PRO BAHN Pressemeldungen aus Bayern

Herausgeber:  PRO BAHN Regionalverband Oberbayern

Pressemeldung vom 28.02.2012

25 Jahre Dammrutsch „Jubiläum“ am 2. März 2012

Historische Lebensader von 1902

Die Wasserburger Altstadtbahn von Reitmehring hinunter in die Stadtmitte wurde am Heiligabend 1902 in Betrieb genommen. Sie wurde von den damaligen Wasserburgern wie ein Geschenk sehnsüchtig erwartet, denn die intensiven Bemühungen um einen direkten Bahnanschluss zogen sich über Jahre dahin. Statt einer Station an einer durchgehenden Hauptbahn nach Salzburg gab es zwar nur einen Kopfbahnhof an einer Stichstrecke, aber die Verbindung blieb über viele Jahrzehnte die Lebensader für Wasserburg.

Vor genau 25 Jahren, am 2. März 1987 wurde diese Lebensader durch den Dammrutsch unterbrochen. Zwar war ihre Bedeutung im Zuge der Massenmotorisierung zurückgegangen, aber bis zu diesem Zeitpunkt fuhren Personen- und Güterzüge in die Stadt hinunter.

Seitdem spiegelt die Strecke die Zweischneidigkeit deutscher Verkehrspolitik wider: Einerseits wurde die Strecke – trotz mehrerer Versuche der alten Bundesbahn - nie stillgelegt, da es ja offizielles Ziel ist, Verkehr auf die Schiene zu verlagern. Andererseits wurden rundum Straßen neugebaut,
schließlich fahren die meisten Wähler ja Auto.

Der Todesstoß kam im Sommer 2011 – oder doch nicht?

Die Stadt Wasserburg war im Jahr 2005 Eigentümer und Betreiber der Altstadtbahn geworden, um sich eine Reaktivierung der Strecke offen zu halten. Nach gut 24 Jahren in der Schwebe wollte der Wasserburger Stadtrat im Sommer 2011 diesen Schwebezustand beenden. Eine zu pessimistische Prognose des Fahrgastpotentials und zu hoch geschätzte Kosten für einen Streckenneubau ergab einen angeblich zu geringen volkswirtschaftlichen Nutzen. Der Stadtrat beschloss daher am 28.7.2011, bei der zuständigen Eisenbahnaufsicht (Regierung von Oberbayern) die Entwidmung der Altstadtbahntrasse zu beantragen. Dann könnten diese Flächen überbaut werden, was das endgültige Ende der Altstadtbahn bedeuten würde.

Hier kommt nun das Bundesrecht ins Spiel: Nachdem einmal entwidmete Trassen nie mehr reaktiviert werden können, hat der Bund einer solchen Entwidmung (rechtlich heißt diese „Freistellung“) große Hürden in den Weg gelegt: Sie ist nur möglich, wenn es kein momentanes und kein zukünftiges Verkehrsbedürfnis auf der Strecke mehr gibt.


Ein Netzwerk zur Rettung der Altstadtbahn

Der Fahrgastverband PRO BAHN hat nun genau bei diesem rechtlichen Hebel angesetzt: Er hatzusammen mit einigen Eisenbahnverkehrsunternehmen Zugtrassen auf der Altstadtbahn bestellt und so ein momentanes Verkehrsbedürfnis geschaffen. Das Gutachten der Stadt Wasserburg selbst zeigt mit ca. 700 täglichen Fahrgästen im Falle eines Netzknotens in Reitmehring auch ein langfristiges Verkehrsbedürfnis auf. Nach Ansicht von PRO BAHN steigt das Fahrgastpotential in Zukunft noch weiter an: Der demographische Wandel, die steigenden Spritpreise, ein gesteigertes Umweltbewusstsein und Verbesserungen auf den von Reitmehring ausgehenden Strecken werden dafür sorgen, dass Busse und Bahnen vermehrt benutzt werden.

Zukunft ungewiss?

Die Altstadtbahn hätte also große Bedeutung für Pendler und Touristen, wenn sie denn fahren würde. Nun hängt alles davon ab, wie die Regierung als Aufsichtsbehörde entscheidet. Es ist durchaus möglich, dass die Trasse nicht entwidmet werden kann. Die Firma Meggle müsste dann ihre Baupläne überarbeiten, aber andernorts ist auch das Nebeneinander von Industrieanlagen beiderseits der Gleise und Eisenbahn möglich, warum also nicht auch in Reitmehring?

Die Stadt Wasserburg müsste sich dann überlegen, was sie mit der Strecke anstellt: Die fehlende Betriebstüchtigkeit einer nicht stillgelegten Strecke ist gesetzeswidrig, bisher hat sich nur noch kein Kläger gefunden – wer weiß, wie lange noch? Die Stadt könnte die Strecke nun stilllegen, also formal den Betrieb einstellen. In diesem Falle müsste sie aber die Strecke anderen Eisenbahn-Infrastruktur-Unternehmen zur Übernahme anbieten. Es gibt solche Unternehmen, die auch schon ihr Interesse bekundet haben. So manches Unternehmen hat auch schon gerechnet, wie teuer denn ein Befahrbar-Machen der Strecke käme. So hat beispielsweise die Reaktivierung der Bahnstrecke Endorf – Obing (LEO) nur etwa ein Prozent der ursprünglichen Gutachter-Prognose gekostet. Das Schicksal der Altstadtbahn ist also noch nicht besiegelt.

Rückfragen bitte an Bernd Meerstein, Sprecher PRO BAHN Ortsgruppe Wasserburg, Schmidzeile 25, 83512 Wasserburg am Inn, Fon 08071-93320, Fax 08071-93321
oder an die Geschäftsstelle unter (089) 530031

v.i.S.d.P.: Bernd Meerstein