Alle Jahre wieder häufen sich im Winter die berechtigten Beschwerden der Fahrgäste über Probleme im Münchner S-Bahn-System. Abhilfe wird von der Politik meist nur "langfristig" versprochen. Dabei sind kurzfristige Verbesserungen machbar und sinnvoll. Es können in den nächsten fünf Jahren jedes Jahr Maßnahmen realisiert werden, die aufeinander aufbauend die Probleme der Münchner S-Bahn reduzieren.
Trotz der immer noch bestehenden kleinen und großen Ärgernisse, es ist unzweifelhaft, daß sich bei der Münchner S-Bahn etwas tut. Die neuen Züge sind dafür nur ein besonders auffälliges Zeichen. Beispielsweise auch in punkto Sicherheit und Sauberkeit wurden Fortschritte gemacht, auch wenn nicht alle Ziele bereits erreicht sind. Damit das Gesamtsystem S-Bahn besser wird, muß aber an allen Stellen, also auch an der Infrastruktur, an den Stationen etc. eine Verbesserung erfolgen.
Dazu ist es notwendig, daß alle Beteiligten - Freistaat, Bund, Stadt, DB Netz, DB Station und Service, S-Bahn und weitere - an einem Strang ziehen. Vorrangig muß dort angesetzt werden, wo Verbesserungen kurzfristig umsetzbar und für die Fahrgäste spürbar sind. Es hilft den S-Bahn-Kunden nicht, wenn sie mit immer neue Studien vertröstet werden, die nicht zeitgerecht fertig werden und deren Umsetzung um Jahre zu spät kommt. Anstatt nur darüber nachzudenken, wie man die Probleme von heute übermorgen eventuell lösen könnte, muß man jetzt mit der Lösung heutiger und leider auch älterer Probleme beginnen. Die Fahrgäste zahlen auch heute ihren Fahrpreis, und warten heute - wie jeden Winter - frierend auf verspätete S-Bahnen.
In diesem Papier werden einige Vorschläge für kurzfristige Problemlösungen unterbreitet.
Das man sich bei der Deutschen Bahn AG des Stellenwerts der Münchner S-Bahn bewußt ist, und auch relativ kurzfristig Verbesserungen umsetzen kann, zeigt die beschleunigte Einführung des Reisenden-Informations-System (RIS) an vielen S-Bahnhöfen. Diese Monitore mit aktuellen Zug- und Verspätungsinformationen gibt es in dieser Dichte bisher nur im Raum München. An der Beseitigung einiger "Kinderkranheiten" wird bei diesem System noch gearbeitet, ein deutlicher Informationsgewinn ist aber jetzt schon zu verzeichnen.
Pünktlicher und stabiler Betrieb der Münchner S-Bahn muß höchste Priorität haben. Das Angebot und der Fahrplan muß auf dieser Vorgabe aufbauend entwickelt werden.
Ein Großteil der Probleme der S-Bahn ergeben sich aus der beständigen, seit Jahren andauernden Überlastung des gesamten S-Bahn-Systems. Zufällige Verspätungen einer einzelnen S-Bahn pflanzen sich fort, da keine Reserven mehr zum Auffangen vorhanden sind. Anstrengungen der S-Bahn GmbH wie Erhöhung der Einsatzreserven an Fahrzeugen haben nur begrenzten Nutzen, solange die Infrastruktur nicht die notwendigen Reserven bietet.
Problem S2/7: Auf der S2 wird im Norden und Süden gebaut. Dadurch sind die Möglichkeiten zum Abbau von Verspätungen auf dieser Linie beinahe auf Null gesunken. Die Verspätung einer S2 aus Richtung Süden überträgt sich in Giesing sowohl auf stadtauswärts fahrende S2-Züge als auch auf beide Richtungen der S7. Dies hat mehrere negative Effekte: Richtung Kreuzstraße ist die Strecke eingleisig, Verspätungen werden auch hier wieder auf den Gegenzug übertragen.
Die S7 ist wegen des ebenfalls eingleisigen Abschnitts nach Wolfratshausen gleich doppelt betroffen. Verpätete Züge von S2 und S7 führen zu Verzögerungen weiterer S-Bahn-Linien auf der Stammstrecke und verhindern, daß Züge der Bayerischen Oberlandbahn pünktlich sind. Bei der BOB übertragen sich aufgrund eingleisiger Außenstrecken die Verspätungen ebenfalls auf die Gegenzüge und diese stören dann wiederum den Betrieb von S2 und S7.
Die vollständige Ausnutzung der Kapazität ist im Prinzip bereits ein Betrieb unter Überlast. Auf freie Kapazitätsreserven bereits im Normalfall vollständig zu verzichten führt dazu, daß man im Störfall handlungsunfähig ist. Dadurch werden aus kleinen, oft auch zufälligen Abweichungen immer wieder größere Störungen.
Will man so etwas zukünftig vermeiden, muß darauf achten, daß auch zu Spitzenzeiten die Kapazität nicht schon zu 100% durch den Regelfahrplan ausgenutzt wird. Diese Notwendigkeit ist auch mathematisch bewiesen. Die derzeitige Nutzung aller 24 Fahrmöglichkeiten in der Stunde im S-Bahn-Tunnel ist daher verspätungsfördernd. Der Ausbau des Tunnels im Rahmen des 520 Millionen-Programms schafft hauptsächlich die notwendigen Reserven. Eine Nutzung von mehr als 27 Trassen/Stunden (von den dann technisch möglichen 33 Trassen/Stunde) gefährdet die Stabilität des Betriebs.
In der Hauptverkehrszeit sollten S-Bahnen nach Möglichkeit bevorzugt behandelt werden. Güterzüge in dieser Zeit auf Strecken mit S-Bahnverkehr sind überprüfen. Wenn sich Konflikte nicht vermeiden lassen, muß transparent gemacht werden, woran es hakt. In vielen Fällen wird mangelde Infrastruktur der Grund sein. Gründe und Lösungsmöglichkeiten für solche Probleme sollten benannt werden, ebenso die Kosequenzen, falls ein Konflikt nicht auflösbar ist.
Durch das zweite Gleis könnte die Sendlinger Spange im Regelbetrieb im 20 Minuten-Takt befahren werden. Im Störungsfall könnte der Takt deutlich dichter werden, die Fahrgäste könnten von Pasing über die Sendlinger Spange die U4/5 am Heimeranplatz erreichen.
Doch auch im Störungsfall braucht die Sendlinger Spange nicht den gesamten S-Bahn-Verkehr auffangen zu können. Es ist aber wichtig, daß die Fahrgäste - die alle verschiedene Ziele im Stadtgebiet haben - mehrere Optionen für die Erreichung ihres Zieles haben, damit nicht auch die Alternativrouten verstopft werden.
Da im Westen wesentlich mehr S-Bahn-Strecken auf die Innenstadt zulaufen wie im Osten, ist im Westen der Bedarf nach Verbesserungsmaßnahmen auch besonders hoch.
Durch diese Anbindung erhalten auch die Fahrgäste der S1 und S2 eine gute Verbindung in den Münchner Südwesten und zur U4/5. Dies verbessert die Netzwirkung der S-Bahn und ist auch im Sinne der Münchner Stadtplanung mit ihrem Ziel der dezentralen Zentren.
Im Störungsfall können zudem weitere S-Bahn-Linien von Laim aus einen Anschluß an die U4/5 am Heimeranplatz bieten.
Die Kapazität der Stammstrecke wird während der Sanierung des S-Bahn-Tunnels deutlich reduziert sein. Daher ist ein vernünftiger Weiterbetrieb der S-Bahn während der Bauarbeiten nur denkbar, wenn bereits dann eine verbesserte Ableitungsmöglichkeit für einige Linien besteht. Eine Anbindung der Sendlinger Spange in Laim sollte daher nach Möglichkeit vor der Stammstreckensanierung in Betrieb gehen.
Eine Möglichkeit für eine provisorische Anbindung ist, bestehenden Gleise des ehemaligen Rangierbahnhofs zu nutzen ("Laim tief"). Dazu müssten dort zwei Bahnsteigkanten errichtet werden. Derzeit sind diese Gleise vom Westen aus aber nur von der S1/2 erreichbar; hier sollte eine Anbindung von den S-Bahn-Gleisen in Pasing ergänzt werden. Richtung Heimeranplatz müsste eine Weichenverbindung geschaffen werden, um den Bahnsteig der Sendlinger Spange zu erreichen.
Eine Verbindung von Pasing über die Sendlinger Spange zur Poccistraße kann das Gesamtsystem des öffentlichen Nahverkehrs deutlich attraktiver machen. Bei Störungen bietet dieser Haltepunkt eine gute Alternative, um Ziele südlich der Innenstadt zu erreichen.
Ganz wichtig wird aber der Haltepunkt während der Baumaßnahmen am vorhandenen S-Bahn-Tunnel sein.
Dieser Haltepunkt kann mit geringen Kosten angelegt werden, wenn die vorhandenen Gütergleise ab dem Haltepunkt Heimeranplatz der Sendlinger Spange genutzt werden können.
Die maximale Kapazität des S-Bahn-Tunnels ist derzeit ausgenutzt. Daher können einmal eingetretene Verspätungen kaum wieder reduziert werden. Aus diesem Problem sollte gelernt werden: Nach dem Umbau der Stammstrecke sollten im Betriebsprogramm nur maximal 27 Züge pro Stunde fahren, damit ausreichend Kapazität für den Abbau von Störungen bleibt.
Ein besonderes Problem stellt der Zeitraum der Sanierung und Modernisierung der Tunnelstrecke dar. Es ist damit zu rechnen, daß die Kapazität gegenüber dem jetzigen Zustand vorübergehend reduziert wird. Es sind daher Ausgleichsmaßnahmen zu ergreifen, die wirksam sind, bevor die Baumaßnahmen beginnen. Ein zweiter Tunnel kann dies nicht leisten.
Auch an unbesetzen Bahnhöfen sollten die Fahrgäste die Möglichkeit haben, sich mit Problemen, Wünschen und Anregungen direkt an eine kompetente Person wenden zu können. Eine Möglichkeit dazu sind Infosäulen, ähnlich wie sie von der Bayerischen Oberlandbahn aufgestellt wurden. Die Infosäulen sollen Anzeigen wie die RIS-Monitore aber nicht verdrängen, sondern (mit einem anderen Anwendungsfall) ergänzen.
Bei Problemen an Bahnhöfen ist für Fahrgäste nicht mehr durchschaubar, wer dafür zuständig ist. Für die Entwerter ist DB Reise & Touristik zuständig, für die Anzeiger DB Station und Service. Bedient werden letztere allerdings häufig durch Mitarbeiter der DB Netz. Die RIS-Anzeigen werden aus Frankfurt ferngesteuert.
Dabei sind die einzigen, die häufig am Bahnhof vorbeikommen, die Triebfahrzeugführer der S-Bahn. Es wäre in vielen Fällen effizienter, wenn die Zuständigen für die anderen Einrichtungen an S-Bahnhaltepunkten dem gleichen Unternehmen angehören würden. Dies würde die Entscheidungswege bei Problemen verkürzen.
Daher sollten alle reinen S-Bahnhöfe mit Bahnsteigen, Automaten, Entwertern, Anzeigern, Lautsprechern etc. möglichst schnell komplett zum Verantwortungsbereich der S-Bahn München gehören. Das so etwas möglich ist, zeigt das Beispiel der SüdostBayern-Bahn in Mühldorf.
Das eine Bündelung der Zuständigkeiten in einer Hand sinnvoll ist, zeigt das Beispiel der Baustelleninformationen. Seitdem die S-Bahn GmbH hierfür komplett verantwortlich ist, ist die Information für die Fahrgäste deutlich besser verfügbar.
Die Informationen über baustellenbedingte Änderungen hat sich verbessert. Im Zweifelsfall ist Aktualität und Verfügbarkeit für die Fahrgäste wichtiger als die "Perfektion" eines Hochglanzprospekts. Auch die Anwesenheit von ansprechbarem Personal macht die Bewältigung solcher Situationen einfacher. Hier zeigt sich, daß die Bündelung der auch in diesen Fällen früher zerstreuten Zuständigkeiten bei der S-Bahn-GmbH Wirkung zeigt.
Für die Fahrgäste ist heute am Bahnhof nicht erkennbar, mit wem sie konkret den Beförderungsvertrag schließen und wer für Probleme zuständig ist. Die Präsenz der S-Bahn GmbH muß daher verbessert werden. Die Übernahme der Stationen durch die S-Bahn (siehe oben) würde dies sicher vereinfachen.
Die Information der Fahrgäste bei Einfahrt einer S-Bahn an unbesetzten Stationen ist zu überprüfen. Die früher übliche Ansage von Ziel und Liniennummer über Außenlautsprecher ist häufig hilfreich. Insbesondere bei Zugteilen mit abweichendem Zielbahnhof ist für viele Menschen die Situation unübersichtlich. So verstehen die oftmals von außerhab kommenden Fahrgäste zum Flughafen die Zugzielanzeiger entlang der S1 normalerweise nicht zu deuten. Sie können daher nur erraten, daß zum vorne ausschließlich mit "Freising" beschilderten Zug, ein hinterer Zugteil Richtung Flughafen gehört. Ähnlich unbefriedigend ist die Situation, wenn Züge auf Zwischenbahnhöfen verkürzt werden.
Bei verlängerten Aufenthalten an Bahnhöfen und insbesondere bei Aufenthalten auf freier Strecke sind die Fahrgäste nach kurzer Zeit zu informieren. Die entsprechende Durchsage sollte nach Möglichkeit den Grund des Aufenthalts und die zu erwartende Dauer enthalten. Auch wenn diese Informationen nicht vollständig vorliegen, ist eine Durchsage zu machen.
Das Abfertigungsverfahren bei Abfahrt von S-Bahnen muß nicht nur sicher, sondern auch kundenfreundlich sein. Darüber hinaus darf es nicht zu unnötigen Verzögerungen führen.
Nicht nur für die Zugabfertigung gilt, daß Entscheidungen von Menschen und nicht von Maschinen gefällt werden sollten. Das Fahrpersonal muß sich seiner Beziehung zum Kunden bewußt sein. Die Abfahrbereitschaft des Zuges sollte daher vom Triebwagenführer auf möglichst direkte Art festgestellt werden. Nur dann kann er beispielsweise - ausreichende Zeitreserven vorausgesetzt - für spät heraneilende Fahrgäste die Türen nochmals freigeben. Das Fahrpersonal kann beurteilen, ob Fahrplan und Pünktlichkeit so etwas erlauben und ob die Fahrgäste eventuell von einem verspäteten Anschlußbus kommen. Eine Abfertigungsautomatik wird immer "gnadenlos" sein.
Bei Aufenthalt an Station über das normale Zeitmaß hinaus, muß vor Zurücknahme der Türöffnung eine Durchsage "Bitte zusteigen" erfolgen. Dies gilt zwingend für alle Endhaltestellen.
Wie bisher können technische Hilfen das Personal bei der Abfertigung unterstützen. Eine gewisse Redundanz ist insbesondere in Bezug auf die Sicherheit bei der Zugabfertigung sinnvoll. Die Sicherheitsaspekte können mittelfristig in einigen Punkten optimiert werden. Grundsätzlich sollte gelten:
Die Pünktlichkeit der S-Bahn wird durch Verspätungen von Regionalzügen gefährdet und beeinträchtigt. Daher ist es notwendig, systematisch an den Außenästen des S-Bahn-Systems die Überholmöglichkeiten für Regionalzüge so zu verbessern, daß die Verspätungsübertragung minimiert wird. Außerdem ist der Abbau von Infrastruktur außerhalb des S-Bahn-Bereichs zu unterlassen.
Mehr Überholmöglichkeiten verhindert sowohl, daß Regionalzüge hinter S-Bahnen "herzuckeln" als auch zu lange Stehzeiten von S-Bahnen an ungünstigen Überholbahnhöfen. So profitiert sowohl der S-Bahn-Fahrgast als auch der Reisende im Regionalzug. Infrastruktur muß auch dann erhalten werden, wenn sie im Regelbetrieb nicht benötigt wird. Nur dann steht sie zur Verfügung, um Störfälle abzumildern und auszugleichen. Eine weitere Reduzierung der Infrastruktur wird dagegen dazu führen, daß sich im Störfall die Verspätungen von S-Bahnen und Regionalzügen noch mehr als bisher gegenseitig aufschaukeln.
Beispiel Fürstenfeldbruck: Durch eine Änderung der Weichen können die Gleise 2 und 5 zu den Durchfahrtsgleisen für den Regionalverkehr werden. Im Gegensatz zu heute würde damit die S-Bahn auf einen verspäteten Regionalzug nicht mehr nur in Buchenau, sondern auch in Fürstenfeldbruck warten können. Dadurch kann die Übertragung von Verspätungen auf die S-Bahn reduziert werden. Ähnliche Optimierungsmöglichkeiten bestehen auch an anderen Stellen.
Beispiel Strecke München - Garmisch: Die Deutsche Bahn versucht, etliche Kreuzungsmöglichkeiten zu entfernen. Dadurch würden die Verspätungen auf dieser Strecke zunehmen; dies wurde durch ein Gutachten im Auftrag der Bayerischen Eisenbahngesellschaft nachgewiesen. Die stärkeren Verspätungen würden im Abschnitt Tutzing - Gauting auf das Münchner S-Bahn-System übertragen. Der Abbau von Kreuzungsgleisen muß daher unterbleiben.
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