der Fahrgast 90: Mai - Juli 2002

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Aus dem Inhalt

Nach dem Zusammenbruch der britischen Railtrack

Der Staat muss zahlen: Kann man das Schienennetz privat betreiben?
(von Joachim Kemnitz)

Am 7. Oktober 2001 ging die britische Eisenbahn-Netzgesellschaft Railtrack nur fünf Jahre nach ihrer materiellen Privatisierung "pleite", oder - um es etwas gewählter auszudrücken - wurde vom Staat unter Zwangsverwaltung gestellt. Wer in den Kalender sieht, wird feststellen, dass das ein Sonntag war, und zwar an dem Wochenende, an dem der Beginn der militärischen Aktionen in Afghanistan bekannt wurde. Kann eine Netzgesellschaft mit einem großen Anteil langlebigen Anlagevermögen - die DB schreibt die Komponenten des Netzes zwischen 15 und 70 Jahren ab - so plötzlich zahlungsunfähig werden, dass man an einem Sonntag Nachmittag den obersten Gerichtshof des Landes mobilisieren muss, damit er die Überschuldung eines Unternehmens feststellt? Der Artikel zum Download (pdf).

Zukunft des Regionalnetzes: Kahlschlag in Sachsen

Unterlassene Sanierung vergeudet Geld
(von Stephan Boenigk und Stefan Jugelt)

Schlechte Bahnlinien vergeuden Geld - so stand es in der PRO BAHN Zeitung. Langsame, schlecht ausgebaute oder unterhaltene Linien und Umwege sind mitverantwortlich dafür, dass Interregio-Linien wegen zu hoher Kosten gestrichen werden. In Sachsen gilt Ähnliches für das regionale Eisenbahnnetz: Die mangelhafte Sanierung des Bahnnetzes vergeudet Millionenbeträge. Der Artikel zum Download (pdf).

DB-Planung: An Darmstadt vorbei

Gemeinschaftsinteressen kontra Unternehmen

Die DB AG hat für die Neubaustrecke zwischen Frankfurt und Mannheim in erster Linie den Bau einer direkten Bahnverbindung an Darmstadt vorbei beantragt. Der Konflikt zwischen Region und öffentlichem Interesse auf der einen und Unternehmensinteressen auf der anderen Seite ist unübersehbar.

Wie es drinnen aussieht

Düstere Stimmung bei den Eisenbahnern

Nur jeder zweite Eisenbahner ist mit den Arbeitsplatzbedingungen bei der Deutschen Bahn zufrieden. Diese alarmierende Zahl ist ein Ergebnis der Mitarbeiterbefragung 2001, die die Deutsche Bahn vom 1. bis 24. Oktober vergangenen Jahres durchgeführt hat.

40. Deutscher Verkehrsgerichtstag: Erster Schritt in Richtung Reform

Hat die DB AG kein Gespür für die Bedürfnisse ihrer Kunden?

Die Empfehlung des 40. Deutschen Verkehrsgerichtstags hat einen allerersten zaghaften Schritt in Richtung auf eine Reform der Rechte des Fahrgasts getan. Doch zwischen den Vorstellungen und Bedürfnissen der Fahrgäste und den Vorstellungen der Deutschen Bahn AG klafft ein unüberwindlich tiefer Graben: Die DB AG leistet heftigen Widerstand gegen eine Verbesserung der Rechte der Fahrgäste.

Neues Gesetz: Gleicher Zugang für alle Fahrgäste

Nach Verabschiedung des Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes
(von Werner Schuren)

Etwa 6,6 Millionen Schwerbehinderte leben zurzeit in Deutschland. Davon sind nur 4,5 Prozent - rund 300.000 - von Geburt an behindert. Acht Prozent unserer Bevölkerung sind schwerbehindert - das zeigt, dass Behindertenpolitik Randbereich politischen Handelns weder sein kann noch sein darf. Deshalb gab es von den Behindertenverbänden lange die Forderung nach einem Gleichstellungsgesetz. Nach langen Vorberatungen hat nun am 28. Februar 2002 der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung mit großer Mehrheit über Parteigrenzen hinweg das Gleichstellungsgesetz für behinderte Menschen beschlossen. In seiner abschließenden Lesung am 22. März hat der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt. Der Artikel zum Download (pdf).

DB-Tarife: Schönes Wochenende!

Preiserhöhungen lösen Probleme nicht
(von Dominik Sommerer)

Über kaum eine Fahrkarte ist in den letzten Monaten so heftig diskutiert worden, wie über das Schönes-Wochenende-Ticket. Bei vielen Fahrgästen ist das Angebot sehr beliebt. Auf den so genannten "Rennstrecken" sind Züge deshalb häufig überfüllt. Die jüngste massive Preiserhöhung ist aber keine akzeptable Lösung.

Schönen Tag noch

Gutes Ticket, schlechte Information
(von Rainer Engel)

Nordrhein-Westfalen hat ein neues Ticket: Seit dem 1. Oktober 2001 können bis zu fünf Personen mit dem Schönen-Tag-Ticket NRW für 25 Euro im gesamten Bundesland hin und her fahren. Doch so einfach die Botschaft scheint, so schnell können die Fahrgäste mit diesem Ticket in die Falle schlechter Tarifinformationen geraten. Unser Test zeigt: Die Informationen auf den Fahrscheinen sind unvollständig, die Prospekte mangelhaft. Immer dann, wenn man etwas mehr verlangt, als "einmal geradeaus und wieder zurück", wird es schwierig für den Fahrgast. So wie hier sieht es leider bei allen Tarifen des öffentlichen Verkehrs aus.

Verbraucherinformation: "Der Tarif ist nicht von uns"

Gesetzliche Regelung dringend notwendig

PRO BAHN hält eine gesetzliche Neuregelung der Grundlagen der Fahrgastinformation über Tarif und Angebot des öffentlichen Verkehrs für dringend notwendig. Wie ein Schreiben der Saarbahn beweist, stehen die Interessen der Unternehmen mit den öffentlichen und denen des Fahrgasts in Konflikt. Reformbedürftig sind sowohl die Zusammenarbeit der Unternehmen als auch die gesetzlichen Regelungen dafür.

Neue Triebfahrzeuge: Heuler und Quietschente

Plädoyer gegen "Geräuschmüll" von Schienenfahrzeugen
(von Klaus Groß)

Neue Triebfahrzeuge bringen nicht nur neue Probleme, sondern auch neue Geräuschkulissen auf die Schiene. Muss der Fahrgast das hinnehmen, weil es technisch "nicht besser geht"? Betreiber und Hersteller von Schienenfahrzeugen sollten der Akustik als einem wesentlichen Komfortmerkmal mehr Augenmerk schenken.

Walpertskirchen, Oberbayern: Ein Modellfall?

Bürgersinn kann viel erreichen - wenn die DB mitmacht
(von Karl Bürger)

Graffiti, Schmierereien, Unrat, Dreck, kaputte Fahrkartenautomaten und Aushangvitrinen - wer kennt dieses heute allerorts anzutreffende Bild der Bahnhöfe und Haltepunkte nicht! Nach einer Weisung von DB-Chef Mehdorn sollen seine Vorstandsmitglieder auf ihren Dienstreisen (sofern diese wohl mit der Bahn erfolgen) per Formblatt diejenigen Stationen melden, die sich nicht mit den Vorstellungen von einer fahrgastwerbenden Bahn decken, wie die Süddeutsche Zeitung in den "Notizen aus der Bahn-Provinz" am 14. Mai 2001 berichtete. In Walpertskirchen hätte ein Bahnmanager einen respektablen Stapel von Mängel-Formblättern auszufüllen gehabt - bevor PRO BAHN aktiv wurde.

Zum Hermann-Hesse-Jahr 2002

Bahnreise in die Heimat des Steppenwolfs
(von Erich Preuß)

Dem "weltweit meistgelesenen deutschsprachigen Autor des 20. Jahrhunderts", so preist eine Touristik-Marketing-Gesellschaft in Stuttgart Hermann Hesse, ist das Jahr 2002 gewidmet. Hesse wurde 1877, vor 125 Jahren, in Calw geboren. Das Geburtshaus steht am Marktplatz. Der Schriftsteller war bereits zu Lebzeiten berühmt und unter den Jugendlichen sehr populär. Das Städtchen Calw am Rande des Nördlichen Schwarzwalds ist auf seinen Sohn auch deshalb stolz, weil er in seinen Büchern die Heimat verewigte. Hesses Werke, besonders die aus der Jugendzeit, lesen bedeutet, sich in die Stimmung jener Zeit, des Endes des 19. Jahrhunderts, zu versetzen. Damals reiste man mit der Kutsche oder mit der Eisenbahn.