Pressemeldung vom 29.06.2001

Der Fichtelgebirgsbahn droht das

Mit Erstaunen und Entsetzen hat der Fahrgastverband PRO BAHN der Ausgabe vom 11.06.2001 des Tarif- und Verkehrsanzeigers (TVA) entnommen, dass von der DB Netz AG die Infrastruktur der Strecke Bayreuth - Warmensteinach gemäß § 11 (Abs. 2) des Allgemeinen Eisenbahngestzes (AEG) zur Stillegung ausgeschrieben wird.

Dies ist ein neuer trauriger Höhepunkt in der Geschichte dieser Strecke, die noch Ende der 90er Jahre auf modernsten Standard ausgebaut werden sollte. Recherchen des Fahrgastverbandes haben ergeben, dass bisher fast alle der ausgeschriebenen Strecken bald darauf stillgelegt und abgebaut wurden. (1)

Das ist auch bei der Fichtelgebirgsbahn zu befürchten: Obwohl der Freistaat Bayern seit der Regionalisierung des Nahverkehrs 1996 Zuschüsse von jährlich etwa 500.000 DM (2) für den Betrieb der Strecke gewährte, wurden nicht einmal die notwendigsten Unterhaltungsarbeiten durchgeführt. Am 10.6.01 musste die Strecke schließlich aus technischen Gründen stillgelegt werden, obwohl der Freistaat weiterhin Fahrten im bisherigen Umfang bestellt hatte. (3)

Nach einhelliger Meinung vieler Bahnfachleute ist dieses Verhalten der DB rechtswidrig und verstößt gegen § 4 und § 11 (2) des AEG (4). Leider fehlt es an einer Aufsichtsbehörde, die das Recht der Bürger gegenüber dem Quasi-Monopolisten DB durchsetzen würde. Der Fahrgastverband PRO BAHN fordert daher von der Bayerischen Staatsregierung, den widerrechtlichen und ökologisch bedenklichen Abriss der Bahnlinie Bayreuth - Warmensteinach zu verhindern.

"Den vollmundigen Ankündigungen müssen nun endlich Taten folgen", fordert Jörg Schäfer, stellvertretender Vorsitzender des Regionalverbandes Mittel- und Oberfranken. Das Vorgehen auf Gesetzesebene gegen die Bahn sei eine Sache. Parallel dazu müsse aber umgehend der Bestand gesichert werden und die Gleise wieder mit Leben erfüllt werden. "Wenn die DB die Gleise nicht mehr will, müssen Private ran" meint Schäfer. Die würden oft zu einem Bruchteil dessen, was die DB
veranschlagt, einen attraktiven Verkehr auf die Beine stellen. "Angesichts des schlechten Zustands wagt sich da aber ohne Zuschüsse niemand ran" fürchtet Schäfer und sieht wieder den Freistaat in der Pflicht: "Mit Beträgen von rund 30 Millionen DM, die der DB allein für die Renovierung bis Weidenberg in Aussicht gestellt wurden, könnten Privatbahnen die ganze Strecke bis Warmensteinach in Schuss bringen", folgert Schäfer aus vergleichbaren Fällen in Sachsen und Baden-Württemberg (5). Und dass die Fichtelgebirgsbahn bei einem zeitgemäß attraktiven Angebot mit hoher Nachfrage rechnen könnte, belegt eine erst jüngst fertig gestellte Studie der Uni Bayreuth.

"Die Nachfrage, die Unterstützung vor Ort und sogar genügend Geld in München sind da", folgert Schäfer mit Galgenhumor: Das Problem sei nur noch, das alles zusammen zu bringen mit einem Betreiber, der wirklich auf die Schiene setzt und nicht nur "Bahn AG" heißt. (6)

Anmerkungen:

(1) Die Ausschreibung dient eigentlich dazu, potenzielle Betreiber auf eine Strecke aufmerksam zu machen, an der der bisherige Besitzer (in den meisten Fällen die DB Netz AG) kein Interesse mehr hat. Allerdings bietet die DB die meisten Strecken in einem derart katastrophalen Zustand an, dass die erforderlichen Erstinvestitionen einen rentablen Betrieb für Jahrzehnte unerreichbar machen.

(2) Die Bayerische Eisenbahngesellschaft zahlt pro bestelltem Zugkilometer einen Zuschuss von 15,- DM. Daraus errechnet sich bei einer Streckenlänge Bayreuth - Weidenberg = 14 km, montags bis Freitags 10 Zügen (= 250 Betriebstagen pro Jahr) ein Zuschuss von 525.000,- DM jährlich. Zusätzlich erhält DB Regio in voller Höhe die Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf.

(3) Der Freistaat Bayern hat außerdem eindeutig zugesagt, nach der Renovierung der Strecke Verkehr in wesentlich größerem Umfang zu bestellen, z.B. auch an Wochenenden und wieder bis Warmensteinach.

(4) § 4 AEG besagt unter anderem, dass die Eisenbahnen verpflichtet sind, ihren Betrieb sicher zu führen und die Eisenbahninfrastruktur, Fahrzeuge und Zubehör sicher zu bauen und in betriebssicheren Zustand zu halten sind.

§ 11 (2) AEG schreibt vor, dass die Bahn den Betrieb der Schieneninfrastruktur bis zur Entscheidung der zuständigen Aufsichtsbehörde (= EBA) aufrecht zu erhalten. Das hat die DB nicht gemacht, sondern erst die Strecke gesperrt und dann einen Antrag auf Streckenstilllegung gestellt. Bei einem Stilllegungsantrag muss die Bahn darlegen, dass ihr der Betrieb der Infrastuktureinrichtung nicht mehr zugemutet werden kann und Verhandlungen mit Dritten, denen ein Angebot
für die Übernahme der Infrastruktureinrichtung zu i.d. Bereich üblichen Bedingungen gemacht wurde, erfolglos geblieben sind (AEG § 11 Abs. 1). Die zuständige Aufsichtsbehörde muss innerhalb von 3 Monaten über den Antrag entscheiden.

(5) Das aktuellste Beispiel ist die im sächsischen Erzgebirge gelegene Strecke Freiberg - Holzhau: Die DB Netz AG kalkulierte für die Modernisierung des Betriebs mit 54 Mio DM, die private Freiberger Eisenbahn GmbH kam bei einer Bauzeit von unter einem halben Jahr mit 15 Mio DM aus. Zu erwähnen ist dabei, dass sich der Freistaat Sachsen zu 90 % an den Kosten beteiligte!

(6) Die zuletzt gezählten 500 Fahrgäste täglich liegen übrigens in einer Größenordnung, bei der andernorts Strecken reaktiviert wurden (zuletzt Alzey - Kirchheimbolanden in Rheinland-Pfalz).

Hintergrundinformationen finden Sie hier.

Rückfragen bitte an Jörg Schäfer, Mausendorfer Weg 3, 91574 Neuendettelsau, Tel. (09874) 5801
v.i.S.d.P.: Jörg Schäfer