Fahrgastverband PRO BAHN: Pressemeldungen

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Pressemeldung vom 08.01.2017

Wann ist ein Kind ein Kind?

Fahrgastverband fordert einheitliche Altersgrenzen für Kinderfahrscheine

München (pb) Im Jahr 2004 setzte der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) einen Standard: Für ganz Deutschland wurde empfohlen, ab welchem Alter Heranwachsende für öffentliche Verkehrsmittel eine Fahrkarte brauchen. Gleichzeitig wurde auch eine obere Altersgrenze definiert, bis zu welchem Alter diese ermäßigte Fahrkarte ausreichend sein soll. Und eigentlich ist es ganz einfach: Bis zum Geburtstag, an dem ein Kind sechs Jahre alt wird, braucht es gar keinen Fahrschein. Ältere Kinder können eine sogenannte Kinderfahrkarte lösen, und ab dem 15. Geburtstag ist eine Fahrkarte für Erwachsene nötig, so die Empfehlung des Branchenverbandes.

Doch das ist längst nicht überall üblich. Beim Fahrgastverband PRO BAHN landen nach wie vor Beschwerden und Hinweise, dass diese Empfehlung, die kein Gesetz ist, nicht überall angewendet wird; das führt zur unguten Situation, dass Fahrgäste eine Fahrkarte bezahlt haben und dennoch aus Unwissenheit plötzlich als Schwarzfahrer dastehen, etwa im Urlaub in einer anderen Region. „Das ist ein Unding. So schaffen es die Verkehrsunternehmen, dass zahlende Fahrgäste sich wie Schwarzfahrer fühlen. Damit verunsichern sie gerade ihre nachwachsende Kundschaft“, so Jörg Bruchertseifer, stellvertretender Bundesvorsitzender und Tarifexperte des Fahrgastverbandes. „Viele von denen, die als Heranwachsende in so ein Szenario hineingeraten, werden ihr Leben lang Bahnen und Busse meiden.“ Das Argument, dass den Verkehrsunternehmen und -verbünden so Einnahmen entgehen würden, lässt Bruchertseifer nicht gelten; es gehe um eine relativ kleine Zahl von Fahrkarten, die so verkauft würden; der damit erzielte Umsatz könne nirgends eine riesige Summe ausmachen. „Keiner erwartet, dass der Preis von Aachen bis Zittau der gleiche ist. Aber die Grundregel der Altersgrenzen, für die der ermäßigte Fahrpreis gilt, sollte im ganzen Land gleich sein. Die für Fahrten mit dem Auto relevante Grundregel, die Straßenverkehrsordnung, ist es ja auch.“

Der Fahrgastverband PRO BAHN hat aufgrund mehrfacher Beschwerden und Beobachtungen die Situation bundesweit untersucht. Besonders fiel dabei auf, dass der niedersächsische Verkehrsverbund Ems-Jade in Aurich und der bayerische Verkehrsverbund Mittelschwaben aus Krumbach die Kinder bereits ab 4 Jahren zur Kasse bitten. Beim Fernbusanbieter Flixbus zahlen Kinder sogar schon aber der Geburt. Und auch bei der oberen Altersgrenze gibt es unschöne Ausnahmen. Während es beim Fahrkartenkauf rein vom Begriff her schon verwirrend ist, dass 15jährige als Erwachsene gelten, werden Jugendliche mancherorts noch früher als Erwachsene zur Kasse gebeten. Das gilt zum Beispiel für den Verkehrsverbund Ems-Jade oder in Nordthüringen für die Verkehrsbetriebe Nordhausen, EW Bus (Lkr. Eichsfeld) und die Regionalbus GmbH (Unstrut-Hainich-Kreis): dort braucht man bereits mit 12 Jahren eine Erwachsenen-Fahrkarte. Auch der Verkehrsverbund Mittelschwaben und der recht große länderübergreifende Mitteldeutsche Verkehrsverbund (MDV) sind nicht zimperlich: beide fordern von 14jährigen den Fahrpreis für Erwachsene. „Stellenweise wird es schon kurios. So müssen etwa 14jährige Benutzer der S-Bahnen rund um Leipzig unterschiedliche Fahrkarten kaufen, je nachdem wo sie einsteigen. Die eine Station liegt dann im Mitteldeutschen Verkehrsverbund, in dem sie einen Fahrschein für Erwachsene brauchen, während an der nächsten Station beim Nachbar-Verbund ein Kinderfahrschein ausreicht. Solche Unterschiede innerhalb eines S-Bahn-Systems versteht kein Mensch – das kann es nicht sein“, so Bruchertseifer.

Der Fahrgastverband PRO BAHN hat mehr als drei Dutzend Briefe geschrieben und die Unternehmen mit abweichenden Regelungen auf die missliche Situation hingewiesen. Positiv reagiert haben die Stadtverkehre in Halberstadt (Sachsen-Anhalt) und Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern) sowie die Verkehrsgemeinschaft Mühldorf (Oberbayern), die ihre Altersgrenzen an die bundesweite Empfehlung angepasst haben. Weitere Unternehmen sagten eine wohlwollende Prüfung und Überarbeitung bei der nächsten Gelegenheit zu.

Der Fahrgastverband PRO BAHN fordert alle Unternehmen im öffentlichen Personenverkehr auf, gemäß der von ihrem eigenen Branchenverband erarbeiteten Empfehlung die ermäßigten Fahrpreise für Kinder mindestens vom sechsten bis zum 15. Geburtstag zu gewähren.

Eine nach Bundesländern sortierte Liste mit weiteren Unternehmen, deren Altersgrenzen zuungunsten der Fahrgäste von der VDV-Empfehlung abweichen, befindet sich hier: http://bit.ly/2iNV8iu


Über den Fahrgastverband PRO BAHN:
Der bundesweit aktive gemeinnützige Fahrgastverband PRO BAHN vertritt die Interessen der Nutzer des öffentlichen Verkehrs. Er arbeitet ehrenamtlich und erstellt Konzepte, ist in offiziellen Landes-, Bundes- und Europa-Gremien aktiv, sensibilisiert und berät Politiker in Angelegenheiten des öffentlichen Verkehrs, beeinflusst die öffentliche Diskussion durch Aufklärung über Hintergründe, hält Vorträge und Seminare sowie Fahrgastsprechstunden und Automatenschulungen u.v.a. mehr. Detaillierte Informationen finden Sie unter www.pro-bahn.de

Rückfragen bitte an
Jörg Bruchertseifer, stv. Bundesvorsitzender, Tel.: 0160 - 90 63 69 84, E-Mail: joerg.bruchertseifer@pro-bahn.de
oder Winfried Karg, Tel.: 0176 - 349 876 55, E-Mail: winfried.karg@pro-bahn.de
v.i.S.d.P.: Jörg Bruchertseifer

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