PRO BAHN Pressemeldungen aus Bayern

Herausgeber:  PRO BAHN Landesverband Bayern

Pressemeldung vom 13.12.2020

Elektrifizierung des bayerischen Schienennetzes

PRO BAHN fordert die schnellstmögliche Elektrifizierung aller bayerischen Hauptstrecken.

Zum heutigen Fahrplanwechsel geht die Elektrifizierung der Strecke München – Memmingen – Lindau in Betrieb. Zukünftig wird die Verbindung München – Zürich mit elektrischen Triebzügen mit Neigetechnik gefahren. Dies hört sich wie der große Wurf an, ist letztendlich aber nur eine von vielen Hauptstrecken in Bayern, die endlich elektrifiziert wurde. Viele andere – ebenso wichtige Strecken – sind noch immer nicht elektrifiziert, obwohl sich die Bundesregierung eine Elektrifizierungsquote von 70 Prozent bis 2025 zu Ziel gesetzt hat. Das bedeutet, dass jedes Jahr 500 Kilometer Strecke eine Oberleitung bekommen müssten! Der Fahrgastverband PRO BAHN nimmt dies zum Anlass, die Elektrifizierung aller Hauptstrecken in Bayern zu fordern.

In großen Teilen Bayerns klaffen noch erhebliche Elektrifizierungslücken. Dazu gehören das Allgäu, der Korridor Nordostbayern und die Strecken um Mühldorf. Zwar ist seit heute eine weitere Strecke fertig elektrifiziert und in Betrieb, jedoch ist das bei weitem nicht ausreichend. Im Allgäu ist dies die erste elektrifizierte Strecke, wenn nicht bald weitere folgen, könnten sich sogar Nachteile entwickeln, sagt Timm Kretschmar vom Fahrgastverband PRO BAHN. "Im Falle einer Streckensperrung zwischen Lindau, Memmingen und München kann der neue ECE nicht mehr umgeleitet werden, da keine einzige Umleitungsstrecke elektrifiziert ist. Dies wird dazu führen, dass der Prestige-Zug ausfällt und die Fahrgäste im Nahverkehr über Kempten ausweichen müssen." Auch die Frage der umsteigefreien Verbindungen aus Richtung Immenstadt/Kempten nach München ist kritisch. "Es ist aus Umweltgründen nicht besonders sinnvoll, Dieselzüge lange Strecken unter Oberleitung fahren zu lassen", ergänzt Kretschmar. Es gibt nur eine vertretbare Lösung: die Hauptstrecken von Augsburg über Buchloe und Immenstadt nach Lindau sowie von Ulm über Memmingen nach Kempten müssen ebenfalls schleunigst elektrifiziert werden! Auch die Zweigstrecken nach Oberstdorf und Füssen müssen einen Fahrdraht bekommen. Nur so können einfache Flügelkonzepte und Durchbindungen nach München ermöglicht werden.

Auch in Nordostbayern geht es schleppend voran. Schon seit Jahrzehnten steht die Elektrifizierung vieler Strecken, z. B. Hof – Regensburg und Nürnberg – Schirnding/Cheb als Projekte im Bundesverkehrswegeplan. Noch immer hängt auf der gesamten "Dieselinsel" kein Meter Oberleitung. Mittlerweile haben die Planungen für die eben genannten Strecken begonnen, unklar ist jedoch weiterhin, was beispielsweise mit den Strecken über Bayreuth passiert und wann die Strecke über Amberg nach Schwandorf elektrifiziert sein wird. "Um einen robusten Bahnbetrieb sicherzustellen, ist die Elektrifizierung aller Hauptstrecken absolut notwendig. Gerade auch für den Güterverkehr sind diese Strecken unverzichtbar", erklärt der stellvertretende Landesvorsitzende Lukas Iffländer.

Die TU Dresden hat in einer von der BEG (Bayerische Eisenbahngesellschaft) in Auftrag gegebenen Studie und weiteren Studien herausgefunden, dass sich die Elektrifizierung einer Bahnstrecke bereits dann lohnt, wenn mindestens im Stundentakt ein Nahverkehrszug darauf verkehrt. Untersucht wurden alle denkbaren Antriebsarten hinsichtlich technischer und betriebswirtschaftlicher Kriterien.
Da auf den oben genannten Strecken im Durchschnitt weit mehr als ein Personenzug pro Stunde fährt und überdies auch Güterzüge, für die eine Elektrifizierung zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit mit der Straße eine Mindestanforderung ist, fordert der Fahrgastverband PRO BAHN unverzüglich die Planung für die Elektrifizierung dieser und aller weiteren Hauptstrecken in Bayern zu beginnen. "Da hierfür neuerdings kein Planfeststellungsverfahren mehr notwendig ist, sollte es möglich sein innerhalb weniger Jahre Fahrdraht über diese Gleise zu hängen", meint Timm Kretschmar von PRO BAHN. Das Planungsbeschleunigungsgesetz schafft hierfür die Voraussetzung. Jedes Jahr ohne Elektrifizierung ist nachgewiesenermaßen ein Jahr mit ökonomischen und ökologischen Verlusten für Bayern!

Immer wieder wird auch über den Einsatz alternativer Antriebe auf Strecken ohne Elektrifizierung debattiert. Die zitierte Studie kommt zu einem klaren Schluss: maximal als Übergang, bis die Strecke vollständig elektrifiziert ist. Des Weiteren können noch folgende Argumente angeführt werden:
Elektrifizierungslücken führen in den meisten Fällen zu dem Phänomen "Diesel unter Fahrdraht". Das heißt, dass Dieselzüge auf Strecken verkehren, die eine Oberleitung besitzen. Es wäre beispielsweise schwer vorstellbar, dass zukünftig Züge aus Amberg in Hersbruck enden und alle Fahrgäste dort in einen Zug aus Hof oder Cheb umsteigen, um nach Nürnberg zu gelangen.

Im Güterverkehr müssten die Unternehmen teure Loks anschaffen, die elektrisch und mit Diesel fahren können. Alternativ müsste für jeden Abschnitt eine neue Lok angekuppelt werden. Beide Varianten wären sehr kostspielig und würden den Verkehrsträger Schiene stark schwächen. "Außerdem sind Güterzüge deutlich schwerer als Personenzüge, was einen hohen Energiebedarf zur Folge hat. Ein Akku, der diese Leistung bringt, muss erst noch erfunden werden.", stellt Lukas Iffländer klar.
Anders stellt sich die Nutzung von Akkutriebwagen dar, wenn Nebenstrecken nicht elektrifiziert sind oder Strecken etappenweise elektrifiziert werden. Hier können nach Ansicht von PRO BAHN Hybridtechnologien zum Einsatz kommen. So könnten z. B. nach der Elektrifizierung von Nürnberg nach Cheb Akkutriebzüge vorübergehend den Ast nach Bayreuth bedienen. Zwischen Nürnberg und Schnabelwaid könnten die Züge die Oberleitung nutzen und den Akku aufladen. "Dies darf aber kein Anlass sein, die Elektrifizierung nach Bayreuth in Frage zu stellen!", betont Timm Kretschmar.

Im täglichen Betrieb führen Elektrifizierungslücken zu weiteren Problemen. So kann ein elektrisch fahrender Zug im Fall einer Streckensperrung nicht über eine andere Strecke ausweichen. Die Linie ist somit "lahmgelegt". Allein aus diesem Grund muss auch die Netzwirkung von Elektrifizierungen betrachtet werden: Nur wenn das ganze Netz elektrifiziert ist, ergeben sich die maximalen Synergien!

Rückfragen bitte an
oder Lukas Iffländer, Stellv. Landesvorsitzender, Tel. +49 176 66822886, E-Mail: lukas.ifflaender@pro-bahn.de
v.i.S.d.P.: Timm Kretschmar