der Fahrgast 105: Februar - April 2006

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Aus dem Inhalt

Zehn Jahre Fahrgastrechte

Vom unbekannten Problem zur politischen Diskussion

"Lotterielos Fahrkarte" - so lautete die Überschrift des Artikel in der damaligen PRO BAHN-Zeitung. Erstmals stellte PRO BAHN im Februar 1996 die Problematik der Kundenrechte im öffentlichen Verkehr vor. Wir blicken nach genau zehn Jahren noch einmal zurück.

Neue Bundesregierung: Vereinigtes Wahlprogramm

Erfolg und Herausforderung für PRO BAHN

Während die Koalitionsvereinbarungen der rot-grünen Berliner Regierungen in der Verkehrspolitik recht konkrete Ziele benannten, die dann doch nicht in konkrete Politik umgesetzt wurden, enthält die am 12. November 2005 veröffentlichte Koalitionsvereinbarung der großen Koalition zwischen CDU/CSU und SPD weitgehend nur Programmsätze, die unter Finanzierungsvorbehalt stehen. Doch es gibt einige konkrete Ziele, die auf das ständige Bohren von PRO BAHN zurückzuführen sind: die Regelung der Fahrgastrechte, eine deutlich schärfere Kontrolle über die Verwendung von Investitionsmitteln für das Schienennetz und die Berücksichtigung volkswirtschaftlicher Interessen bei der Bahnprivatisierung. Jetzt gilt es, diese Programmsätze in praktische Politik umzusetzen.

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Prioritäten müssen unternehmensneutral neu bestimmt werden
(von Rainer Engel)

Die Prioritäten der bisherigen Verkehrsplanung sind für ein zukunftsfähiges Schienennetz nicht mehr tauglich. Vor allem fällt auf, dass die Interessen potenzieller Nutzer des Schienemnetzes bisher keine Rolle spielen. Während Straßen dem prognostizierten Verkehrszuwachs vorauseilend gebaut werden, wird im Schienenverkehr so geplant, als ob es einen Verkehrszuwachs nicht geben werde. Von der Privatisierung des Schienennetzes hatten sich die Väter der Bahnreform von 1994 mehr Verkehr auf der Schiene erhofft. Erhalten haben sie weniger Verkehr auf weniger Schienen.

Die "vergessene" Neubaustrecke: Im Stau vom Main zum Neckar

Höchste Priorität für Rhein/Main-Rhein/Neckar
(von Michael Löwe)

Die Züge stauen sich mitten in Deutschland: Von Mainz und Frankfurt nach Mannheim und Heidelberg und umgekehrt geht nichts mehr. Der Engpass wäre voraussehbar gewesen. Während sich alle Kenner der Situation einig sind, dass hier so schnell wie möglich gebaut werden muss, betreibt die DB-Konzernspitze lieber andere Prestigeprojekte.

Neubaustrecke Erfurt - Nürnberg

Fluchtweg aus der Kostenfalle
(von Werner Klingbiel und Rainer Engel)

Mit geschätzten 5,8 Milliarden Euro, die noch investiert werden müssen, ist die Neubaustrecke durch den Thüringer Wald das weitaus teuerste Einzelprojekt des Ausbaus der deutschen Schienenwege. Die Politik will das Projekt nicht fallen lassen - aber wirklich bezahlbar ist es unter den bestehenden Rahmenbedingungen nicht. Zahlreiche Vorleistungen haben die Weichen für eine Vollendung der Strecke allerdings bereits gestellt. Die Trassen führen vor die Felswände des Thüringer Waldes, doch der Durchbruch scheitert an leeren Kassen. Die einst vorgesehene vorrangige Nutzung der Neubaustrecke für den Güterverkehr ist durch neue Vorschriften allenfalls nachts möglich, alle Wirtschaftlichkeitsberechnungen sind damit überholt.

Eine Hängepartie mit einer Neubaustrecke, die vielleicht in 20 oder 30 Jahren fertig wird, ist jedoch keine vernünftige Perspektive. Wir stellen Alternativen zur Diskussion.

Planen aus Sicht der Fahrgäste: Ab durch die Mitte

Der "Schienenflieger": Anschluss für Schleswig-Holstein
(von Rainer Engel)

Ein Neubauprojekt macht Furore, bringt aber die Politik nicht in Bewegung: Der "Schienenflieger" könnte Kiel mit dem Hamburger Flughafen und der Hamburger City verbinden. Der Zug müsste über die Grenzen von drei verschiedenen Bahnsystemen hinweg fahren - das sprengt bisherige Vorstellungen. Eines der Hindernisse: Das Eigentum an der zu nutzenden Infrastruktur liegt bei mehreren Unternehmen.

Interregionaler Verkehr: Vor dem Zusammenbruch?

Der Intercity steht nicht nur in Deutschland vor dem Aus

Im Fahrplan 2005/2006 gibt es zwar keinen dramatischen Rückzug des Intercity, aber böse Vorzeichen für das, was kommen wird. Der Intercity hat unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen bei der Deutschen Bahn AG keine Basis und die Wettbewerber können den Verkehr nicht übernehmen, weil die DB nicht nur den Wagenpark dafür nicht hergibt, sondern auch mit reduzierten Angeboten und ihrem Tarif Chancen für Wettbewerber blockiert. Die Regionen abseits der großen Magistralen müssen sich auf den Verlust einer qualifizierten Anbindung einstellen - nicht nur in Deutschland.

Mitte-Deutschland-Verbindung: Scherbenhaufen kitten

Nach vier Jahren Subvention wird ein Drittel der Züge gestrichen
(von Rainer Engel)

Erstmals haben sich Bundesländer für den Fernverkehr engagiert: Seit Ende 2002 sicherten die Länder Nordrhein-Westfalen, Hessen und Thüringen mit Zuschüssen den Erhalt schneller Züge auf der Mitte-Deutschland-Achse zwischen Düsseldorf und Weimar. Damals schrieb derFahrgast: "Sinnvolle Initiative mit fragwürdigen Ergebnissen: Laufen die Länder damit in die Falle und sind in vier Jahren genauso schlau wie heute?"

Die damaligen Bedenken wurden durch die Entwicklung bestätigt - schlimmer als erwartet: Die DB hat die Streichung von mehr als einem Drittel des Angebots angekündigt.

Fernverkehr zwischen Sachsen und Bayern: Magistrale der Pannen

Die unglaubliche Geschichte einer vernachlässigten Magistrale
(von Dominik Sommerer)

Die Franken-Sachsen-Magistrale ist ein Vorzeigebeispiel für fehlerhaftes Planen und Handeln der Deutschen Bahn AG. Mit 20 neuen Dieseltriebwagen mit Neigetechnik für den Fernverkehr sollte die Interregio-Linie von Nürnberg über Hof nach Dresden zur ICE-Verbindung aufgewertet werden. Doch durch eine beispiellose Pannenserie und durch Missmanagement der DB wurde die einst erfolgreiche Linie systematisch gegen die Wand gefahren und ein ganzer Wirtschaftsraum vom Fernverkehr abgehängt.

Gäubahn Stuttgart - Zürich: Letzte Gnadenfrist?

Erste Fernbahn mit kommunaler Lobby
(von Josef Schneider)

Die "Gäubahn" verbindet Stuttgart mit Zürich und dem Bodensee. Zum aktuellen Fahrplan ist das Angebot im Fernverkehr um ein Zugpaar vermindert worden. Die verbliebenen Züge haben nun eine Gnadenfrist - wie lange, ist unbekannt. Doch hier macht eine kommunale Lobby Druck - in Richtung Ausbau der Strecke.

Software bei der DB

Nochmals: Netzplanung klein geschrieben
(von Rainer Engel)

Einige Leser haben uns angesichts meiner Behauptung, die DB verfüge nicht über Simulationssoftware zur Netzplanung (derFahrgast 1/2005, S. 10-14), das Gegenteil belegt. Selbstverständlich verfügt auch die DB über Simulationssoftware, mit der man Fahrpläne auf ihre Funktionsfähigkeit überprüfen kann. Doch der Kern unserer Behauptung ist nicht widerlegt, sondern bestätigt worden: Entweder ist die Software nicht geeignet, um ein integrales Netz zu planen, oder die DB setzt die Software an entscheidenden Stellen nicht ein. Ob das ein Mangel der technischen Entwicklung ist oder fehlender Wille, ist uns als Fahrgästen gleichgültig. Fest steht: Die DB fährt auf einem suboptimalen Netz und moderne Software wird nach wie vor nur punktuell eingesetzt. Zugleich wird die Qualität des Netzes durch Rückbauten ständig verschlechtert, ohne dass eine systematische Untersuchung zur Kapazität und Fahrplanstabilität stattfindet.