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bahn.comfort

Kommentar vom 7. März 2002

Das neue Preissystem der Deutschen Bahn AG, das am 15. Dezember 2002 starten soll, wirft seine Schatten voraus. Es wird ein "Service-Programm für Vielfahrer" (Details siehe DB Seite) geben, auf das wir als Bahnkunden schon immer gewartet haben. Allerdings müssen wir uns erst dafür qualifizieren - ab dem 15. April ist das möglich.

Die Bedingungen für den Aufstieg in die comfort.Klasse finden sich auf einer Webseite der DB AG. Beim Durchlesen weicht die freudige Erwartung dann allerdings schnell einer gewissen Enttäuschung.

Qualifiziert ist, wer in den 6 Monaten ab dem Startschuß mit seiner BahnCard 1000 Euro umsetzt. Man hat sich den Titel "Vielfahrer" dann fürwahr verdient, sind das doch etwa 14 Fahrten München-Frankfurt-München. In die Röhre schauen wird, wer glaubte, mit Nahverkehrsfahrscheinen sein Konto auffüllen zu können. Wer kurze und mittlere Strecken reist, geht nämlich leer aus, da Beträge unter 5 Euro BahnCard-Preis (etwa 70 km) nicht akzeptiert werden. Auch bei längeren Strecken oder Rückfahrkarten hat man Pech, wenn man an einer Zweigstrecke wohnt und seinen Fahrschein aus einem Nahverkehrsautomaten kaufen muß, die gelten nämlich auch nicht. Fahrkartenschalter gibt's in der Regel nicht, Reisebüros mit DB-Lizenz gibt's auch nicht und Zugbegleiter sind ebenfalls schon oft dem Rotstift zum Opfer gefallen. Ob es da tröstet, daß man auch bisher schon aufgeschmissen war?

Wenn man es trotzdem zum comfort.Kunden schaftt haben sollte, geht es ab Mitte Dezember so richtig los. "bahn.comfort Counter", "DB Lounge" und "bahn.comfort Sitzplatzbereich". Da freut sich der auf dem "flachen Land Wohnende" wiederum. Hat der Zug Verspätung in - sagen wir mal - Hohenpeißenberg, dann rein in die warme "DB Lounge". Bisher gab es nicht mal einen akzeptablen Sitzplatz im Freien, geschweige denn ein Bahnhofsgebäude mit Wartesaal. Braucht man einen Fahrschein, dann entfällt als VIP-Kunde in Zukunft das Ärgern über den meistens gestörten Nahverkehrsautomaten. Man geht zum Hohenpeißenberger "comfort Counter", ohne lästige Warteschlange, versteht sich.

Da wird also so mancher Stammkunde etwas enttäuscht sein, wenn er die Segnungen des bahn.comfort-Programms in der Praxis nutzen will. Aber halt! Ist einem in Hannover, Köln oder Leipzig der Anschlußzug gerade vor der Nase weggefahren, so wird das in Zukunft Freude auslösen, hat man doch endlich mal Zeit, es sich in einer Lounge so richtig gutgehen zu lassen. Im nächsten Zug gibt schließlich einen "speziell gekennzeichneten Sitzplatzbereich für bahn.comfort Kunden", wo man in aller Regel davon ausgehen kann, noch einen Sitzplatz zu erhalten, auch wenn der Zug ansonsten knallvoll ist. Man kann zwar Pech haben, daß man trotzdem stehen muß, weil es ja nur "in aller Regel" heißt, aber vielleicht klappt's beim nächsten Mal.

Das bahn.comfort Programm ist geeignet für Geschäftsreisende, die oft zwischen großen Städten verkehren, mit dem Auto anreisen (bahn.comfort Parkplatz!) und als "Belohnung" keine Fahrpreisermäßigung erwarten, sondern das diffuse Gefühl haben wollen, bevorzugt bedient zu werden. Legitim, daß sich die DB dieser Randgruppe annimmt. Es bleibt aber spannend, ob und wann die Deutsche Bahn AG ein wirklich attraktives Bonusprogramm für die Mehrheit ihrer Kunden präsentiert.

Noch ein Schlußwort zum comfort.Programm: Das erfreulichste ist, daß man als VIP-Reisender das "bahn.comfort Servicetelefon" anrufen kann, wo man ein "offenes Ohr für Kritik und Anregungen" hat. Auch ohne bisher "bahn.comfort" Kunde zu sein, wüßte ich da nämlich was...

Kommentar: Dr. Matthias Wiegner (7. März 2002)

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