SEV: Schadensbegrenzung

S-Bahn-Ausbau Nürnberg - Ansbach

6 Wochen Vollsperrung und danach jede Menge Ärger

In den letzten Jahren ist leider zu beobachten, dass die Deutsche Bahn AG Strecken für Ausbauarbeiten wochenlang komplett sperrt. Der Fahrgastverband PRO BAHN äußerte sich dazu in vielen Medien kritisch, weil wirtschaftliche Belange zu sehr vor die Kundeninteressen gestellt werden. Fast die Hälfte der Zugfahrgäste akzeptiert den Bus nicht und steigt in den eigenen PKW oder Fahrgemeinschaften um.

Trotz der grundsätzlichen Ablehnung unterbreiten die PRO BAHN Regionalgruppen aber vor Ort immer wieder Verbesserungsvorschläge für den Bus-Ersatzverkehr, um den Schaden möglichst gering zu halten. So war es auch vor der 6-wöchigen Vollsperrung der Strecke Nürnberg - Ansbach in den Sommerferien 2010, ohne die sich DB Netz nicht in der Lage sah, den Ausbau für die künftige Nürnberger S-Bahn-Linie S4 durchzuführen.

DB Regio plante im Vorfeld, den Zugfahrplan "eins zu eins" durch Busse zu ersetzen. Das hätte bedeutet, dass RE-Ersatzbusse und IC-Ersatzbusse nur jeweils alle 2 Stunden gefahren wären und viele Fahrgäste auf die extrem langsamen RB-Busse angewiesen gewesen wären, die von Ansbach zum U-Bahnhof Rothenburger Str. in Nürnberg 105 Minuten (statt der üblichen 45 RB-Minuten zum Nürnberger Hauptbahnhof ) brauchten. Nur dem intensiven Einsatz von PRO BAHN Mittelfranken war es zu verdanken, dass letztlich doch die RE- und IC-Ersatzbusse jeweils stündlich fuhren.

Die Reaktionen der Fahrgäste darauf waren gut, teilweise sogar begeistert. Vor allem die Pünktlichkeit und das freundliche Personal der Busse wurde gelobt und gipfelten in einem Leserbriefs an die Zeitung, dass man die häufig verspätete und unzuverlässige Bahn eigentlich gar nicht mehr bräuchte. (Leider wurde diese Meinung sofort nach Wiederaufnahme des Zugverkehrs von der DB selbst bestätigt, siehe weiter unten.)

Erfreulicherweise wurde von der DB und der Lokalpresse das Engagement von PRO BAHN für den Schienenersatzverkehr (SEV) mehrfach ausdrücklich gelobt. Was aber die PRO BAHN-Aktiven nicht davon abhielt, deutlich darauf hinzuweisen, dass wegen vieler Schwachstellen des Angebots nur etwa ein Fünftel (!) der normalerweise in den Zügen sitzenden Fahrgäste die Busse benutzten:

Besonders abschreckend waren die RB-Ersatzbusse, die nach "russischer Mentalität" langsam und nur auf sicheren Hauptsraßen fuhren, was zu weiten Umwegen führte. Das dabei angestrebte Ziel, nämlich ein robuster und pünktlicher Betrieb wurden zwar erreicht - wer aber zeitsensibel war und Alternativen hatte, nutzte das Angebot nicht. PRO BAHN-Mitglieder saßen häufiger allein mit dem Fahrer in den RB-Ersatzbussen, als dass sie 10 oder mehr Fahrgäste zählen konnten!

DB Netz wehrte sich in den Sommerferien mehrfach gegen die Kritik, dass die Vollsperrung zumindest nicht so lange nötig gewesen wäre. Man sah selten mehr als 3 größere Bautrupps gleichzeitig an der 44 km langen Strecke arbeiten – was ein DB-Sprecher mit der Aussage abtat, dass man schließlich nicht nach der "1000-Chinesen-Methode" arbeite: Heutzutage sähe man teilweise gar nicht, was geschieht, z.B. wenn neue Software für Signal- und Weichensteuerungen aufgespielt würde.

Der DB-Sprecher hatte zumindest nachts und an den meisten Wochenenden recht, wo man mitunter nur "10 Chinesen" entlang der ganzen Strecke arbeiten sah. Es ist kein Geheimnis, dass die DB den Baufirmen ungern entsprechende Zuschläge zum Lohn zahlt. Und der "Bummel-Bauablauf" scheint durchaus geplant gewesen zu sein, denn am letzten Ferientag wurden fast alle Baustellen geräumt und die DB verkündete stolz, dass der Bahnbetrieb wie vorgesehen am 14.9.10 wieder beginnen kann.

Dieser 14.9. wurde aber für die DB zum "schwarzen Dienstag": Wegen Problemen mit der Oberleitung in Ansbach konnten die Züge dort erst nach dem Berufs- und Schülerverkehr ab etwa 8 Uhr fahren. Eigentlich wurde gegen 5 Uhr ein Zug-Pendelverkehr zwischen Nürnberg und Wicklesgreuth mit Busanschlüssen nach Ansbach vereinbart. Aber beides funktionierte nicht, und es kam zu stundenlangen Verspätungen und wütenden Protesten tausender Fahrgäste. (Einige erinnerten sich süffisant an den oben zitierten Leserbrief, der den Wunsch enthalten hatte, dass die SEV-Busse die Bahn auf Dauer ersetzen sollten.)

Doch damit nicht genug: Bei der Abnahme der Strecke am 13.9. vergaß die DB, einen Mitarbeiter vom EBA einzuladen, der die Ausrüstung der Bahnsteige prüft. Dieser machte sich dann zwei Tage später allein auf den Weg und stellte prompt fest, dass die Beleuchtung in Roßtal-Wegbrücke und Wicklesgreuth nicht den Mindestanforderungen entsprach, um die Sicherheit der Fahrgäste zu garantieren. Folge war, dass dort "nachts" keine Züge mehr halten durften! Diese sofort umzusetzende Weisung führte zu erneutem Chaos, weil es keine vorbereiteten Ersatzpläne gab und die Fahrgäste oft erst informiert werden konnten, wenn sie schon in dem Zug saßen, der nicht an ihrem Zielbahnhof halten durfte.

Ab dem 16.9. wurde der Betrieb dann so geregelt, dass zwischen 19.40 und 6.40 in Roßtal-Wegbrücke und Wicklesgreuth keine Züge hielten und die Nebenbahn nach Windsbach überhaupt nicht fuhr. Stattdessen pendelten Busse von Wicklesgreuth nach Ansbach, Windsbach und Roßtal, um alle Umsteigeverbindungen mehr schlecht als recht abzudecken. Das klappte dann meistens auch, allerdings mit durschschnittlich 30-minütiger Verspätung.

Die DB versprach, ihren "unverzeihlichen Fehler" innerhalb einer Woche auszubügeln. Das gelang ihr allerdings nur in Roßtal-Wegbrücke. In Wicklesgreuth bereitete die provisorische Beleuchtung, die erst Anfang 2010 aufgebaut worden war, größere Probleme: "Es müssen Komponenten bestellt werden, an die kommt die Firma nicht so schnell ran" gab ein DB-Sprecher kleinlaut zu. Die Züge konnten dort erst ab dem 1.10.10 wieder bei Dunkelheit halten.

Wen wundert es da, wenn viele Fahrgäste zwischen Nürnberg, Ansbach und Windsbach mit Galgenhumor an ihre Bahnlinie denken: "Die ICEs fallen nur im Winter bei großer Kälte oder im Sommer bei großer Hitze aus. Aber Züge, die nachts nicht fahren dürfen - das gibt es nur bei uns!"

Eine Presseschau zur Beteiligung von PRO BAHN am SEV Nürnberg - Ansbach in den Sommerferien 2010 kann man hier downloaden.

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