Anglberg: Schiene oder Straße

Güterverkehr – ein Fallbeispiel Schiene oder Straße?

Dieser Text basiert auf drei Artikeln aus der PRO BAHN Post, dem Mitteilungsblatt des RV Oberbayern. Autor ist Edmund Lauterbach

PRO BAHN Post: Juni 2002

Nach den Vorstellungen des Stromkonzerns Eon könnten die Straßen in den Landkreisen München und Freising durch eine fünfstellige Zahl zusätzlicher Lkw-Fahrten pro Jahr belastet werden. Der Stromerzeuger baut in Anglberg bei Zolling (Landkr. Freising) ein Biomasse-Kraftwerk. Die offizielle Planung sieht vor, die überwiegend aus Altholz bestehende Biomasse per Lkw von Garching-Hochbrück (Landkr. München) nach Anglberg zu fahren. Dazu wären pro Stunde etwa drei bis vier Fahrten notwendig. Hin- und Rückfahrten ergeben zusammen eine Belastung von bis zu 100 Lkws am Tag. Betroffen wären außer den Bundesstraßen 11 und 13 sowie der Flughafenautobahn A92 auch mehrere Ortsdurchfahrten.

Im Landkreis Freising kämpfen seit einiger Zeit eine Interessengemeinschaft und die Anliegergemeinden gegen die Straßentransporte. Eon hat unter anderem auf Anwohnerversammlungen argumentiert, daß eine Anlieferung über die Schiene viel teurer sei und deshalb den Standort Anglberg gefährde.

PRO BAHN hat sich in einer Pressemitteilung nachdrücklich dafür ausgesprochen, den Transport auf die Schiene zu verlegen: "Den Lippenbekenntnissen der Politiker müssen endlich Taten folgen." Das Kraftwerk Anglberg verfügt über einen gut ausgebauten Bahnanschluß. Unmittelbar neben der Firma AR-Recycling, dem Startpunkt der Transporte, führt ein Anschlußgleis vorbei. Wie man bei solch guten Voraussetzungen eine Belastung der Menschen durch massenhafte Lkw-Fahrten überhaupt in Betracht ziehen kann, ist eigentlich ein Rätsel.

Auch der bayerische Verkehrs- und Wirtschaftsminister Otto Wiesheu, in dessen Wahlkreis das Eon-Kraftwerk liegt, kann in diesem Fall zeigen, daß er konkret für die oft beschworene bahnfreundliche Verkehrspolitik eintritt. In der Pressemitteilung von PRO BAHN heißt es, dies sei Wiesheu den betroffenen Bürgern und seinen Wählern, aber auch einer zukunftsweisenden Wirtschaftspolitik schuldig.

Anstatt ausschließlich mit überteuerten Zahlen von DB Cargo in das Genehmigungsverfahren zu gehen, wurde Eon aufgefordert, neue Angebote einzuholen. Es gelang, weitere Anbieter für die Bahntransporte zu interessieren. So konnte dem Energiekonzern gezeigt werden, daß der Wettbewerb auch im Schienenengüterverkehr da ist und genutzt werden kann - man muß nur wollen. PRO BAHN bat die Regierung von Oberbayern, die Genehmigung aufgrund der zu erwartenden Verkehrsbelastung zu verweigern und das Verfahren auszusetzen, solange Eon keine realistischeren Kostenschätzungen präsentiert.

In Ostbayern wurden vor kurzem 2500 Lkw-Fahrten pro Jahr verhindert, weil die Südostbayernbahn Mülltransporte übernahm, die DB Cargo nicht wirtschaftlich betreiben konnte. Daß nördlich von München die sechsfache Transportmenge auf die Straße verlegt werden soll, ist sicher nicht nur nach dem Urteil von PRO BAHN absolut unzeitgemäß.

In einer Anhörung der Regierung von Oberbayern im Landratsamt Freising am 15. Mai lenkte Eon zum Teil ein. Unter anderem durch die Vermittlung von PRO BAHN liegen dem Stromkonzern nun vier Angebote von Schienverkehrsunternehmen vor, die deutlich preiswerter als die Kalkulation von DB Cargo sind. Eon sagte zu, die Angebote wohlwollend zu prüfen und auch einem Bahntransport der etwas teurer sei als die Anlieferung auf der Straße, den Vorrang zu geben. Voraussetzung der Bahnanlieferung sind laut Eon und AR-Recycling weitere Baumaßnahmen im Kraftwerksbereich und am Schienenanschluß in Garching-Hochbrück. An der technischen Machbarkeit dieser Maßnahmen bestehen wenig Zweifel, sie muß aber noch geprüft werden.

Fazit: Ob es zu einer Schienenlösung kommt, ist nicht endgültig geklärt. Durch den Einsatz von PRO BAHN und durch Initiative vor Ort konnte jedoch etwas in die richtige Richtung bewegt werden.

PRO BAHN Post: Januar 2003

Wie in der PRO BAHN Post vom Juni dieses Jahres berichtet, erweitert der Stromkonzern Eon sein Kraftwerk Anglberg bei Zolling (Landkr. Freising) um eine Anlage zur Stromerzeugung aus Biomasse. Diese überwiegend aus Altholz bestehende Biomasse wird bei der Firma AR-Recycling in Garching-Hochbrück (Landkr. München) gesammelt. Die ursprünglichen Pläne von Eon sahen vor, die Biomasse von Hochbrück per Lkw nach Anglberg zu fahren. Aufgrund der Belastung von bis zu 100 Lkw-Fahrten am Tag protestierten sowohl eine lokale Initiative als auch PRO BAHN gegen diese Pläne. Da die notwendige Schieneninfrastruktur zum großen Teil vorhanden ist, grenzt es an einen Skandal, daß die Alternative Bahntransport nicht von vornherein verantwortungsvoller geprüft wurde.

Am 6. Dezember gab das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie bekannt, daß die Würfel pro Schienentransport gefallen seien. Es wurde ein "grundsätzliches Einvernehmen über die Finanzierung der Transporte von Garching nach Anglberg" erzielt. Die notwendigen Investitionen in die Gleisanschlüsse in Hochbrück und Anglberg teilen sich Eon, AR-Recycling und DB Cargo. Ausschlaggebend war laut dem bayerischen Wirtschafts- und Verkehrsminister Wiesheu ein Gespräch zwischen ihm und DB-Chef Mehdorn.

Eon erklärte, daß nun ein wirtschaftlicher Betrieb des Biomasse-Kraftwerks auch bei Bahn-Anlieferung möglich sei. Der Bevollmächtigte des DB-Konzerns für Bayern, Graf von der Schulenburg, jammert zwar noch etwas wegen der nötigen Investitionen und der anfallenden Betriebskosten. Knappe Kalkulation, Vorabinvestition und Entgegenkommen bei Großkunden sind aber im Wirtschaftsleben üblich. Das Jammern muß man daher wohl eher als Imagepflege der DB sehen.

PRO BAHN war an der Entscheidungsfindung zweifach beteiligt:

  • Durch eine Pressemitteilung gelang es, die Öffentlichkeitsarbeit über den rein lokalen Rahmen hinaus zu erweitern. Erst dadurch wurde man im auch betroffenen Landkreis München auf die Problematik der drohenden Lkw-Transporte aufmerksam. Die breitere Öffentlichkeit führte letztlich dazu, daß sich Minister Wiesheu einschaltete. Dies wiederum hat den Druck auf die beteiligten Firmen so erhöht, daß eine Einigung möglich wurde.
  • PRO BAHN vermittelte den Kontakt zu einer Logistikfirma, die auf Basis ihrer Konzepte und eines vorhandenen Systems zeigen konnte, wie ein solcher Transport effizient durchgeführt werden kann. Dies hat dem Auftraggeber Eon erst den Blick auf solch innovative Verfahren eröffnet und damit zusammen mit dem öffentlichen Druck eine Lösung ermöglicht. Ob das von PRO BAHN mitinitiierte Logistikangebot oder ein anderes zum Zuge kommt, ist derzeit noch nicht entschieden.

Der Schienentransport der Biomasse wird von den betroffenen Gemeinden begrüßt. Eon und AR-Recycling wollen nun das Projekt voranbringen, so daß die Bahnanlieferung vor Beginn der Biomasseverfeuerung in Anglberg einsatzbereit ist.

Die gefundene Lösung ist ein Sieg für die Schiene, für die Umwelt und für die von der Drohung der Lkw-Transporte befreiten Anwohner. Engagierten Bürger, Politikern vor Ort und letztlich auch PRO BAHN ist es gelungen, eine Kehrtwende in der Transportfrage einzuleiten. Die Erfahrung lehrt, daß es Gründe gibt, das weitere Verfahren kritisch zu beobachten. Wie die DB die betriebliche Herausforderung der zusätzlichen Kurzstrecken-Güterzüge auf dem stark belasteten Streckenabschnitt Lohhof – Freising bewältigt, könnte ebenfalls noch Gegenstand zukünftiger Diskussionen sein.

PRO BAHN Post: Juni 2004

"Güter auf die Bahn!" – eine politische Forderung seit Jahrzehnten. Oder ist es etwa keine ernstgemeinte Forderung, sondern nur eine Formel für Sonntagsreden?

Seit über zwei Jahren wird nördlich von München um die Frage Schiene oder Straße anhand des Transports sogenannter Biomasse (im wesentlichen Altholz) über 40 Kilometer von Garching-Hochbrück zum Kraftwerk Zolling-Anglberg bei Freising gestritten. Der Kraftwerksbetreiber Eon plante 2002 zunächst einen Straßentransport, obwohl an Start- und Zielpunkt Bahnanschluß vorhanden war. Dies hätte bis zu 100 Lkw-Fahrten pro Tag unter anderem in den Ortsdurchfahrten Langenbach und Haag bedeutet.

Neben einer örtlichen Initiative hatte sich im Laufe des Jahres 2002 auch PRO BAHN in dieser Sache engagiert, und zunächst Kontakte zu Anbietern von Bahntransporten und eines speziellen Lade-/Transportsystem für die in Form von Holzschnitzeln vorliegende Biomasse vermittelt. Begleitend wurden unter dem Titel "Drohende Verkehrsbelastung durch Eon-Kraftwerk" Medien und Politik mobilisiert (siehe oben, Artikel vom Juni 2002).

Im Dezember 2002 sah es dann nach einem kompletten Sieg aus. Das bayerische Wirtschaftsministerium veröffentlichte eine Meldung "Biomassekraftwerk Anglberg wird über Schiene beliefert / Bayerns Verkehrsminister gelingt Durchbruch bei Verhandlungen" (siehe oben, Artikel vom Januar 2003). Minister Wiesheu hatte seine Schlagzeile und das Biomasse-Kraftwerk ist im Herbst 2003 in Betrieb gegangen. Nur: Ein Zug ist bisher noch nicht gefahren, angeliefert wird mit dem Lkw.

Im September hieß es in der Presse: "Biomassekraftwerk startet ohne Gleisanschluss" und "Anlieferung auf Schienen verzögert sich, weil Genehmigung fehlt". Insbesondere hatte der Bau der Verladestation am Beginn des Transportswegs in Garching zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnen, sondern das Genehmigungsverfahren dafür war gerade erst eingeleitet worden. In Aussicht gestellt wurde der Bahntransport für August 2004. Während der Bau einer Entladestation am Kraftwerk seit Januar genehmigt ist, gibt es neue Verzögerungen, weil die Anliegergemeinden des Anschlußgleises Lohhof – Garching-Hochbrück Einwände erheben.

Wenn man sich die momentane Diskussion um dieses Verfahren anschaut, kann man an den hiesigen Politikern verzweifeln. Da existiert ein Gleis, das unmittelbar an der Verladefirma AR-Recycling vorbei führt. Für das Gleis liegt eine Genehmigung für 12 Zugfahrten pro Tag vor. Dieses Potential wird von der Firma BMW, die den Bahnanschluß bisher als einzige nutzt, bei weitem nicht ausgeschöpft. Auch mit den Biomasse-Transporten würde die zur Zeit genehmigte Fahrtenzahl nicht erreicht. Trotzdem bricht bei einigen Kommunalpolitikern Hysterie aus, weil man Lärmbelästigungen und Verkehrsbehinderungen durch "Erhöhung der Zugfrequenz" befürchtet.

Die Gemeinde Eching sieht Nachteile für ihre Ortsteile Gut Hollern und Geflügelhof sowie für das geplante Erholungsgebiet Hollerner See. Diese Einwände müssen sicher erwogen werden. Aber: Gut Hollern ist, wenn überhaupt, Lärmemissionen von der Autobahn und der Bahnstrecke München – Freising ausgesetzt. Am Geflügelhof gibt es einen durch Lichtzeichen gesicherten Bahnübergang, der bei langsam fahrenden Güterzügen der Sicherheit vollkommen Genüge tut. Das Anschlußgleis ist hier, ebenso wie die parallel laufende, vierspurige und sicher nicht ganz leise Bundesstraße 13, durch einen Lärmschutzwall von der Besiedlung getrennt. Und wer einen Badesee-Betrieb kennt, muß sich fragen, ob dieser nicht eher selber eine Lärmquelle darstellt, als eine wenige Male pro Tag befahrende Bahnstrecke.

Das beanstandete Gleis kreuzt aber auch die Staatsstraße zwischen Eching und der Bundesstraße 13. Die Vermutung, daß Eching sich den Ersatz des lichtzeichengesicherten ebenerdigen Bahnübergangs durch eine Brücke oder Unterführung erhofft, liegt nahe. Dies ist jedoch einerseits kaum realistisch, andererseits würde es wohl dem gesamten Projekt den Todesstoß versetzen und könnte sogar den Bahnanschluß des BMW-Auslieferungslagers Hochbrück gefährden.

Man schaue sich die Alternative an: Jährlich 20000 Lkw-Fahrten! Verkehrsminister Wiesheu hat sich mit gutem Grund persönlich für die Verlagerung dieser Fahrten auf die Schiene eingesetzt. Eine Verfahrensverzögerung aufgrund der Echinger Einwände richtet mit Sicherheit mehr Schaden an, als die maximal absehbaren Auswirkungen des Zugbetriebs. Das Geschehen ist ein typisches Beispiel dafür, wie Engagement für eine sinnvolle Sache von der Politik entwertet wird. Müssen die Lkw-Fahrer, anstatt in Lohhof auf die Autobahn zu fahren, erst den etwas kürzeren Weg durch das Echinger Ortszentrum nehmen, bevor die Politiker zur Vernunft kommen?

Pressemitteilung des bayerischen Verkehrsministierums zur Schienenanbindung des Biokraftwerks Anglberg vom 6. Dezember 2002

zur PRO BAHN Dokumentation der Pressemitteilungen (Wiesheu).