Nachfolgend das Positionspapier, das von PRO BAHN zum S-Bahn-Hearing
des Münchner Stadtrates am 10. März 1999
vorgelegt wurde. (pdf-Fassung)
Das Entwicklungspotential der Münchner S-Bahn jetzt nutzen!
Thesen, Forderungen und Vorschläge des Fahrgastverbandes PRO BAHN
Stand: März 1999
- Die S-Bahn ist und bleibt das Gerüst des Öffentlichen Verkehrs im
Münchener Umland.
- Notwendige Verbesserungen dürfen nicht verschleppt werden.
- Attraktiver Öffentlicher Verkehr liefert einen Beitrag zu vernünftigen
Siedlungsstrukturen.
- Die S-Bahn ist auch ein innerstädtisches Verkehrsmittel.
- Die S-Bahn-Südumfahrung wird als wichtigste Einzelmaßnahme die
Nahverkehrsstruktur im Raum München drastisch verbessern.
- Andere Maßnahme dürfen aber nicht zurückstellt werden, sondern müssen
zügig realisiert werden.
- Neue S-Bahn-Züge müssen fahrgastfreundlich sein.
- Qualität von Angebot und Umfeld und die
Qualitätskontrolle müssen besser werden.
Die S-Bahn bildet seit über 25 Jahren das Rückgrat des
öffentlichen Nahverkehrs in der Region München. Sie verbindet
Stadt und Umland und ist gleichzeitig ein wichtiges
innerstädtisches Verkehrsmittel. Die Fahrgastprognosen wurden
bereits im Jahr der Eröffnung übertroffen, mittlerweile benutzen
über 700.000 Fahrgäste jeden Tag die S-Bahn.
Notwendige Verbesserungen dürfen nicht verschleppt werden.
Damit der Öffentliche Verkehr auch außerhalb Münchens wieder die
Aufgabe, Triebfeder der Siedlungsentwicklung zu sein, wahrnehmen kann,
muß das S-Bahn-System auf einen adäquaten Entwicklungsstand gebracht
werden. Ausbaumaßnahmen sind seit Jahren überfällig oder werden nur in
einem sehr schleppenden Tempo angegangen. Bestes Beispiel hierfür sind
die -
man muß wohl eher sagen zerredeten als diskutierten - signaltechnischen
Verbesserungen auf der Stammstrecke. Daß bei entsprechendem politischen
Willen Ausbau- und sogar Neubaumaßnahmen auch im S-Bahn-Bereich zügig
durchgeführt werden können, zeigt das Beispiel der Neufahrner Spange.
Attraktiver Öffentlicher Verkehr liefert einen Beitrag zu vernünftigen
Siedlungsstrukturen.
Im Gegensatz zur Aufbauphase des S-Bahn-Netzes zeichnet sich die
Siedlungsstruktur im Umland heute durch zunehmenden Wildwuchs und
überspitztes Konkurrenzdenken zwischen Gemeinden aus. Es ist dringend
notwendig, auch den
Öffentlichen Verkehr hier wieder verstärkt als Gestaltungsmittel
einzusetzen.
Der Ausbau der S-Bahn kann hier
jedoch nur eine Komponente sein.
Noch stärker sind derzeit die Orts- und Regionalbuslinien
vernachlässigt. Erst
wenn S-Bahnhöfe, Ortszentren und andere wichtige Ziele auch ohne
Auto erreichbar sind, gibt es eine Chance, das der Druck des
Individualverkehrs nicht mehr ungebremst zunimmt. Die Münchner
Innenstadt ist für viele Umlandbürger heute einfacher ohne Auto
zu erreichen als das eigene Ortszentrum oder gar
Einkaufsmöglichkeiten im Nachbarort. Eine gute Möglichkeit zur
besseren Vernetzung bieten auch die bereits an verschiedenen
Stellen vorgeschlagenen Stadtbahnsysteme
(Literatur).
Ein übertriebener Ausbau von Park+Ride-System wird von PRO BAHN
abgelehnt.
Bereits 1994 wurde in einer
Studie nachgewiesen, das P+R-Plätze sowohl zu
Einnahmeverlusten als auch zu Mehrkosten führen.
(Literatur)
Insbesondere große P+R-Anlagen schwächen die Funktion von
Regionalbuslinien
als Zubringer zu U- und S-Bahn und verhindern so, daß
vernünftige Angebotsstrukturen im Öffentlichen Verkehr aufgebaut
werden können. Bei den verkehrenden Buslinien verringern sich die
Fahrgeldeinahmen und müssen durch höhere Zuschüsse kompensiert
werden.
Durch die Tendenz im Freizeit- und Gelegenheitsverkehr dem teuren
MVV-Bartarif auszuweichen wird die
Unausgeglichenheit in der Auslastung des Öffentlichen Verkehrs
zwischen Haupt- und Nebenverkehrszeit verstärkt. Diese
gefährliche Tendenz wird durch die Sprünge an den Tarifgrenzen
noch unterstützt.
Hier - wie auch an der MVV-Außengrenze - wird P+R dazu mißbraucht, um
strukturelle
Defizite in der Konstruktion des Münchner Verkehrsverbunds zu
überdecken - auf Kosten der Anwohner von P+R-Anlagen und ihrer
Zufahrtsstraßen sowie zu Lasten der Fahrgastzahlen zahlreicher
Regionalbuslinien.
Die S-Bahn ist und bleibt das Gerüst des Öffentlichen Verkehrs im
Münchener Umland.
Trotz notwendiger Verbesserungen in anderen Bereichen ist die S-Bahn
jedoch nach wie vor das Gerüst, welches das Gesamtsystem Öffentlicher
Verkehr am Leben erhält. Daher bleibt
der weitere Ausbau der Außenäste zur Grundversorgung der
Bevölkerung
und als attraktive Alternative zum Auto unverzichtbar. Eine
Taktverdichtung auf allen
Außenstrecken erfordert aber auch Maßnahmen im Münchner
Stadtgebiet. Für die Einführung eines 10-Minuten-Taktes auf allen Linien
gilt der Bau der S-Bahn-Südumfahrung oder eines zweiten
Innenstadttunnels
als Voraussetzung.
Die S-Bahn-Südumfahrung wird als wichtigste Einzelmaßnahme die
Nahverkehrsstruktur im Raum München drastisch verbessern.
Die S-Bahn-Südumfahrung soll im Bahnhof Laim abzweigen und über die
Stationen Friedenheimer Straße (neu), Heimeranplatz (U4/5), Poccistraße
(U3/6) und Kolumbusplatz (U1/2) zum
Ostbahnhof verkehren. Über die genaue Lage neuer Bahnhöfe wird noch zu
diskutieren sein. So kann ein Bahnhof südlich der Landsberger
Straße anstatt unmittelbar an der Friedenheimer Brücke für die dortige
Wohn- und Gewerbebebauung vorteilhafter sein. An anderen Stellen wie
Poccistraße und Kolumbusplatz sind vor allem möglichst gute
Umsteigeverbindungen zur
U-Bahn und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln wichtig.
Ein wichtiger Effekt der Südumfahrung ist die Erhöhung der Zuverlässigkeit
im gesamten S-Bahn-Netz. Störungen im Tunnel, die in ihren Auswirkungen
jeweils Tausende von Fahrgästen betreffen können und deren Folgewirkungen
bis in das Fernverkehrsnetz der Bahn hineinreichen, können durch eine
Umfahrungsstrecke besser kompensiert werden. Ein Totalausfall oder ein
schwer durchführbarer eingleisiger Notbetrieb könnte verhindert werden.
Die S-Bahn ist auch ein innerstädtisches Verkehrsmittel.
Bei der Bewertung der Südumfahrung oder ähnlicher Maßnahmen darf man
nicht übersehen, daß das S-Bahn-System unabhängig von
Aufgabenträgerschaft durch den Freistaat Bayern
auch eine wichtige Rolle als
innerstädtischer Verkehrsträger spielt.
Die innerstädtische Funktion ist von der regionalen nicht zu trennen,
da die gleiche Linie gleichermaßen Stadtgebiete und Umland miteinander
verbindet.
Ein Leugnen dieser Rolle, um
scheinbare Vorteile in der Kostenverteilung wahrzunehmen, ist
kontraproduktiv und hat in der Vergangenheit zu Fehlentscheidungen
geführt. (Literatur)
Für die S-Bahn-Südumfahrung werden bereits seit Jahren Untersuchungen
angestellt. Außer der Tatsache, daß sie endlich Taktverdichtungen auf
allen Zulaufstrecken ermöglicht, werden durch sie neue Querverbindungen
innerhalb Münchens und vom Umland neue umsteigefreie Relationen
geschaffen. So würde beispielsweise die Reisezeit vom Kolumbusplatz zum
Ostbahnhof von 20 Minuten auf 5 Minuten verkürzt; aus dem Umland werden
unter anderem das Kreisverwaltungsreferat und das
Stadtwerke-Servicezentrum an der Poccistraße ohne Umsteigen zu erreichen
sein. Ein zweiter
Innenstadttunnel könnte keine so attraktive Lage wie der
bestehende Tunnel erhalten und würde damit die vorhandenen
Umsteigeknoten nur wenig entlasten, andererseits jedoch deutliche
Mehrkosten gegenüber der Südumfahrung verursachen.
Fazit: PRO BAHN spricht sich eindeutig für die S-Bahn-Südumfahrung
aus.
Andere Maßnahme dürfen aber nicht zurückstellt werden, sondern müssen
zügig realisiert werden.
Auch wenn die Südumfahrung bis auf weiteres die wichtigste Maßnahme im
S-Bahn-Netz
sein wird, können bereits vorher Verbesserungen durchgeführt werden. So
kann die Sendlinger Spange, eine
Verbindung von Pasing über Harras nach Deisenhofen, den
tangentialen Verkehr stärken.
Mit Hilfe der bereits beschlossenen und kurzfristig zu realisierenden
Ertüchtigung der Stammstrecke muß die Taktfolge auf den wichtigsten
S-Bahn-Außenästen sobald als möglich verdichtet.
Hierbei ist zu beachten, das auch die Fahrzeuge zur neuen Signaltechnik
passen müssen.
Neue S-Bahn-Züge müssen fahrgastfreundlich sein.
Große Erwartungen werden in die neue Fahrzeuggeneration gesetzt, die in
den nächsten Jahren einen Großteil der alten S-Bahn-Züge ersetzen wird.
Hier ist
zu hoffen, daß die DB bei der Innenausstattung mehr auf
Fahrgastwünsche eingeht, anstatt sich ausschließlich von
Vandalismusresistenz und Marketing leiten zu lassen. Wie bei
anderen Punkten, stellt sich auch bei Fahrzeugausstattung und
-zustand die Frage, ob der Freistaat Bayern gewillt ist,
gegenüber der Deutschen Bahn AG eine strikte Qualitätskontrolle
durchzuführen, oder ob weiterhin darauf verzichtet wird
vorzugeben, mit welchem Standard durch Steuergelder finanzierte
Verkehrsleistungen erbracht werden.
Qualität von Angebot und Umfeld und die
Qualitätskontrolle müssen besser werden.
Insbesondere der Reinigungszustand der Fahrzeuge und die Zustände an den
Bahnhöfen und in ihrem unmittelbaren Umfeld werden immer wieder
kritisiert. Hier könnte für vergleichsweise geringe Summen -- zumindest
im Vergleich mit Strecken- und Fahrzeuginvestitionen -- eine deutliche
verbesserte Außenwirkung erzielt werden. Voraussetzung dafür ist
jedoch, daß die Deutsche Bahn AG das von ihr geschaffene System besser
in den Griff bekommt. Vieles von dem, was in den letzten Monaten im
S-Bahn-System und darüberhinaus im Nahverkehr der Deutschen Bahn zu
beobachten war, läßt auf organisatorische Mißstände auf allen Ebenen der
DB schließen. Unabhängig davon, ob dies in verfehlten
Reformanstrengungen, Stellenkürzungen, Ausbildungsdefiziten oder
Motivationmagel begründet ist, wurde außer dem Unternehmen Deutsche Bahn
auch das System S-Bahn und der Öffentliche Verkehr insgesamt durch
diese Vorfälle beschädigt.
PRO BAHN erwartet, daß alle Beteiligten sich bemühen, weiteren Schaden
abzuwenden und die angerichteten Beschädigungen durch geeignete
Maßnahmen zu kompensieren. Die Qualitätskontrolle muß auf allen Ebenen
- sowohl innerhalb der Unternehemen als auch zwischen Aufgabenträger
und Betreibern - verbessert werden. Sie kann sich nicht nur auf
Kontrolle des Leistungsangebots beschränken, sondern muß beispielsweise
auch Reinigung, Fahrgastinformation und Störungsmanagement umfassen. Im
Fall des S-Bahn-Systems ist hier eindeutig der Freistaat Bayern und die
Bayerische Eisenbahngesellschaft gefordert.
Literatur
Erschließung von Pasing und Freiham
Andreas Barth, Thomas Kantke, Edmund Lauterbach, Peter Morath:
Erschließung von Pasing und Freiham; PRO BAHN Oberbayern - Stadt- und
Kreisgruppe München; 2. Auflage August 1997
Stadtbahn
Edmund Lauterbach, Andreas Barth:
Stadtbahn -
Ein ergänzendes Verkehrssystem für München und sein
Umland; PRO BAHN Oberbayern; München, November 1997
Auswirkungen von P+R
Dipl.-Ing. Utz Senger, Dipl.-Geogr. Andreas Könnecke, Dipl.-Ing. Burghard
Vieth, Dipl.-Ing. M. Dinter: Verkehrliche Auswirkungen von
P+R-Großanlagen: Ergebnisse am Beispiel des nordwestlichen Korridors im
Ballungsraum Rhein-Main; in: Der Nahverkehr 3/94
Weitere Literatur gibt es im Literaturverzeichnis.
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