Stellungnahme des Fahrgastverbands PRO BAHN zur Umstrukturierung des Stadtbussystems Freising zum 16.4.2011
 

Diese Stellungnahme basiert auf den beabsichtigten Liniennetzplanungen und Erläuterungen zu den Fahrplantakten von Anfang Februar. Endgültige Fahrplanzeiten lagen noch nicht vor. Die Stellungnahme ist auch als pdf-Datei verfügbar.

 
Ausgangslage

Durch die Nähe zum Münchner Flughafen ist die Große Kreisstadt Freising Kern einer Wachstumsregion. Ein guter Öffentlicher Nahverkehr ist ein wichtiger Standortfaktor. Er ist ein wesentliches Instrument, um das Wachstum – das immer auch Verkehrswachs–tum bedeutet – in geordnete Bahnen zu leiten.

Freising unterhält ein Stadtbussystem, das auch im Vergleich zu Städten ähnlicher Größe und Struktur zu vielen Tageszeiten eine gute Angebotsqualität bietet. Verbesserungsbedarf besteht im Wochenend- und Spätverkehr; hier werden bestehende Fahrgastpotenziale bisher nicht ausgeschöpft. In der Hauptverkehrszeit treten auf einigen Linien punktuelle Lastspitzen auf, die ohne einzelne Angebotsausweitungen nicht aufgefangen werden können.

Das Freisinger Stadtbussystem ist genauso wie die Regionalbusse, die S-Bahn und die Bahnlinie München – Moosburg in den Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) integriert. Neben dem Binnenverkehr im Stadtgebiet Freising wird der Bedarf definiert durch die Umsteiger von und zu S-Bahnen und Regionalzügen. Auspendler streben Arbeits- und Ausbildungsplätze in München, sowie vermehrt an S-Bahn-Zwischenstationen wie Neufahrn, Eching und Lohhof an. Aufgrund des Hochschulstandorts Weihenstephan, mehrerer weiterführender Schulen sowie von Industriebetrieben und Gewerbegebieten hat Freising eine hohe Zahl von Einpendlern, die auf gute Umsteigebeziehungen zwischen Bahn und Stadtbus angewiesen sind.

Ein möglichst guter Anschluss zu den Linien des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) ist eine unverzichtbare Komponente des Stadtbussystems. Da die Bahnstrecke München – Freising im Mischverkehr von Regionalzügen, S-Bahnen und Güterzügen befahren wird, kommt es dort immer wieder zu Verspätungen und auch zu Störungen größeren Ausmaßes. Die daraus resultierenden Anschlussverluste zu den Stadtbussen können durch Änderungen im Stadtbussystem letztlich nicht korrigiert werden. Ein dichter Fahrplan kann jedoch helfen, den Zeitverlust, den die Fahrgäste erleiden, zu begrenzen. Die Effekte durch Verspätungen im SPNV sollten im Vergleich zu den Vorteilen eines merkbaren Fahrplantakts, bei dem auch die Umsteigezeiten gleich bleiben, aber auch nicht überschätzt werden.

Die Verdichtung von Busfahrplänen zum Ausgleich schlechter Pünktlichkeitswerte im Bahnverkehr führt zu Kosten, die auch dem Bahnverkehr zugerechnet werden müssen. Der Freistaat Bayern, dessen Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) den SPNV bestellt, und die MVV GmbH haben es bisher versäumt, für solche Ausgleichsleistungen eine angemessene finanzielle Regelung zu schaffen.

Die Bedeutung des Flughafengeländes als Arbeitsplatzstandort legt nahe, den Flughafenbus (Linie 635) nicht als Punkt-zu-Punkt-Verbindung zum Freisinger Bahnhof zu verstehen, sondern verstärkt gute Umsteigemöglichkeiten ins restliche Stadtgebiet anzustreben.

 
Geplante Änderungen

A. Netzstruktur

Links der Isar, auf der Altstadtseite, wird der Verkehr zurzeit in großen Teilen von den beiden Ringlinien 620/621 und von der Buslinie zu den Hochschulstandorten in Weihenstephan getragen.

Die geplante Straffung der Linienführung 620/621 führt eindeutig zu Vorteilen. Die Reisezeiten in die Altstadt und zum Bahnhof werden für viele Fahrgäste etwas kürzer; Umwege, die zumindest psychologisch negativ wirken, werden vermieden.

Die Fahrgäste an den künftig von den Linie 620/621 nicht mehr bedienten Streckenabschnitten profitieren hingegen von den neuen Radiallinien 630/631, die auf kurzem Weg Altstadt und Bahnhof mit genau den Bereichen verbinden, zu denen bisher die längsten Fahrzeiten entstanden. Auch das Freisinger Krankenhaus, mit seiner Bedeutung über das Stadtgebiet hinaus, wird durch diese Linien besser angeschlossen. Eine Zusammenfassung der Linien 630/631 würde es möglich machen, den Takt auch an den Außenästen zu Lasten teilweise längerer Fahrzeiten zu verbessern. Ob dies vom Fahrzeugumlauf her möglich wäre, kann auf Basis der vorliegenden Information nicht beurteilt werden.

Die Linie 638, die bisher schon Weihenstephan und Vötting erschließt, wird ergänzt durch die neue Linie 639 die neben Weihenstephan zusätzliche Hochschulstandorte anfährt, und Flächen anbindet, die innerhalb des Stadtgebiets weiteres Wachstumspotenzial bieten.

Die Buslinie 633 bleibt von der Struktur her weitgehend unverändert, verkehrt aber bei der Fahrt von Marzling zur Gutenbergstraße künftig durch die Alois-Steinecker-Straße. Dort ist die verbesserte Anbindung beispielsweise des Freisinger Krankenhauses positiv zu bewerten; die Verbindung zur Altstadt wird nur unwesentlich geschwächt, und kann durch Herstellung von Umsteigemöglichkeiten zu anderen Linien weiter verbessert werden.

Das konzipierte Liniennetz für die Stadtteile links der Isar wird von PRO BAHN insgesamt als Verbesserung gegenüber der bisherigen Situation bewertet.

Rechts der Isar, in Lerchenfeld, führen die geplanten Änderungen jedoch nicht zu einer Straffung des Liniennetzes. Zurzeit verkehren die Linien 622 und 623 auf zwei jeweils nur in eine Richtung durchfahrenen Schleifen. Die Umstellung von einer größeren, gegenläufig durchfahrenen Schleife auf zwei kleine Einrichtungsschleifen wurde vor einigen Jahren durchgeführt. Dadurch sank die Fahrzeit pro Linie auf knapp unter 20 Minuten, so dass im 20-Minuten-Takt jeweils ein Fahrzeug ausreicht. Zusammen mit der damaligen Liniennetzänderung wurde in der Hauptverkehrszeit auf beiden Linien ein 10-Minuten-Takt eingeführt. Die Stabilisierung des Fahrplans durch kürzere Linienwege und insbesondere der 10-Minuten-Takt führten zu einer deutlichen Erhöhung der Fahrgastzahlen.

Das neue Liniennetzkonzept für Lerchenfeld wirkt weniger übersichtlich – sowohl im Vergleich mit dem heutigen Zustand als auch mit dem Liniennetz links der Isar. Während heute schon durch Ansehen des Liniennetzplans recht gut deutlich wird, was von welcher Linie abgedeckt wird, bleibt dies mit der neuen Linienführung eher unklar. Der Fahrgast kann nicht mehr auf Basis der Linienführung entscheiden, welcher Bus ihn am besten zu seinem Ziel bringt; er muss nun den Fahrplan zu Rate ziehen.

Die Kombination von Einrichtungs- und Zweirichtungsstrecken ist für den Fahrgast weniger gut zu verstehen, als die heutige einfache Linienführung. Erschwert wird die Nutzbarkeit auch durch die Tatsache, dass Abfahrten Richtung Lerchenfeld sowohl vor dem Bahnhof als auch am P+R-Platz stattfinden. Dies kann in Schwachlastzeiten noch sinnvoll sein, in der Hauptverkehrszeit ist es eine deutliche Erschwernis.

Die Linienwege sind nicht nur komplizierter, sondern auch länger und haben zum Teil ein höheres Risiko durch den Autoverkehr behindert zu werden. Damit wächst insgesamt die Anfälligkeit für Verspätungen.

PRO BAHN kommt damit leider nicht zu einer positiven Bewertung der Pläne für die Buslinien 622 und 623. Die Nachteile sind nach unserer Beurteilung größer als die Vorteile. Die Umstellung auf kurze Linienführung und 10-Minuten-Takt vor einigen Jahren brachte einen durchschlagenden Erfolg, den wir jetzt gefährdet sehen.

Die Absicht, die Verbindung zwischen Lerchenfeld und der Altstadt auch in der Hauptverkehrszeit herzustellen, ist für sich alleine nicht zu kritisieren. Im Gegenzug die Situation für die Ein- und Auspendler zu verschlechtern, kann man angesichts der Fahrgastzahlen aber nicht gutheißen. Idealerweise sollten natürlich beide Ziele gleichberechtigt realisiert werden; der damit verbundenen Kostenproblematik sind wir uns jedoch bewusst.

Da die Linie 634 auf ihrem Weg durch Lerchenfeld nur wenig geändert werden soll, bezieht sich die Kritik nicht auf deren Linienführung. Dass die Anregungen aus Attaching aufgenommen wurden, so dass auch das südliche Ortsgebiet weiterhin bedient werden soll, ist positiv zu bewerten. Wie sich die Teilung der Fahrten ins Gewerbegebiet und zum Sportplatz auf die Fahrgastzahlen auswirkt, muss sicherlich genau beobachtet werden.

 
B. Haltestellen

Die im Konzept vorgesehene Beibehaltung der Haltestellen in Unterer und Oberer Hauptstraße wird von PRO BAHN begrüßt. Auch im Zeichen einer insgesamt älter werdenden Bevölkerung wächst die Bedeutung guter fußläufiger Erreichbarkeit, die in der Altstadt durch kurze Fußwege von und zu den Haltestellen sichergestellt wird.

Einzelne Haltestellenpositionen wurden an das neue Linienkonzept angepasst, an anderen Stellen wurden die Haltestellen sich ändernden Randbedingungen wie neuer Bebauung angepasst. Die Erschließung des Stadtgebiets wird sich mit dem neuen Konzept insgesamt verbessern. Für aus Vorjahren bekannte Problemfälle wie Clemensänger würden wir uns eine bessere Lösung wünschen, können aber angesichts der für Öffentlichen Verkehr ungünstigen Struktur des Gewerbegebiets leider auch keinen konkreten Vorschlag unterbreiten. Dass bei Erschließung neuer Wohn- und Gewerbebereiche bereits im Planungsstadium auf die Vereinbarkeit mit einer rentablen Busverkehrsführung geachtet wird, sollte heute selbstverständlich sein.

Ebenso wünscht sich ein Fahrgastverband immer eine bessere Ausgestaltung der Haltestellen. Dazu gehören neben hohen Bordsteinkanten für barrierefreies Ein- und Aussteigen, auch Wetterschutz und noch grundlegender genügend Aufstellfläche für wartende Fahrgäste. Als Beispiel möchten wir Kepserstraße nennen, wo ein schmaler Bürgersteig auch angesichts eines hohen Anteils von Eltern mit Kinderwagen immer wieder auch zu Zeitverzögerungen bei den Bussen führt. Die jeweilige Haltestellensituation hängt leider neben der Kostenfrage auch immer von der räumlichen Situation ab. PRO BAHN regt dazu eine Art Prüfungs- und Ertüchtigungsprogramm für die nächsten Jahre an.

Etwas dringlicher sehen wir die Situation an der Haltestelle P+R-Platz. Deren Umgestaltung ist unabhängig vom umzusetzenden Fahrplankonzept notwendig. Neben dem fehlenden Aufstellplatz für die Busse mangelt es auch an der barrierefreien Gestaltung (Bordsteinabsenkung genau im Haltestellenbereich). Die Verlegung der Fahrradabstellanlagen in den Parkplatzbereich ist eine mögliche Option. Eine bauliche Umgestaltung derart, dass die Busse in Fahrtrichtung weiter vorne halten können, ist weitergehender, würde aber auch den Fußweg zum barrierefreien Bahnsteigzugang verkürzen.

Für die Haltestelle P+R-Platz sollten die gleichen Qualitätsansprüche gelten, wie für die Busbahnhöfe auf der Vorderseite des Bahnhofs, da sie ebenso Teil eines wichtigen Umsteigeknotens ist. Beispielsweise für Reisende zu Industriebetrieben in Lerchenfeld entsteht genau hier häufig der erste Eindruck, den sie von der Stadt Freising bekommen.

 
C. Fahrplantakt

Das beabsichtigte Abgehen vom innerhalb des Münchner Verkehrsverbunds üblichen 20-Minuten-Takt-Raster zugunsten eines 15/30-Minuten-Takts wird von PRO BAHN abgelehnt. Wie bereits einleitend geschrieben, sind gerade innerhalb eines Verkehrsverbunds die Anschlüsse zwischen den einzelnen Verkehrsmitteln ein wesentliches Element. Maßnahmen, die diese Anschlüsse verschlechtern werden wir nicht gutheißen.

Was die konkreten Auswirkungen für Freising angeht, muss man allerdings differenzieren. Insgesamt ist – soweit es ohne konkret vorliegende Fahrpläne zu beurteilen ist – in vielen Gebieten eine Verkehrsausweitung geplant. Im Freisinger Binnenverkehr ergeben sich weitgehend bessere Fahrplantakte. Die Umsteigebeziehung zum Bahnverkehr wird jedoch deutlich verschlechtert.

Hat der Fahrgast die Wahl zwischen verschiedenen Fahrtmöglichkeiten zum oder ab dem Umsteigepunkt, kann die Inkompatibilität der Takte zum Teil ausgeglichen werden. Dies kann bei Ringlinien wie 620/621 schon dadurch entstehen, dass man über zwei verschieden Fahrtrichtungen sein Ziel erreicht. Besteht sogar die Auswahl den Freisinger Bahnhof mittels 620/621 zu erreichen oder die neuen Linien 630/631 zu nutzen, erhöhen sich die Chancen auf eine gute Umsteigemöglichkeit zu S-Bahnen und Regionalzügen. Die verschiedenen Takte bedeuten aber auch dann tendenziell eine Verlängerung der Gesamtreisezeit.

Eine Taktlücke zum Ausgleich kumulierter Verspätungen in der Hauptverkehrszeit halten wir nicht für eine gute Idee. Jede Fahrt sollte an einer Endhaltestelle Pufferzeit haben, die Verspätungsübertragungen auf die nächste Fahrt reduzieren. Ist darüber hinaus ein Verspätungsausgleich notwendig, kann dies dadurch geschehen, dass beispielsweise nach Ende des Schülerverkehrs das Fahrzeug inklusive Fahrer gegen einen pünktlich einsetzenden Bus getauscht wird.

 
D. Nachtverkehr

Für eine Hochschulstadt wie Freising war der fehlende Spät- und Nachtverkehr bislang eine Lücke im Angebot der Stadtbusse. Dass diese Lücke nun zunächst vor Samstagen, Sonntagen und Feiertagen geschlossen wird, ist zu begrüßen. Wir gehen davon aus, dass spätestens nach einer Anfangsphase das neue Angebot ausreichende Fahrgastzahlen haben wird.

Soweit wir das beurteilen können, wurde bei der Linienführung des Nachtbusses auch darauf geachtet, die Akzeptanz bei Anwohnern nicht zu gefährden, indem Straßenzüge in denen nachts fahrende Busse eventuell belästigend wirken, nicht durchfahren werden.

Im Spät- und Nachtverkehr sollten die Anschlüsse zu späten Ankünften von Regionalzügen sowie von Nacht-S-Bahnen hergestellt werden. Anschlussverluste werden in den Abend- und Nachtstunden besonders negativ empfunden.

Als weitere Angebotsausweitung empfehlen wir eine Verlängerung des gegebenenfalls etwas ausgedünnten Normalfahrplans in den Abendstunden.

 
Fazit

Die Einführung eines Nachtbusses und die Verbesserungen beim Wochenendverkehr werden von PRO BAHN uneingeschränkt begrüßt. Bezüglich der Neuordnung der Linienwege sehen wir Vorteile im Bereich links der Isar, dagegen Nachteile im Bereich Lerchenfeld.

Hauptkritikpunkt ist das geplante Abgehen vom 20-Minuten-Taktschema. In den Stadtgebieten links der Isar wird dieser Nachteil zum Teil durch eine straffere Linienführung und durch Überlagerung mehrerer Linien ausgeglichen. In Lerchenfeld kommt jedoch zu den schlechteren Umsteigemöglichkeiten zum Bahnverkehr ein komplizierteres Liniennetz hinzu.

Unzuverlässigkeit und Verspätungen bei S-Bahnen und Regionalzügen sind keine ausreichende Begründung zum Abgehen vom 20-Minuten-Raster. Die betroffenen Fahrgäste werden das als zusätzlichen negativen Einfluss verstehen. SPNV-Verspätungen und schlechtere Umsteigeübergänge gleichen sich im Regelfall nicht gegenseitig aus, sondern akkumulieren sich zu verlängerten durchschnittlichen Reisezeiten.

Unregelmäßige Anschlüsse zum Bahnverkehr werden dazu führen, dass Freisinger die Richtung München pendeln, wieder verstärkt mit dem Auto zum P+R-Platz streben. Das verstärkt den Druck in Richtung auf eine weitere Ausweitung der Parkmöglichkeiten am Bahnhof oder auch den Bau eines Parkhauses.

Einpendler nach Freising werden durch schlechtere Umsteigemöglichkeiten eher für den kompletten Weg auf das Verkehrsmittel Auto ausweichen. Dies verstärkt die Verkehrslast auch auf den Freisinger Straßen, mit den entsprechenden Folgekosten.

Wie stark diese Effekte im Einzeln sein werden, ist schwer zu sagen. Insgesamt sehen wir nicht, dass Fahrgastverluste bei Ein- und Auspendlern durch Zugewinne im Freisinger Binnenverkehr ausgeglichen werden. Im Bereich links der Isar mag das so gerade noch funktionieren, für Lerchenfeld befürchten wir einen Rückgang der Fahrgastzahlen.

Dass der P+R-Platz aus Richtung Lerchenfeld relativ leicht erreichbar ist, ist ein zusätzlicher Grund für diese Negativprognose. Die schlechtere Merkbarkeit des Übergangs S-Bahn/Bus wird verstärkt dadurch, dass Busse Richtung Lerchenfeld an verschiedenen Stellen im Bahnhofsumfeld abfahren. Es ergibt sich insgesamt eine deutliche Verschlechterung der Attraktivität.

Neben Lerchenfeld ist wegen vieler Einpendler auch die Verbindung nach Weihenstephan anfällig für Fahrgastverluste aufgrund der Taktverschiebung. Wie weit dies durch die zusätzliche Buslinie aufgefangen wird, muss man abwarten.

Dass sich Fahrten im Freisinger Binnenverkehr betriebswirtschaftlich günstiger auswirken als Fahrten mit einem großen Streckenanteil im Bahnverkehr, führt zu Fehlanreizen. Wir beurteilen den Einnahmeausgleich, wie er im Münchner Verkehrsverbund praktiziert wird, nicht nur in diesem Punkt als unzureichend und veraltet. Gute Anschlüsse zwischen den Verkehrsmitteln dienen der Absicherung der Gesamteinnahmen im MVV. Dass die dafür entstehenden Kosten unberücksichtigt bleiben, ist ein Beispiel für bestehende Unzulänglichkeiten. Die MVV-Gesellschafter (Freistaat Bayern, Stadt München, Landkreise) haben versäumt, rechtzeitig Reformen einzuleiten. Eine bessere Einnahmeverteilung wird jedoch nur gelingen, wenn sich die Politik der Wahrnehmung ihrer Verantwortung in dieser Frage nicht weiter entzieht.

Wir bezweifeln nicht, dass bei der Angebotsgestaltung für das Freisinger Busnetz der Kundennutzen im Vordergrund stand. Um positive betriebswirtschaftliche Ergebnisse auch längerfristig abzusichern sollte die Kundenorientierung Vorrang gegenüber kurzfristiger betriebswirtschaftlicher Optimierung haben.

Darüber hinaus sehen wir die politische und volkswirtschaftliche Verantwortung eines kommunalen Aufgabenträgers. Volkswirtschaftlich betrachtet ist das Verzahnen der SPNV-Angebote mit den Bussen das einzig sinnvolle. Eine betriebswirtschaftliche Optimierung darf unseres Erachtens nur unter der Randbedingung erfolgen, dass Fahrgastzahlen steigen statt fallen. Alles andere verbietet schon das politische Ziel, weitere Steigerungen beim Autoverkehr möglichst gering zu halten. Eine nachhaltige Betrachtungsweise wird auch für eine Kommune wie Freising immer die Folgekosten des Autoverkehrs mit einbeziehen.

 
Empfehlungen und Anregungen

Da die bis zum 16. April möglichen Änderungen am vorgestellten Konzept begrenzt sind, schlägt PRO BAHN folgenden Kompromiss vor:

  1. Für das Gebiet links der Isar mit den Linien 620, 621, 630, 631, 633, 638 und 639 wird das neue Konzept wie geplant zum 16.4.2011 umgesetzt. Insbesondere Richtung Weihenstephan sollte beobachtet werden, ob die Kapazitäten ausreichen, und ob es durch das 15-Minuten-Raster zu Abwanderungen zum Individualverkehr kommt.
     
  2. Für Lerchenfeld mit den Linien 622 und 623 empfehlen wir die Beibehaltung des zurzeit gültigen Fahrplans bis zum allgemeinen Fahrplanwechsel im Dezember. Die so gewonnene Zeit sollte genutzt werden, um die möglichen Folgen der Kombination neuer und verlängerter Fahrwege der Busse mit einem schlechteren Anschluss zu S-Bahnen und Regionalzügen genauer zu untersuchen.

Die Linie 634 nach Attaching kann unabhängig von den anderen Linien sowohl nach altem wie nach neuem Fahrplankonzept betrieben werden. Da uns die genauen Fahrpläne nicht vorlagen, können wir nicht sagen, welche Variante das bessere Angebot für die Fahrgäste bringt.

Ebenso ist es möglich, den bisherigen Fahrweg der Linien 622/623 in Lerchenfeld mit der neuen Linienführung im Altstadtbereich, wie sie für die Linie 622 vorgesehen ist, zu kombinieren. Die Auftrennung der bisherigen Haltestelle Isarstraße in Isarstraße (neue Position) und Murrstraße ist unseres Erachtens auch mit dem bestehenden Fahrplan möglich.


Als Elemente eines Denkmodells für eine gemäßigte Fortentwicklung des Lerchenfelder Liniennetzes möchten wir basierend auf dem Ist-Zustand zwei Anregungen einbringen:

  1. Umkehrung des Fahrwegs der jetzigen Linie 623. Dadurch entsteht in Abschnitten Kepserstraße (Linie 622) und Moosstraße (Linie 623) eine gegenläufige Führung. Die Fahrzeiten von Bahnhof und Altstadt zu den Wohngebieten zwischen den beiden Straßen werden verkürzt, während man von dort in Gegenrichtung die Linie 622 nutzen kann.
     
  2. Außerhalb der Hauptverkehrszeit könnte man bei Fahrten der Linie 623, die in die Altstadt führen, auf den Abstecher zum P+R-Platz verzichten. Hierzu sollte die Haltestelle Korbinianbrücke so verlegt oder ergänzt werden, dass sie auch von den Bussen angefahren werden kann, die nicht über P+R-Platz verkehren. Die Linie 623 bietet sich für diese Variante an, weil ihr Fahrweg durch Lerchenfeld (über Angerbrunnenstraße) um etwa fünf Minuten länger ist, als der Fahrweg der Linie 622, die daher immer über P+R-Platz verkehren kann.

Die beiden vorstehenden Anregungen wären unter sonstiger Beibehaltung des jetzigen Fahrplans auch schon zum 16.4.2011 umsetzbar.

Um das Freisinger Stadtbussystem auch mittel- und langfristig abzusichern, empfehlen wir der Stadt Freising sich politisch für eine Reform des Einnahmeausgleichs im Münchner Verkehrsverbund einzusetzen. Die im MVV als Gesellschafter vertretenen Landkreise sollten hierbei natürliche Verbündete sein, da die Problematik – in unterschiedlicher Ausprägung – auch viele durch die Landkreise finanzierte Buslinien trifft. Die weiter steigende Verkehrslast erzwingt einen Ausbau auch bei den Busnetzen. Da finanziellen Potenziale durch den Ausschreibungswettbewerb zum einen irgendwann erschöpft sind, zum anderen die dadurch induzierte Lohnentwicklung unerwünscht ist und auch Folgekosten im kommunalen Bereich erzeugt, wird eine Weiterentwicklung im Busbereich nur mit modernisierten Finanzierungsregeln gelingen.

 
Weiterer Ausblick

Mit der S8 berührt eine zweite S-Bahnlinie am Flughafen das Freisinger Stadtgebiet. Mittelfristig sollte geprüft werden, wie das Stadtbusnetz einen besseren Anschluss zu dieser Linie bekommen kann. Hierzu bietet sich sowohl die Führung einer Buslinie vom Flughafen durch Lerchenfeld an, als auch die Verlängerung der Linie 635 über ihren jetzigen Endpunkt am Bahnhof hinaus. Ein zweiter S-Bahn-Anschluss dient der Stabilität im Umsteigeverkehr, erschließt für Freising neue Gebiete rechts der Isar zwischen Hallbergmoos und München-Ost, und kann für die Wohn- und Gewerbegebiete im Stadtbereich die Verbindung zum Flughafen verbessern. Eine solche Option ist natürlich einer Nutzen-Kosten-Abwägung zu unterziehen, die PRO BAHN als auf ehrenamtlicher Arbeit basierender Verband nicht leisten kann.

Langfristig, nach Realisierung einer Schienenanbindung zwischen Freising und dem Flughafen, sollte die Buslinie zum Flughafen nicht komplett entfallen. Zur Erschließung des Briefpostzentrums und anderer Arbeitsplätze im Flughafenbereich wird weiterhin dem Busverkehr überlassen bleiben. Eine schnellbusartige Verbindung parallel zur Schiene ist dann jedoch nicht notwendig. Sinnvoll kann jedoch eine Linie vom Flughafen durch Lerchenfeld zum Bahnhof sein, die eventuell auch Attaching mit einbindet.