Pressemeldung vom 21.12.2012

Der Franken-Thüringen-Express unter akutem Verbesserungszwang

PRO BAHN sieht schwere Defizite beim aktuellen Konzept

Nürnberg,Bamberg(li) Seit anderthalb Wochen ist der Franken-Thüringen-Express (FTX) nun mit dem geplanten Betriebskonzept im Einsatz. Seitdem gehen beim Fahrgastverband PRO BAHN, sowie den Zeitungsredaktionen der Region, täglich Beschwerden ein. Das Hauptproblem ist die zu geringe Sitzplatzkapazität der neuen Talent 2 Triebwagen. Weitere Beschwerden betreffen unter anderem die neuen unkomfortablen Sitze und den Mangel an Gepäckablagen. PRO BAHN fordert den Besteller der Leistungen, die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) auf, schnellstens Abhilfe für diese Probleme zu schaffen. Dazu sind die eingestzten Züge zu verlängern und mit bequemeren Sitzen zu versehen. Ausserdem müssen die Züge durchgängig mit Gepäckablagen ausgerüstet werden.


Das Grundkonzept des FTX ist es, stündlich eine Direktverbindung von Nürnberg nach Sonneberg anzubieten. Diese Züge führen immer einen zweiten Zugteil mit. Abwechselnd wird dieser entweder in Bamberg abgehängt und fährt nach Würzburg oder er wird in Lichtenfels zur Fahrt nach Jena abgetrennt. In der Gegenrichtung werden die Züge in denselben Bahnhöfen vereinigt. Dieses Konzept ist grundsätzlich zu begrüßen, leider treten bereits hier die ersten Probleme auf: Die neuen Talent 2 Züge brauchen relativ lange für die Vereinigung von zwei Zugteilen. Nach dem Ankuppeln dauert es dann nochmal bis zu einer Minute, bis sich die Türen endlich öffnen. Dies kostet Zeit, Zeit die beim Verspätungsabbau fehlt. Wer schon mal auf den von Osten auf Nürnberg zulaufenden Dieselstrecken unterwegs war, weiß, dass es auch deutlich schneller gehen kann. Bei den dort eingesetzten Fahrzeugen erfolgt die Türfreigabe sofort nach dem Kuppeln.
Vollends unverständlich ist aber, dass ein pünktlicher Zugteil auf einen verspäteten Partner wartet, teilweise bis zu einer Stunde! Auch hier bietet sich wieder der Vergleich zur Handhabung im Osten Bayerns an: Dort wird ab einer Verspätung von ca. 10 Minuten auf das Kuppeln verzichtet und beide Zugteile fahren separat zum Endbahnhof. PRO BAHN fordert, diese Praxis auch beim Franken-Thüringen-Express zu übernehmen.


Bild: Verspätung wegen Wartens auf andere Zugteile



Bild: Ausschnittsvergrößerung von obigem Bild

Das Hauptproblem ist wie oben angesprochen das Platzproblem. Hier wurden PRO BAHN und die lokalen Volksvertreter durch die Aussage getäuscht, dass die eingesetzten Talent Garnituren ebensoviele Plätze hätten wie die bisher eingesetzten Doppelstockzüge. Wird in der maximalen Konfiguration gefahren, das heißt ein vierteiliger und ein fünfteiliger Zug, ist dies auch der Fall. Allerdings werden entgegen der Versprechen mehrere Züge, teils in der Hauptverkehrszeit, mit einer Kombination aus Drei- und Vierteiler gefahren. Dies betrifft zum Beispiel den Zug der Nürnberg um 14:42 verlässt. Dies entspricht einer Kapazitätsreduktion um 117 Sitzplätze! Nicht verwunderlich, dass gerade diese Züge in nachfragestarken Zeitlagen bis zum Platzen gefüllt sind.
PRO BAHN fordert hier schnellstens alle Garnituren mindestens auf die Konfiguration 4+5 aufzurüsten. Erfreulich wäre es in der Tat, wenn sogar auf die Konfiguration 5+5 erweitert würde. Die Bahnsteiglängen in der Region würden dies hergeben. Dadurch würde im Vergleich zu früher die Kapazität um 50 Plätze gesteigert. Ersatzweise wäre ein Konzept mit zusätzlichen Verstärkerzügen zwischen Nürnberg und Bamberg in den wichtigsten Zeitlagen akzeptabel.
PRO BAHN gibt zu bedenken, dass der Zug im Nahverkehr primär mit dem Auto konkurriert. Und im eigenen Auto hat man immer einen Sitzplatz. Wenn der öffentliche Nahverkehr wirklich konkurrenzfähig werden soll, dann muss dies auch dort gelten.

Der nächste Klagepunkt sind die eingebauten Sitze. Es handelt sich dabei um dieselben Sitze, die bei der S-Bahn eingesetzt werden. Die Sitze sind im Vergleich zu den Doppelstockzügen schmaler und bei den 4er Sitzen wurde der Abstand von 52cm auf bis zu 44cm reduziert. Zum Vergleich: Bei der S-Bahn beträgt der Abstand bis zu 53cm! Die Sitze verfügen weiterhin über ein schmaleres Kopfpolster, gerade bei langen Fahrten - die Fahrt von Nürnberg nach Jena dauert fast drei Stunden - ein deutlicher Komfortverlust. Die neuen Mülleimer an den Plätzen behindern die Beinfreiheit. In der ganzen 2. Klasse gibt es nur eine Sitzgruppe mit einem vollwertigen Tisch - die Kinderecke. Diese wird allerdings eher selten für Kinder zur Verfügung stehen, aufgrund des Tisches bietet sich diese natürlich für Laptopnutzer an. Gerade mit dem Argument, dass man im Zug ja schon arbeiten kann bevor man im Büro eintrifft wird ja geworben. Dann sollte dies auch ermöglicht werden. PRO BAHN fordert daher die Züge mit für Langstrecken geeigneten Sitzen und mehr Tischen auszustatten.


Foto: Kindersitzecke mit Laptop (Lukas Iffländer)

Auch die erste Klasse zeigt sich als Enttäuschung. Das Sitzmodell ist dasselbe, wie in der zweiten Klasse, allerdings mit einem Lederbezug, dazu kommen ein Tisch und Mittelarmlehnen. Verglichen mit der Bestuhlung in den Doppelstockzügen wurden hier vier Plätze statt drei nebeneinander gequetscht. Ob dies wirklich einen um zwei Drittel teureren Fahrpreis wert ist, ist fraglich.


Foto: Erste Klasse (Lukas Iffländer)

Der dritte Hauptklagepunkt ist der Mangel an Gepäckablagen. Teilweise fehlt bei über der Hälfte eines Wagensegments die Ablage über den Sitzen. Auch dies verschärft nochmals das Problem der Sitzplatzkapazität, da aus Mangel an Alternativen Gepäckstücke auf den Sitzen abgestellt werden müssen. PRO BAHN fordert, die fehlenden Gepäckablagen sofort nachzurüsten.


Foto: Ablagen fehlen bei mehreren Sitzgruppen (Lukas Iffländer)

In der Ansicht von PRO BAHN ist hier ein wiederholtes Scheitern des Nettomodells der BEG zu sehen. Diese setzt darauf, wenige Vorgaben bei ihren Ausschreibungen zu machen und dem beauftragten Verkehrsunternehmen die Fahrgeldeinnahmen zu übertragen. Dies soll als Anreiz für das Unternehmen wirken, um unter anderem kundenfreundlichere Fahrzeuge anzubieten. PRO BAHN gegenüber wurde allerdings von Seiten der Verkehrsunternehmen erklärt, dass es sich betriebswirtschaftlich nicht lohnen würde, auch nur einen Sitzplatz mehr als gefordert anzubieten oder bequemere Sitze zu verwenden. PRO BAHN fordert daher von der BEG, bei zukünftigen Ausschreibungen die Anforderungen an die Fahrzeugausstattung zu präzisieren und kundenfreundlicher zu gestalten. Weniger Vorwürfe kann man der Deutschen Bahn oder dem Hersteller Bombardier machen. Gerade bei den Details wie den Kleiderhaken oder den Informationsbildschirmen sieht man, dass die Ingenieure sich alle Mühe gegeben haben, um aus den strengen Kosten- und Kapazitätsvorgaben noch das Beste herauszuholen.

"Zum Franken-Thüringen-Express wurden wir schon gefragt, ob es das Ziel sei, durch die neuen Fahrzeuge die Leute in die S-Bahn zu zwingen", so Lukas Iffländer, stellvertretender Vorsitzender von PRO BAHN Bayern. "Hier werden gut zahlende Fahrgäste aus den Zügen vergrault. Zwischen Nürnberg und Erlangen sind schon etliche ehemalige Bahnkunden auf Busse und Straßenbahnen der VAG oder auf Fahrgemeinschaften ausgewichen. Dieser Aderlass darf keine Fortsetzung finden, die Bahn macht sich so selbst überflüssig. Wenn wir wirklich einen attraktiven Schienennahverkehr wollen, dann darf es nicht mehr vorkommen, dass Gefäße zum Einsatz kommen, die das Stapeln der Passagiere wie in der Tokyoter U-Bahn erforderlich machen."



Alle Bilder stehen kostenfrei zur Weiterverwendung, wenn der Fahrgastverband PRO BAHN bzw. der Urheber als Quelle angegeben wird. Die Bilder sind auf Nachfrage auch in höherer Auflösung erhältlich.

Rückfragen bitte an Lukas Iffländer, Am Hubland 16b, 97074 Würzburg, Tel. +49 176 66822886, E-Mail: lukas.ifflaender@gmx.net
v.i.S.d.P.: Lukas Iffländer