiertags weiterhin 15 Zugpaare.

Die Verkehrsleistung aus dem Jahre 1997 (18569 Züge mit 321175 Zugkilometern) konnte auf 21058 Züge und 375600 Zugkilometer in 2000 gesteigert werden. Im Jahr 2010 beträgt die jährliche Verkehrsleitung 389957 km.

Wegen des enormen Fahrgastzuwachses erhielt die Schönbuchbahn im Sommer 2001 zwei weitere Regio Shuttle RS-1. So können zu den Verkehrsspitzen die Triebwagen statt in Doppel- in Dreifachtraktion fahren. Deshalb müssen allerdings die meisten der Bahnsteige verlängert werden (s.u.) -- Kostenpunkt etwa eine Million Mark.

Der Pünktlichkeitsgrad beträgt 98,8% (Stand 2010).

Schönbuchbahn anlässlich eines Besuches während der Horber Schienen-Tage 1996, (Foto: Wiegner)

Zukunftsperspektiven

Mit der Inbetriebnahme der Stuttgarter S-Bahnlinie S60 werden rund 8800 Fahrgäste pro Werktag prognostiziert.

Ein Gutachten aus dem Jahr 2010 hatte die Elektrifizierung der Schönbuchbahn, die Errichtung eines Zweigleisabschnittes und die Einführung des 15-Minuten Taktes zwischen Böblingen und Holzgerlingen-Bahnhof in der Hauptverkehrszeit empfohlen. Ferner soll die Streckenhöchstgeschwindigkeit von derzeit 80 km/h auf (abschnittsweise) 100 km/h vorgesehen werden. Bis zum Jahr 2020 werden fast 10000 Fahrgäste pro Werktag erwartet. Die ZVS-Verbandsversammlung hat am 25.06.2010 dem vom Gutachter empfohlenen Betriebskonzept zugestimmt.

Der elektrische Betrieb führt im übrigen zu einer Senkung des Energieverbrauchs um etwa 10% gegenüber dem Dieselbetrieb.

Schönbuchbahn bei der Einfahrt in Böblingen am (sich im Umbau befindlichen) Bahnsteig 1 für die Abschlussexkursion der 28. Horber Schienen-Tage am 21. Nov. 2010 (Foto: Wiegner)

Das Land Baden-Württemberg unterstützt den Ausbau und die Elektrifizierung der Schönbuchbahn und stellt hierfür insgesamt 37,5 Mio. Euro Fördermittel im GVFG-Landesprogramm bereit. Der Minister für Verkehr und Infrastruktur hat im Dezember 2014 eine Förderung mit einem Fördersatz von bis zu 75 % als Festbetrag zugesagt. Darüber hinaus gehende Bau- und Planungskosten sowie Kostensteigerungen sind demzufolge vom Zweckverband Schönbuchbahn zu tragen.

Der Ausbau und die Elektrifizierung der Schönbuchbahn begannen mit dem "ersten Spatenstich" für den Bauhof am 11. November 2016. Die Fertigstellung des Bauhofs ist für November 2018 vorgesehen, für die Strecke sind die Arbeiten für den Zeitraum von März 2017 bis November 2018 geplant.

Literaturhinweis und Quellen

Literaturhinweis: Manfred Aschpalt: "Erfolgreiche Übernahme von DB-Nebenstrecken in kommunale Trägerschaft", ETR 49 (2000), 14-24.

Quellen: WEG; Pressemitteilungen des Landratsamts Böblingen vom 27.4.99 und 27.9.99; Bus und Bahn (03/2001); Eisenbahn International (03/2001); persönliche Mitteilung von Manfred Aschpalt; Bahn-Report (5/2003); Andreas Wiedmann (Verkehrsdezernent des Landkreises Böblingen), August 2010; http://www.schoenbuchbahn.de

Angaben ohne Gewähr; letzte Änderung: 5. Januar 2017

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