Fahrgastverband PRO BAHN: Pressemeldungen

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Pressemeldung vom 05.03.2010

Nordhessen sperrt westfälische Züge aus

Fahrgastverband empört: Einmaliger Affront gegen Nachbarregion

Nordhessischer Verkehrsverbund verweigert westfälischen Fahrgästen Anschluss an ICE-Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe: ab Dezember nur noch Bummelzüge, Umwege und lange Wartezeiten

Der Fahrgastverband PRO BAHN ist empört über die Haltung des Nordhessischen Verkehrsverbundes (NVV) gegenüber der Nachbarregion Westfalen-Lippe. Der für den Regionalverkehr zuständige NVV hat in letzter Minute die Zustimmung zur Aufrechterhaltung der Bahnverbindungen zwischen dem ICE-Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe, Westfalen-Lippe und dem Ruhrgebiet aus fadenscheinigen Gründen verweigert.

"Ab Dezember können Fahrgäste aus Soest, Paderborn, Detmold und Höxter den ICE-Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe nur noch mit Bummelzügen erreichen. Dabei muss mehrfach umgestiegen und Wartezeiten von bis zu einer Stunde in Kauf genommen werden. Schon heute müssen Fahrgäste, die abends Kassel erreichen wollen, an der hessischen Landesgrenze in eine Straßenbahn mit dem Ziel "Sandershäuser Straße" umsteigen, die den Fernbahnhof Kassel-Wilhelmshöhe nicht erreicht Tagsüber halten die Expresszüge aus Westfalen schon jetzt vor den Toren Kassels auf allen Dörfern und machen einen Umweg durch die Innenstadt, bevor die westfälischen Fahrgäste auf den Hochgeschwindigkeitszug umsteigen dürfen. Das ist ein unhaltbarer Zustand," erläutert Rainer Engel, Rechtsexperte des Verbraucherverbandes. "Wir können nicht begreifen, wie ein solcher Zustand zu einem nachbarschaftlichen Miteinander passt."

Hintergrund der Entwicklung ist der bundesweite Rückzug der Deutschen Bahn aus dem Intercity-Fernverkehr, auch auf der Mitte-Deutschland-Verbindung von Düsseldorf über Dortmund, Paderborn, Kassel, Eisenach, Erfurt bis Chemnitz reicht. Bundesweit müssen schnelle Regionalzüge immer mehr Fernzüge ersetzen. Noch 1995 wurde diese Bahnlinie für ICE-Züge ausgebaut. Die DB fuhr hier täglich sieben Interregio-Züge. "Aus Prestigegründen subventionierte auch die hessische Landesregierung seit 2002 den Einsatz von ICE-Zügen. Da die Fahrgäste wegen überhöhter Fahrpreise abwanderten, strich die DB nach Auslaufen der Subvention die ICE-Züge und reduziert Jahr um Jahr das Angebot. Ab Dezember 2010 soll täglich nur noch ein Zugpaar von Düsseldorf nach Erfurt verkehren. Zwei ICE mit hohen Fahrpreisen von Dortmund nach Kassel, die neu eingesetzt werden sollen, nützen nichts, denn den Rest des Tages wird die Region ganz abgehängt," erläutert Engel. "Damit sind 1,6 Millionen Menschen in Ostwestfalen-Lippe zu den meisten Tageszeiten von Nord- und Südhessen und ganz Süddeutschland abgehängt. Der Fahrgastverband PRO BAHN hat vor dieser Entwicklung seit Jahren gewarnt."

"Der Zweckverband Westfalen-Lippe hat in vorbildlicher Weise kurzfristig ein zukunftsweisendes Ersatzangebot mit schnellen Expresszügen organisiert," erklärt Engel. "Doch an der hessischen Grenze fünfzig Kilometer vor Kassel endet die Zuständigkeit der Westfalen, und die Nordhessen müssen zustimmen. Diese Zustimmung hat der NVV aus nicht nachvollziehbaren Gründen in letzter Minute verweigert. Anscheinend hält man in Nordhessen das Vorgehen Westfalens für eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten. Das lassen die fadenscheinigen Begründungen des NVV deutlich erkennen. Dafür haben die Bürger keinerlei Verständnis," so Engel.

Der Fahrgastverband PRO BAHN hatte noch im vergangenen Jahr den NVV für sein vorbildliches Engagement mit einem Fahrgastpreis ausgezeichnet. "Wir sind empört über die plötzliche Änderung der Haltung des NVV," sagt Engel. "Wir wissen, dass man rund um Kassel voller Eifersucht auf den Flughafen Paderborn schaut und einen eigenen Flughafen mit Straßenbahn-Anschluss bauen möchte. Der Missbrauch des Schienenverkehrs zu sachfremden Zwecken ist bundesweit einmalig. Wir hoffen, dass man auch in Nordhessen endlich begreift, dass eine gute Zusammenarbeit mit den Nachbarn auch der eigenen Region nutzt."

Weitere Informationen:

zur Mitte-Deutschland-Verbindung:
derFahrgast 2003
derFahrgast 2006

zum Rückzug des Fernverkehrs der DB:
derFahrgast 2008

zur aktuellen Lage:
NWL-Info

Der Fahrgastverband PRO BAHN ist ein unabhängiger und gemeinnütziger Verbraucherverband im Verbraucherzentrale-Bundesverband und vertritt die Interessen der Fahrgäste des öffentlichen Fern- und Nahverkehrs.

Rückfragen bitte an
Rainer Engel (Rechtsreferent),
Tel.: 0173 - 545 45 59, E-Mail: r.engel@pro-bahn.de
v.i.S.d.P.: Rainer Engel

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