Positionen
Das neue Preissystem der Bahn ("PEP")
Eine erste Analyse und Bewertung
- Übersicht
-
Beispiel 1:
Einzelreisende -
Beispiel 2:
Gemeinsam reisendes Paar -
Beispiel 3:
Familie mit "großen" Kindern -
Beispiel 4:
Familie mit "kleinen" Kindern - Nahverkehr
- Zusammenfassung, Klärungsbedarf und offene Fragen
Viel ist von Ermäßigungen beim neuen Preissystem die Rede. Wie sich die Fahrpreise tatsächlich auswirken, hat PRO BAHN auf der Basis der derzeit verfügbaren Informationen nachgerechnet. Für weitere, verbindliche Hinweise, insbesondere bezüglich der angekündigten Degression des Kilometerpreises, sind wir dankbar und werden danach Beispiele und Bewertungen entsprechend überarbeiten.
Zum jetztigen Zeitpunkt (7. Juli 2001) kann nicht ausgeschlossen werden, daß es Beispiele gibt, in denen das neue Preissystem günstiger ist als unten angegeben. Genausowenig kann es Tücken im System geben, die die Nutzung eines günstigen Rabattes entgegen der persönlichen Erwartung nicht zulassen.
Folgende Eckpunkte sind in die Rechnung eingeflossen:
- Rabattierung bei Frühbuchung:
- Sonderpreis 1 mit 10% Ermäßigung
- Sonderpreis 2 mit 25% Ermäßigung, nur Hin- und Rückfahrt
- Sonderpreis 3 mit 40% Ermäßigung, nur Hin- und Rückfahrt, Wochenendbindung
- BahnCard Ermäßigung 25%
- konstanter Kilometerpreis
Bei den Rechnungen wurden 100 Euro als beispielhafter Fahrpreis für eine Person im Fernverkehr angesetzt. Beachten Sie, daß alle Preisbeispiele ohne Gewähr sind!
Beispiel 1: Einzelreisende
Derzeit kann ein Einzelreisender jederzeit und auf allen Strecken 50% Ermäßigung bei Nutzung der BahnCard in Anspruch nehmen. Der Anschaffungspreis der BahnCard reduziert sich von ca. 138 Euro auf 60 Euro.
Einzelreisender | Vorausbuchungstermin | |||
Preistyp | 0 Tage | 1 Tage | 3 Tage | 7 Tage |
bisheriger Normalpreis | 100 Euro | |||
Preis mit bisherige BahnCard | 50 Euro | |||
neuer Preis | 100 Euro | 90 Euro | 75 Euro | 60 Euro |
Preis mit neuer BahnCard | 75 Euro | 67.5 Euro | 56.3 Euro | 45 Euro |
Preis mit neuer BahnCard (*) | 75 Euro | 67.5 Euro | --- | --- |
Von Ermäßigungen gegenüber dem Jetzt-Zustand kann für Einzelreisende also nur in Ausnahmefällen (7 Tage Vorausbuchung; Hin- und Rückfahrt, Wochenendbindung) ausgegangen werden. Im Fall, daß keine Hin- und Rückfahrt gebucht wird [siehe Zeile (*)], gibt es sogar deutliche Verteuerungen.
Beispiel 2: Gemeinsam reisendes Paar
Im folgenden Beispiel wird angenommen, daß beide Reisenden (Ehepaar; zusammenlebendes Paar) eine BahnCard besitzen. Bisher kostete die Partner-BahnCard 50% der "Haupt-BahnCard": zusammen also 405 DM (ca. 208 Euro; 2. Klasse). In Zukunft kostet die erste BahnCard 60 Euro, zweite nur noch 5 Euro; zusammen also 65 Euro.
Zwei gemeinsam Reisende | Vorausbuchungstermin | |||
Preistyp | 0 Tage | 1 Tage | 3 Tage | 7 Tage |
bisheriger Mitfahrerpreis | 150 Euro | |||
Preis mit bisheriger BahnCard | 100 Euro | |||
neuer Preis | 150 Euro | 135 Euro | 112.5 Euro | 90 Euro |
Preis mit neuer BahnCard | 112.5 Euro | 101.3 Euro | 84.4 Euro | 67.5 Euro |
Preis mit neuer BahnCard (*) | 112.5 Euro | 101.3 Euro | --- | --- |
Für gemeinsam Reisende gibt es bei Vorausbuchungsmöglichkeit positive Effekte
gegenüber der alten Regelung.
Aber: wer nur eine einfache Fahrt
bucht oder keine Wochenendbindung nutzen kann, für den entfallen die
zwei preiswertesten Rabattstufen und er zahlt auf jeden Fall mehr als
bisher [siehe Zeile (*)].
Beispiel 3: Familie mit "großen" Kindern
Im folgenden Beispiel wird angenommen, daß Eltern mit zwei Kindern (17 und 12 Jahre alt) reisen. Bisher kostete die Familien-BahnCard 70 DM (drei Personen) plus 10 DM (eine Zusatzkarte für das zweite Kind), also zusammen 80 DM (ca. 41 Euro) und gewährte 50% Rabatt. In Zukunft kostet die erste BahnCard 60 Euro, jede weitere 5 Euro; zusammen also 75 Euro. Damit erhöht sich der BahnCard-Preis in Zukunft bei geringerem Rabatt.
Familie | Vorausbuchungstermin | |||
Preistyp | 0 Tage | 1 Tage | 3 Tage | 7 Tage |
bisheriger Mitfahrerpreis | 250 Euro | |||
Preis mit bisheriger BahnCard | 200 Euro | |||
neuer Preis | 200 Euro | 180 Euro | 150 Euro | 120 Euro |
Preis mit neuer BahnCard | 150 Euro | 135 Euro | 112.5 Euro | 90 Euro |
Preis mit neuer BahnCard (*) | 150 Euro | 135 Euro | --- | --- |
Hier wird zwar die BahnCard teurer, aber die Fahrpreis sinken trotzdem deutlich, selbst wenn nur eine einfache Fahrt gebucht wird [Zeile (*)] und deshalb die Sonderpreise 2 und 3 entfallen. Hier wirkt sich also die kostenlose Mitnahme von Kindern bis 14 Jahren positiv aus.
Beispiel 4: Familie mit "kleinen" Kindern
Im folgenden Beispiel wird angenommen, daß Eltern mit zwei Kindern (11 und 9 Jahre alt) reisen. Für die Kosten der BahnCards gilt das gleiche wie im vorherigen Beispiel.
Familie | Vorausbuchungstermin | |||
Preistyp | 0 Tage | 1 Tage | 3 Tage | 7 Tage |
bisheriger Mitfahrerpreis | 200 Euro | |||
Preis mit bisheriger BahnCard | 150 Euro | |||
neuer Preis | 200 Euro | 180 Euro | 150 Euro | 120 Euro |
Preis mit neuer BahnCard | 150 Euro | 135 Euro | 112.5 Euro | 90 Euro |
Preis mit neuer BahnCard (*) | 150 Euro | 135 Euro | --- | --- |
Hier wird die BahnCard teurer, der Fahrpreis sinkt nur signifikant, wenn die Möglichkeit
der Nutzung einer der beiden günstigen Rabattklassen besteht.
Kunden in Zügen des Nah- und Regionalverkehrs
Für Kunden des Nahverkehrs mit BahnCard erhöhen sich die Fahrpreise um etwa 50%. Beispiele haben wir an anderer Stelle bereits genannt, z.B. im Brief an den bayerischen Staatsminister für Verkehr (siehe "Zum Thema Halbpreispaß") oder auf der Seite der Kreisgruppe Rosenheim. Hier muß also dringend nachgebessert werden.
Zusammenfassung, Klärungsbedarf und offene Fragen
Vorteile gibt es praktisch nur für
- Reisende, die unter folgenden Randbedingungen sehr früh buchen können:
Kauf von Hin- und Rückfahrt, Wochenendbindung, eingeschränkte Zugauswahl (freie Kontingente)
- Familien, besonders wenn die Kindern über 11 Jahren alt sind.
Nachteile gibt es für
-
Einzelreisende und Paare, die spontan reisen wollen oder müssen,
nur einfache Reisen buchen, keine Wochenendbindung haben oder wenn das Sonderpreiskontingent
für den Wunschzug schon ausverkauft ist.
- Kunden im Nah- und Regionalverkehr
Dringender Klärungsbedarf besteht bezüglich mehrerer Punkte. Einige, die in der Praxis häufig vorkommen werden, seien hier genannt.
-
Wie stark Preissteigerungen ausfallen oder ob sie noch abgemildert werden, wird von
der Degression des Kilometerpreises abhängen, über den noch nichts
präzises publiziert ist. Dieser bedauerliche Zustand führt zu einer Verunsicherung
der Fahrgäste. Derzeit ist nur bekannt, daß die Degression ab 180 km wirken soll.
-
Die Höhe des Grundpreises für verschiedene Zuggattungen ist unbekannt.
-
Das Bonusprogramm für Vielfahrer, so weit es derzeit bekannt ist (erhöhtes Sitzplatzangebot ohne Reservierung, Servicetelefon, etc.),
kann wohl bestenfalls ein mageres Anfangsangebot sein.
-
Die Behandlung der Fahrgäste im Falle von verpaßten Anschlüssen (Theorie und Praxis)
ist unklar.
-
Angebote in das oder aus dem Ausland sind noch unklar.
-
Die Möglichkeiten des Kaufs von Sonderpreisen abseits der großen Reisezentren ist diffus.
Inwieweit Telefonverkauf und Automatenverkauf kundenfreundliche und akzeptierte
Alternativen bieten - hinsichtlich
Zeitaufwand, Kosten, Bedienerführung, Flexibilität -
ist nicht absehbar.
-
Die Nutzungsmöglichkeiten von Nahverkehrszügen
im Vor- und Nachlauf zu Fernverkehrszügen sind noch nicht klar definiert.
-
Über die Größe der Kontingente an Sonderpreis-Sitzplätzen ist nichts bekannt.
Ob bei hoher Inanspruchnahme
Entlastungszüge eingesetzt werden oder nur noch Grundpreisplätze
(eventuell als Stehplatz) verkauft werden, ist unklar.
Ob dem neuen Preissystem ein durchschlagender Erfolg beschieden sein wird, muß derzeit leider noch bezweifelt werden. Insbesondere ist unklar, wie hoch die Risikobereitschaft der Fahrgäste ist, frühzeitig Fahrkarten für bestimmte Züge in Voraus zu kaufen: Schließlich besteht keine Umtausch- und Erstattungsmöglichkeit mehr nach Verkaufsschluß (z.B. 7 Tage vor der gebuchten Reise bei Sonderpreis 3). Auch mögen nicht alle Fahrgäste Diskussionen mit dem Bahnpersonal, wenn unterschiedliche Auffassungen über die Ursache eines Zugwechsels bestehen.
Bleibt zu hoffen, daß die DB AG auf externe Vorschläge vorurteilsfrei, offen und den Nutzen des Fahrgastes im Blickfeld reagiert. Insbesondere für Kunden in Zügen des Nahverkehrs - auch das können Reisen von einigen hundert Kilometern sein - muß eine Lösung gefunden werden, um die Preissteigerungen durch die Halbierung des BahnCard-Rabattes zu kompensieren.