Landesversammlung

Landesversammlung 2011

Die 22. ordentliche Mitgliederversammlung des PRO BAHN Landesverbands Bayern fand am Samstag, 24. September 2011, im Hotel Riegele, Victoria Straße 4, 86150 Augsburg statt. Als Gastredner konnte Dr. Anton Hofreiter, Vorsitzender des Verkehrsausschusses im deutschen Bundestag, gewonnen werden. Die Einladung wurde allen Mitgliedern auf dem Postweg zugestellt. Die aktualisierte Einladung können Sie hier downloaden.

Kurzbericht

In Ausgabe 295 der PRO BAHN Post (Oktober 2011) und in der PRO BAHN Zeitung "der Fahrgast" 04/2011 wird über die Versammlung berichtet. Hier geben wir den Bericht von Fritz Ferstl wieder, wie er in leicht modifizierter Version in der PRO BAHN Post erschienen ist.

Am 24. September 2011 fand in Augsburg die Mitgliederversammlung von PRO BAHN Bayern statt. Gastredner war der Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestags, Dr. Anton Hofreiter. Hofreiter gab in seinem Vortrag und in der anschließenden, rund einstündigen Diskussion einen ausführlichen Überblick über die zentralen Fragen der Verkehrspolitik. Sein Gastvortrag war nach dem Auftritt von Staatsminister Zeil im letzten Jahr ein neuer Höhepunkt, der zeigt, wie sehr PRO BAHN als Gesprächspartner der Politik geschätzt ist.

Gastvortrag von Toni Hofreiter

Angesichts des Klimawandels und des absehbaren Endes des Ölzeitalters ist nach der Auffassung von Hofreiter eine Neuorientierung der Verkehrspolitik unumgänglich. Daraus ergebe sich zwangsläufig die Förderung der Bahn. Als elektrisches Verkehrsmittel kann sie aus vielen verschiedenen und insbesondere erneuerbaren Energiequellen versorgt werden. Das Förderung des Elektroautos sei ein Propagandaerfolg der Autoindustrie, da sein Energieverbrauch und seine negativen Auswirkungen die gleichen seien wie beim herkömmlichen Auto. Elektromobilität gebe es auf der Schiene schon seit hundert Jahren.

Für die Bahn seien die zentralen Themen die Struktur der Deutschen Bahn, die Regulierung, der Infrastrukturausbau und die Verwendung der Regionalisierungsmittel. Im folgenden werden diese Themen zusammengefasst.

  • Bahnstruktur:
    Das wesentliche Ziel der Grünen ist, die Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträge innerhalb des DB-Konzerns abzuschaffen. Das Netz müsse zusammen mit Station und Service eine eigenständige Einheit in öffentlicher Hand werden, die ihre Gewinne in die Infrastruktur investiert. Denkbar sei eine wirklich unabhängige Infrastrukturgesellschaft, die über die Infrastrukturförderung hinaus zur Beseitigung von Netzengpässen zinslose Bundeskredite erhält, welche durch wachsende Trasseneinnahmen nach der Engpassbeseitigung zu refinanzieren sind. Derzeit ist der Verbleib der Mittel unkontrollierbar, Gewinne aus dem Netz fließen in die Verkehrsgesellschaften, bis hin zur Weinlogistik in Australien.

    Zur Infrastruktur gehöre im Übrigen außer den Strecken, Bahnhöfen und der Energieversorgung, die im Gesetz geregelt sind, auch die Werkstätten und die Schiebeloks an Steilstrecken.

    Gefragt, wer in Deutschland die Bahnpolitik bestimmt, stellte Hofreiter fest, dass diese sehr stark durch Bundeskanzleramt, Länder-Ministerpräsidenten, DB und Gewerkschaften beeinflusst würde. Die Verhinderung des Börsengangs ist nach Hofreiter dem damaligen Verkehrsausschuss des Bundestages zu verdanken, dessen Mitglieder über die Parteigrenzen hinweg ihre Abgeordnetenkollegen überzeugt und so die Pläne Mehdorns und Schröders vereitelt haben. Das Bundeskanzleramt wolle jedoch noch heute den Börsengang, um einen neuen deutschen "`Global Player"' einzuführen.

    Für den Fernverkehr befürwortet Hofreiter den Deutschland-Takt, bei dem der Bund das Angebot definiert. Daraus folgt zwangsläufig, dass auch der Fernverkehr dem Wettbewerb unterstellt wird. Das kann durch Verkehrsverträge wie im Regionalverkehr in Kombination mit einem Konzessionsmodell für die gewinnbringenden Verkehre geschehen.

  • Regulierung:
    Da das Bahnnetz ein natürliches Monopol darstellt, muss es wirkungsvoll reguliert werden. Dazu gehört vor allem, dass die DB zu Transparenz gezwungen wird. Die Bundesnetzagentur müsse ein Einsichtsrecht in die Bücher der DB erhalten. Derzeit läuft eine Verfassungsbeschwerde der grünen Bundestagsfraktion, weil die Bundesregierung dem Bundestag Auskünfte zur DB verweigert.

  • Infrastruktur-Finanzierung:
    Die Verkehrs-Infrastruktur ist in Deutschland bei allen Verkehrsträgern unterfinanziert. Mit fortschreitendem Ausbau der Netze hat sich der Unterhaltungsaufwand so aufsummiert, dass er die verfügbaren Mittel weitgehend beansprucht. Gerade dem Straßennetz setzt der zunehmende Güterverkehr erheblich zu, weil ein LKW die Straße so stark beansprucht wie 60.000 PKW. Deshalb wird auch die Erhöhung der LKW-Maut und ihre Ausweitung auf Bundesstraßen und LKW ab 3,5 Tonnen angestrebt.

    Bei der Schiene sind jährlich vier Milliarden für das Netz verfügbar, davon eine Milliarde für Aus- und Neubau. Im Bundesverkehrswegeplan stehen aber 37 Milliarden für den vordringlichen Bedarf. Zusammen mit der Preissteigerung, der bereits beschlossenen ECTS-Ausrüstung für fünf Milliarden und weiteren, aktuellen Anforderungen, etwa im Güterverkehr, ergebe sich rechnerisch eine Laufzeit der aktuellen Projekte bis 2090.

    Auf die Frage, wie diese Situation entstanden sei, erklärte Hofreiter, in der Vergangenheit sei die Verkehrsinfrastruktur nach dem Gießkannenprinzip finanziert worden: "Zuerst die sinnvollen Straßen, dann die sinnlosen; die Eisenbahn hat man sich aus Nostalgie und die Wasserstraße als Hobby auch noch geleistet". Jetzt werden die Mittel knapper, gleichzeitig nimmt der Unterhaltungsaufwand überhand und es herrscht Einigkeit, dass die Bahn nicht länger ein Nischendasein führen darf, sondern vor allem im Güterverkehr unverzichtbar ist.

    Der einzige Ausweg daraus sei eine konsequente Priorisierung der Projekte. Die notwendigen, oft kleinen, Maßnahmen zur Kapazitätssteigerung müssten Vorrang vor teueren Leuchtturmprojekten erhalten. Dazu wäre ein Verkehrsminister gefragt, der den Konflikt mit lokalen Politikern nicht scheut, die ihre Prestigeprojekte aufgeben müssten.

    Die Rolle der Länder in der Verkehrspolitik sieht Hofreiter eher kritisch. Einheitliche Standards, etwa bei den Bahnsteighöhen, scheitern an der Zuständigkeit der Länder und im Bundesrat würden oft gute Lösungen verhindert.

  • Regionalisierungsmittel:
    Der Bund zahlt jährlich sieben Milliarden Euro Regionalisierungsmittel an die Länder. Diese Summe wecke im Zeichen knapper Kassen Begehrlichkeiten. Die Länder setzten einen Teil der Mittel zweckfremd ein. Bayern erhält pro Jahr eine Milliarde Euro, davon werden nur 850 Millionen für Eisenbahn-Verkehrsleistungen und 150 Millionen zweckfremd eingesetzt. Leider wurde das Regionalisierungsgesetz auf Drängen der Länder so schwammig formuliert, dass dies rechtlich zulässig ist.

    Die derzeitige Struktur des DB-Konzerns führt zu Fehlanreizen, die jedoch hauptsächlich die Konkurrenten der DB treffen. Zur Zeit müssen 42 % der Bestellerentgelte für Trassen- und Stationsentgelte aufgewendet werden, zu Beginn der Regionalisierung waren es noch 32 %. Damit werde der Gestaltungsspielraum der Aufgabenträger und Eisenbahnverkehrsunternehmen im Nahverkehr erheblich eingeschränkt.

    Um bei Ausschreibungen gleichwertige Bedingungen für alle Wettbewerber zu schaffen, sollten von den Aufgabenträgern Fahrzeugpools bereitgestellt werden. Da bisher die Eisenbahn-Verkehrsunternehmen (EVU) ihre Fahrzeuge selber beschaffen müssen, führt dies bei einer Neuvergabe eines Wettbewerbsnetzes oft dazu, dass nur der bisherige Betreiber realistische Chancen auf den Auftrag hat. Bei einem Fahrzeugpool müssen dagegen die Betreiber die Fahrzeuge aus dem Pool leasen und später an einen neuen Betreiber weiter geben. Der Aufgabenträger hat auf diese Weise einen direkten Einfluss auf die Fahrzeugbeschaffung und kann Flops wie mit den fahrgastunfreundlichen Zügen des Fugger-Express und der Mainfrankenbahn besser vermeiden.

 

Linkes Bild: Kleine Gastgeschenke für Toni Hofreiter (rechts) von Karl-Peter Naumann (links) und Matthias Wiegner (Mitte).
Rechtes Bild: Ein Andreaskreuz für Andreas Frank für die Betreuung der PRO BAHN Meinungsseite; links am Bildrand Matthias Wiegner, Siegfried Weber und Winfried Karg von PRO BAHN Landesvorstand Bayern. [Fotos: Matthias Oomen]

Die Landesversammlung

In der am Nachmittag folgenden Landesversammlung wurden etliche der angesprochenen Themen in der täglichen Arbeit von PRO BAHN wieder sichtbar. Zu Beginn der Versammlung überreichte der PRO BAHN-Bundesvorsitzende Karl-Peter Naumann dem Betreuer des PRO BAHN-Fahrgastkummerkastens Andreas Frank anlässlich der zehntausendsten Eingabe ein Andreaskreuz als Präsent. Der bayerische PRO BAHN-Landesvorsitzende Matthias Wiegner berichtete unter anderem von den Aktivitäten bei der Nachbesserung des Fugger-Express und bei der von PRO BAHN maßgeblich unterstützten Wiedereröffung der Ilztalbahn. Aktuell setzt sich PRO BAHN für den Ausbau der Infrastruktur in Oberbayern ein, für den es nach der erfolglosen Olympiabewerbung keinen "Plan B" der Staatsregierung gibt. Auch die Reaktivierung der Strecke Selb-Asch und des Filzenexpress nach Wasserburg Stadt werden weiterhin von PRO BAHN unterstützt.

Nach der Aussprache über den Bericht und einer anschließenden Diskussion wurde der Landesvorstand mit großer Mehrheit beauftragt, auf einen vom Aufgabenträger bereitgestellten Fahrzeugpool hinzuwirken. Damit könnten bei Ausschreibungen gleichwertige Bedingungen für alle Wettbewerber geschaffen und das Risiko von zeitlichen Engpässen aufgrund von Liefer- und Zulassungsproblemen minimiert werden. Auch Hofreiter hatte auf die Vorzüge dieses in Niedersachsen bereits praktizierte Konzepts hingewiesen.

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