Pressemeldung vom 14.07.2000

Reichsbahn in Reinkultur

Statt versprochener ICE-Züge uralte Wagen aus DDR-Produktion

Beim Fahrgastverband PRO BAHN e.V., einer Interessensvertretung der Bahnkunden, häufen sich in letzter Zeit Klagen von Fahrgästen über völlig veraltetes Wagenmaterial aus DDR-Zeiten auf der Bahnstrecke Nürnberg - Hof - Dresden.

Zum 28. Mai 2000 sollte auf der Bahnstrecke Nürnberg - Dresden alles besser werden. Statt der blau-weißen InterRegio-Züge sollten neuentwickelte ICE-Dieselneigezüge auf dieser als "Franken-Sachsen-Magistrale" bezeichneten Bahnstrecke verkehren und für deutlich mehr Komfort bei kürzeren Reisezeiten sorgen. Doch mit den neuen ICE-Dieselzügen gibt es noch erhebliche Kinderkrankheiten, so dass der Start auf November 2000 verschoben werden musste. Da die modernen InterRegio-Wagen bereits für den EXPO-Verkehr verplant waren, stellte die Bahn kurzerhand einen Notfahrplan auf. Statt der versprochenen ICE-Züge kommt nun das älteste noch betriebsfähige Fahrzeugmaterial zwischen Nürnberg und Dresden zum Einsatz, zum Beispiel blau-beige Schnellzugwagen der Bundesbahn aus den 60er Jahren oder grün-beige Reichsbahnwagen mit rotem Kunststoffbezug. Vorgespannt sind den Zügen Dieselloks aus russischer Produktion, gebaut in den 70er Jahren von der Lokomotivfabrik "Oktoberrevolution" in Woroschilowgrad. Immerhin hat die Bahn erkannt, dass sie solche Züge ihren Kunden nicht als InterRegio anpreisen kann und die Züge zu D-Zügen abgestuft. Doch die Fahrpreise sind trotz mangelhaftem Service - das Bistro gibt es nicht mehr - und weniger Komfort immer noch die gleichen.

Den Fahrgastverband PRO BAHN e.V. ärgert besonders, dass die Bahn diese Zustände damit entschuldigt, dass sie die modernen Interregio-Wagen für den EXPO-Verkehr bräuchte. Tatsächlich fahren diese Züge nach Beobachtungen von PRO BAHN aber meist leer nach Hannover, während die Bahn ihre Kunden an der Franken-Sachsen-Magistrale rechts liegen lässt, wo sich die großen Städte Nürnberg, Bayreuth, Hof, Plauen, Zwickau, Chemnitz und Dresden wie an einer Perlschnur aufreihen.

Da inzwischen bereits Expo-Züge aufgrund zu geringer Nachfrage gestrichen wurden, müssten eigentlich Wagen freigeworden sein, folgert PRO BAHN. Interessant ist auch eine Meldung der DB vom 19.06.00 im Internet, nach der täglich 75 Zusatzzüge zur Expo fahren, bei Bedarf jedoch 120 Züge zur Expo eingesetzt werden könnten. "Das heißt", so Jörg Schäfer, stellvertretender Vorsitzender von PRO BAHN Mittel- und Oberfranken, "dass mindestens 45 moderne Zuggarnituren auf irgendwelchen Abstellgleisen auf bessere Zeiten warten, während den Bahnkunden zwischen Nürnberg und Dresden Reichsbahn in Reinkultur geboten wird."

Der Fahrgastverband PRO BAHN fordert angesichts dieser Tatsachen sofortige Abhilfe in Form von modernem Wagenmaterial zwischen Nürnberg und Dresden. Nachdruck erhält diese Forderung durch Gerüchte, dass die ICE-Züge auch im November noch nicht einsatzfähig sind, sondern sich der Start möglicherweise auf den Sommer 2001 verschiebt.

Ausfälle auch im Regionalverkehr

Doch nicht nur im Fernverkehr gibt es Probleme. Für die Bedienung der Regionalstrecken von Nürnberg nach Bayreuth, Hof, Weiden und Furth im Wald stehen "aufgrund des hohen Schadwagenstandes" (so die DB) nicht genügend Pendolino-Triebwagen mit Neigetechnik zur Verfügung. Auch hier kommen ersatzweise lokbespannte Züge mit uralten Wagen zum Einsatz, die aber die Fahrzeiten der modernen Triebwagen nicht halten können. Die Fahrgäste werden sich noch einige Wochen mit den Verspätungen abfinden müssen,
denn die Reparaturen scheinen nicht immer den gewünschten Erfolg zu haben: Ein Triebwagen *) fährt seit der Rückkehr mit Aufklebern in beiden Führerständen, auf denen die Lokführer darüber informiert werden, dass sie statt 160 aus "sicherheitstechnischen Gründen" nur 140 km/h fahren dürfen - Verspätung für die Fahrgäste inbegriffen, die wieder mal um Verständnis gebeten werden.

"Verständnis ist von einem Kunden, der Ware bezahlt hat und nicht im vereinbarten Umfang erhält, zu viel verlangt", so Schäfer in einem Schreiben an das DB-Management. Vielmehr "müsse die Bahn bei Verspätungen um Entschuldigung bitten für die Unanehmlichkeiten, die den Kunden daraus entstehen."

*) Anmerkung: VT 610 003 / 503 fährt seit Wochen ohne äußere Schlingerdämpfer

Rückfragen bitte an Matthias Beß, Kiefernstraße 18, 91580 Wicklesgreuth, Tel. (09131) 815472
oder Jörg Schäfer, Mausendorfer Weg 3, 91574 Neuendettelsau, Tel. (09874) 5801
v.i.S.d.P.: Matthias Beß