PRO BAHN Aktivitäten

Schreiben von PRO BAHN Allgäu/Tirol an DB Netz AG

14. Juli 2000

Herrn
Peter Amsl
DB Netz, NL Süd
München

Sehr geehrter Herr Amsl!

Wie ich den Medien entnehmen konnte (der Österreichische Rundfunk hat am 28.06.2000 ausführlich darüber berichtet), plant die DB Netz AG für Anfang Oktober 2000 den ersatzlosen Abbau der Elektrofahrleitung an der Bahnstrecke zwischen Garmisch-Partenkirchen und Griesen. Dadurch wird ab diesem Zeitpunkt auch keine Speisung der Fahrleitung im ÖBB-Bereich (Ehrwald Grenze bis Reutte) mehr möglich sein. Da wir von PRO BAHN Allgäu/Tirol diese Planungen schärfstens zurückweisen, darf ich einige Fakten klarstellen:

Faktum Nummer 1: Der Bayerische Staatsminister Dr. Otto Wiesheu hat PRO BAHN Allgäu/Tirol in seinem Brief vom 28.03.2000 darüber informiert, dass von seinem Haus aus die Sanierung der Elektrofahrleitung im Bayerischen Abschnitt der Außerfernbahn durch Anmeldung des Projekts nach § 8 Abs. 2 Bundesschienenwegeausbaugesetz unterstützt wird und dass die DB Netz AG noch für dieses Jahr die vollständige Erneuerung der Oberleitung und damit die Beseitigung der Langsamfahrstrecke (durchgehende Beschränkung auf 40 km/h) plant.

Faktum Nummer 2: Die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol informierte PRO BAHN Allgäu/Tirol am 27.04.2000 schriftlich darüber, dass das Land Tirol mit den ÖBB einen aufrechten Verkehrsdienstevertrag hat, der erst 2007 ausläuft. Aus diesem Verkehrsdienstevertrag können die ÖBB nicht einseitig aussteigen, und jede Verschlechterung des Angebots, das dem Verkehrsdienstevertrag widerspricht (etwa die Stilllegung der Außerfernbahn auf Tiroler Seite), kann seitens des Landes Tirol zivilrechtlich eingeklagt werden.

Faktum Nummer 3: Am 13.07.2000 hat PRO BAHN Allgäu/Tirol aus dem Büro des Landeshauptmannes von Tirol (Dr. Wendelin Weingartner) ein Schreiben erhalten, in dem uns mitgeteilt wird, dass der Landeshauptmann folgende Strategien verfolgt: A) Festhalten am bestehenden Vertrag: Die Position zur ÖBB ist, dass der Vertrag einzuhalten ist. Vorschläge über verschiedene denkbare und auch konkret in Erwägung gezogene Modelle wie etwa Ausschreibung, Beauftragung Dritter werden zum derzeitigen Zeitpunkt den ÖBB nicht angeboten bzw. mit den ÖBB verhandelt, da dies den rechtlich guten Standpunkt des Landes Tirol schwächen würde. B) Klage gegen die ÖBB: Das Schreiben aus dem Büro des Landeshauptmannes betont, dass mit den ÖBB zunächst auf vertraglicher Ebene Perspektiven für den Weiterbetrieb gesucht werden. Wenn auf diese Art und Weise kein Ergebnis erzielt werden kann, das den Weiterbetrieb des Tiroler Teils der Außerfernbahn durch die ÖBB bis 2007 garantiert, wird das Land Tirol auch nicht vor einer Klage gegen die ÖBB zurückschrecken (siehe Faktum Nummer 2.).

Faktum Nummer 2 und Faktum Nummer 3 belegen klar und eindeutig, dass die vom ÖBB-Management am 29.06.2000 getroffene Entscheidung, den Tiroler Teil der Außerfernbahn im Juni 2001 stilllegen zu wollen zurückgenommen werden muss. Daran wird kein Weg vorbeiführen, weil seitens des Landes Tirol nötigenfalls sämtliche rechtlichen Mittel ausgeschöpft werden (Klage gegen die ÖBB), um den Weiterbetrieb bis zum Jahr 2007 durch die ÖBB zu erzwingen. Aus diesem Grund ist es völlig inakzeptabel und unverständlich, dass die DB Netz AG im Oktober 2000 die Elektrofahrleitung mit dem fadenscheinigen Hinweis auf die Stilllegungspläne der ÖBB abtragen will. Wir fordern die DB Netz AG unmissverständlich auf, die unter Faktum Nummer 1 angeführten Abmachungen mit dem Bayerischen Staatsministerium einzuhalten und mit der Sanierung der schadhaften Fahrleitung unverzüglich zu beginnen. Unsere Forderung nach einer sofortigen Sanierung der Elektrofahrleitung durch die DB Netz AG können wir noch durch folgende weitere Fakten erhärten:

Faktum Nummer 4: Die Österreichische Zeitung Kurier vom 08.07.2000 berichtet, dass die Industriellenvereinigung Tirol eine Aussendung gemacht hat, in der es heißt, dass alljährlich weit mehr als 100.000 Tonnen an Gütern auf der Außerfern-Strecke mit der Bahn in den Tiroler Zentralraum und in die Gegenrichtung transportiert werden. Die Industriellenvereinigung Tirol hat aus diesem Grund an die Außerferner Unternehmen in Tirol eine Anfrage zum Schienengüterverkehr gestellt hat. Die angefragten Unternehmen sind sich einig sind, dass weiteres Potential für eine Mengensteigerung gegeben ist (dass der ÖBB-Güterverkehr bereits jetzt schwarze Zahlen schreibt, darf als bekannt vorausgesetzt werden).

Faktum Nummer 5: Dr. Reinhard Schretter vom Zementwerk Vils teilte uns mit, dass das Zementwerk Vils (Hauptkunde der ÖBB) aufgrund des mit den ÖBB abgeschlossenen Vertrages für die Beförderung von Gütern erst vor kurzem den Gleisanschluss unter Einsatz beträchtlicher finanzieller Mittel erneuert hat (wir werden uns dafür einsetzen, dass überprüft wird, welche rechtlichen Maßnahmen gegen die DB Netz AG im Fall der Durchführung des Fahrleitungsabbaues eingeleitet werden können, da bereits jetzt wegen der Steilheit der Strecke und der Schwere der Güterzüge absehbar ist, dass aufgrund des Fahrleitungsabbaues der Fortbestand des Schienengüterverkehrs und damit die Einhaltung des zwischen dem Zementwerk und den ÖBB bestehenden Vertrages nicht mehr in jedem Fall sichergestellt werde kann).

Faktum Nummer 6: Es hat bereits vor Jahren Probefahrten gegeben, die gezeigt haben, dass bei einer Umstellung des Güterverkehrs auf Dieselbetrieb, die Züge aufgrund der starken Steigungen und des großen Gewichts teilweise hängen bleiben können bzw. dass eine wirtschaflichte Führung der Züge kaum möglich ist, weil bei Dieselgüterzügen wegen der erforderlichen Doppel- und Dreifachtraktion die Kosten explodieren. Der Österreichische Rundfunk hat am 28.06.2000 in einer Sendung darauf hingewiesen, dass ganz allgemein festgehalten werden kann, dass die Transportkapazitäten im Güterverkehr mit Dieselloks wesentlich geringer sind.

Faktum Nummer 7: Der österreichische Eisenbahnverkehr auf der Außerfernbahn über deutsches Staatsgebiet ist mit Staatsvertrag geregelt (Staatsvertrag für die Strecke Scharnitz-Ehrwald und Vils-Ehrwald, BGBl. 242/1957 in der Fassung BGBl IIII Nr. 58/1998-Außerfern-Mittenwald-Übereinkommen AMÜ). Aus rein rechtlicher Sicht bestehen daher Verpflichtungen der ÖBB und der Republik Österreich zur Aufrechterhaltung der Außerfernbahn.

Sehr geehrter Herr Amsl, ich habe Ihnen nun die Fakten ausführlich dargelegt und darf Sie um eine ebensolche ausführliche Stellungnahme für die DB Netz AG Niederlassung Süd bitten. Ich möchte mich bereits im Voraus für Ihre rasche und geschätzte Antwort bedanken.

Mit freundlichen Grüßen

MMag. Martin Teißl
PRO BAHN Allgäu/Tirol

Antwort der Deutschen Bahn

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