PRO BAHN Pressemeldungen aus Bayern

Herausgeber:  PRO BAHN Landesverband Bayern

Pressemeldung vom 23.04.2021

STMB: Ausbauplan für Staatsstraßen

Wo bleibt der Ausbauplan für die Schiene?

Am 20.04. hat das bayerische Verkehrsministerium eine Pressemitteilung veröffentlicht, die man eher 19 Tage vorher als Aprilscherz erwartet hätte. Zumindest in einem Land, das sich für die Herausforderungen des Klimawandels wappnet. Es geht um das fulminante Bekenntnis der Staatsregierung zum Ausbau der bayerischen Staatsstraßen, dessen Argumentation wohl manch einer als populistisch bezeichnen würde. Dieses Treiben wäre noch erträglicher, wenn das Ministerium nicht seine eigenen, niedrig gesteckten Ziele im Bereich des umweltfreundlichen Bahnverkehrs, krachend verfehlen würde.

Interessant an dieser Pressemitteilung ist nicht etwa der Inhalt, sondern die Rhetorik, die schon an Populismus grenzt. So sind die Zitate von Ministerin Schreyer doch stark aus der Zeit gefallen, teilweise auch schlicht falsch. Auch wird durch die rhetorischen Stilmittel eine Konkurrenz zu anderen Verkehrsträgern unnötigerweise aufgebaut. Dadurch werden aber auch klar die Prioritäten innerhalb des Verkehrsministeriums aufzeigt.

So beginnt die Pressemitteilung mit einem Zitat der Ministerin: „Straße bleibt Verkehrsträger Nummer eins.“ Im englischen wird dieses rhetorische Mittel als „stating the obvious“, also das ohnehin Offensichtliche aussprechen bezeichnet. Dr. Lukas Iffländer, stellvertretender bayerische Landesvorsitzender ist sich sicher: „Wenn man ein Thema mit dieser Relevanz mit solch einem Zitat einleitet, zeigt das schon, woran die anderen Verkehrsträger in Bayern sind. In der Priorität ganz weit hinten.“ In der Tat ist es so, dass der Freistaat seine selbst gesteckten Ziele in Sachen Bahnelektrifizierung krachend verfehlt. Hierzu wird in den nächsten Tagen eine weitere Pressemitteilung des Fahrgastverbands PRO BAHN veröffentlicht, in der diese Missstände aufgezeigt werden. „Straße hui, Bahn pfui. So könnte man die Haltung der Regierung interpretieren“, ergänzt Iffländer.

Ein weiteres Ministerinnenzitat aus der Pressemitteilung lautet: „Ich stehe für die Wahlfreiheit. Die Menschen sollen sich frei entscheiden können, wie sie sich fortbewegen wollen.“ Nun könnte man dieses Zitat als Strohmann-Argument abtun, denn niemand hat diese Wahlfreiheit je in Frage gestellt. Auch ist es völlig absurd zu behaupten, dass ohne diesen Ausbauplan die Verkehrsmittelwahl eingeschränkt würde. Jedoch spricht Ministerin Schreyer hiermit durchaus einen kritischen Punkt an. Denn um zwischen Verkehrsmitteln wählen zu können, muss man auch eine Auswahl haben. „Wir sehen gerade im Freistaat, wie das bayerische Verkehrsministerium dafür sorgt, dass Bürgerinnen und Bürger keine Freiheit der Verkehrsmittelwahl haben. Ob bei der Steigerwaldbahn, wo die Reaktivierung aktiv bekämpft wird, bei anderen Reaktivierungsprojekten wie Dombühl – Wilburgstetten, wo bei der Finanzierung die Probleme einfach ausgesessen werden oder der Ilztalbahn, wo bürgerliches Engagement noch immer nicht gewürdigt wird“, sagt Timm Kretschmar, Mitglied im bayerischen Landesvorstand. „Wenn die Ministerin ihr eigenes Zitat ernst meint, sollte sie dafür sorgen, dass die Menschen auf dem Land überall einen vernünftigen ÖPNV-Anschluss bekommen, damit sie sich tatsächlich aktiv für oder gegen ein Verkehrsmittel entscheiden können.“

Der letzte Satz der ministeriellen Pressemitteilung setzt dem Ganzen die Krone auf. „Und wir schützen Natur und Klima, denn auch Busse, Sammeltaxen und Elektroautos brauchen Straßen.“ In einem seiner letzten Corona-Podcasts hat der Virologe Prof. Christian Drosten die sogenannte PLURV-Methode vorgestellt, die die Argumente der Wissenschaftsleugnung beschreibt. „Wir unterstellen der Ministerin keine Wissenschaftsleugnung, jedoch kann man einzelne PLURV-Argumente in diesem Zitat erkennen“, stellt Dr. Iffländer fest.

Das L steht hierbei für Logikfehler und wird erklärt als „vorgebrachte Argumentation, die sich bei genauer Betrachtung als unlogisch erweisen – zum Beispiel aus korrekten Informationen falsche Schlüsse ziehen“. Letztendlich besteht die Argumentationskette darauf, dass Verbrenner schmutzig sind und Elektroautos umweltfreundlich. Aus der Tatsache, dass Elektroautos umweltfreundlicher sind als Autos mit Verbrennungsmotor kann aber nicht geschlossen werden, dass der Bau von Straßen umweltfreundlich ist. Dies ist der Logikfehler. Kretschmar ergänzt: „Bei der Schiene sieht das ganz anders aus. Nicht nur, dass die elektrische Bahn umweltfreundlicher ist als jedes Elektroauto. Auch der Verkehrsweg an sich, die Gleise, sind im Gegensatz zur Straße keine versiegelte Fläche!“

Auch das R, das für Rosinenpickerei steht, findet sich hier wieder. „Informationen bewusst lückenhaft auswählen, sodass sie bei isolierter Betrachtung die eigene Position zu stützen scheinen“, ist die Beschreibung dieses Phänomens. „Ja, auch Busse und Sammeltaxen fahren auf Straßen. Aber dafür braucht es weder vierspurige Ausbauten noch einen Neubau. Mehr und besseren Busverkehr auf dem bestehenden Netz zu organisieren wäre ein erster, sinnvollerer Ansatz“, stellt Kretschmar fest.

Seitens des Fahrgastverbands PRO BAHN wünschen wir uns, unabhängig der Rhetorik der Pressemitteilung, von der Bayerischen Staatsregierung einen genauso ambitionierten Ausbauplan für das bayerische Schienennetz. Wer Klimaschutz und die Freiheit der Verkehrsmittelwahl wirklich ernst nimmt, darf nicht nur Werbung für Straßenbau machen.

Rückfragen bitte an Timm Kretschmar, Vorstandsbeisitzer, Tel. +49 172-1690461, E-Mail: t.kretschmar@bayern.pro-bahn.de
oder Dr. Lukas Iffländer, Stellv. Landesvorsitzender, Tel. +49 176 66822886, E-Mail: lukas.ifflaender@pro-bahn.de
v.i.S.d.P.: Timm Kretschmar