MVG-Leistungsprogramm 2021/22

Stellungnahme Fahrgastverband PRO BAHN, April 2021

Die nachfolgende Stellungnahme ist auch als pdf-Datei erhältlich.

Sondersituation Pandemie

Spätestens in der Laufzeit des hier angehörten Leistungsprogramms hoffen wohl wir alle, dass die Pandemiebekämpfung so erfolgreich ist, dass die Verkehrsnachfrage auch im ÖV wieder massiv anzieht. Eine genaue Vorhersage des Zeitpunkts ist nicht seriös möglich.

Wichtig ist: Wenn die Nachfrage anzieht, dann muss auch das Angebot sehr kurzfristig (ggf. sogar binnen weniger Tage) wieder hochgefahren werden. In ersten Phasen erwarten wir sogar, dass teils ein dichteres Angebot als vor der Pandemie nötig ist, da noch einige Zeit beispielsweise erhöhte Abstandsanforderungen bestehen könnten. Zudem werden auch sicherlich zurückgestellte private Fahrten nachgeholt, d.h. auch eine Verschiebung hin zu mehr Freizeitverkehr ist realistisch.

Dies hat zwei Konsequenzen:

Wir vermissen eine Anhörung von jetzt schon vorbereiteten Maßnahmen, die unverzüglich umgesetzt werden können, wenn die Nachfrage nach oben springt. Dazu gehören sicherlich die Rücknahme aller Verschlechterungen dieses Leistungsprogramms und während des letzten Jahres sowie die Umsetzung der fehlenden Maßnahmen aus dem letztjährigen Leistungsprogramm. Dies ist aber nach unserer Einschätzung nicht ausreichend. Der richtige Zeitpunkt für die Umsetzung wird aber sicherlich nicht einheitlich sein, sondern situationsabhängig.

Zudem ist die betriebliche Vorbereitung für die Angebotsausweitung nötig, d.h.: ausreichende Verfügbarkeit von Bussen, Trams und U-Bahnen, dazu auch entsprechende Betriebshof- und Werkstattkapazitäten, ausreichend Fahrpersonal etc. Dass dies nicht einfach ist, ist klar. Zur Grundversorgung Münchens gehört dies dennoch.

Dass die mangelnde (finanzielle) Unterstützung des Freistaats Bayerns sich negativ auswirkt (wie beispielsweise die heftigen Einschnitte in den Rettungsschirm 2020) ist auch uns bewusst. Dies zu adressieren ist aber Aufgabe der Münchner Politik, und darf nicht auf dem Rücken der Fahrgäste durch ein schlechteres Angebot ausgetragen werden. Ein erneuter (und auch adäquat ausgestatteter) Rettungsschirm ist zudem auch für 2021 und möglicherweise auch 2022 nötig.

Angebotsreduktion

Die vorgestellten Maßnahmen lehnen wir grundsätzlich ab. Das vom Stadtrat beschlossene Ziel ÖV30 (30 Prozent ÖV-Anteil bis 2030) fordert einen konsequenten Ausbau der Öffentlichen Verkehrsmittel. Dass die Aufrechterhaltung des guten ÖV-Angebots angesichts der Pandemie eine Kofinanzierung braucht, ist uns bewusst. Hierfür sind nach der Bund-Länder-Vereinbarung Bund und Land gemeinsam zuständig. Die massiven einseitigen Einschnitte in den Rettungsschirm durch das Land und die Unklarheit für 2022 können sicherlich die SWM/MVG nicht selbstständig ausgleichen. Hier ist die Stadt München gefordert.

Beide Koalitionsfraktionen im Stadtrat haben zur Vollversammlung im Januar per Dringlichkeitsantrag gefordert, das Angebot zu verdichten, um mehr Platz sicherzustellen. Dass nichtmal drei Monate später eine Angebotsverschlechterung geplant ist, um wenigstens die Finanzierung absolut dringender Maßnahmen in Freiham zu ermöglichen, steht dem diametral entgegen https://www.ris-muenchen.de/RII/RII/ris_vorlagen_dokumente.jsp?risid=6441518.
Die dringend nötigen Maßnahmen für Freiham zu finanzieren durch Verschlechterungen im übrigen Münchner Stadtgebiet lehnen wir entschieden ab.

Bevor es zu Angebotsreduktionen kommt, müssen zudem andere Einsparmaßnahmen umgesetzt werden. Beispiel Batteriebusse: Strategisch ist es ein durchaus sinnvolles Ziel, auf Batteriebusse zu setzen. Solange diese jedoch spürbare Mehrkosten gegenüber konventionellen Bussen aufweisen, und die Kassenlage dermaßen knapp ist, dass die Leistung reduziert wird, so sind Beschaffungen von Batteriebussen zurückzustellen und auf Zeiträume zu verschieben, zu denen die finanzielle Situation dies wieder erlaubt. Denn auch ein Dieselbus ersetzt bei einem durchschnittlichen Einsatzzyklus viele Autofahrten und trägt damit zur Abgasreduzierung bei. Künftige Einsatzkonzepte für Elektrobusse dürfen nicht dazu führen, dass Kapazität und Angebot verschlechtert werden.

Wir fordern, wenigstens bei allen Verschlechterungen wieder vorzubereiten, das heute bessere Angebot kurzfristig wieder zu ermöglichen, wenn die Nachfrage wieder anzieht. Die Infrastruktur, Fahrzeuge und auch Personalreserven müssen entsprechend geplant und vorgehalten werden.

Freiham

Die Notwendigkeit von kurzfristigen Maßnahmen in Freiham halten wir aufgrund des derzeit laufenden Zuzugs ebenso für gegeben und prioritär. Die vorgeschlagenen Maßnahmen halten wir im Grundsatz für zielführend und richtig.

Besonders begrüßenswert halten wir die Weiterführung von zwei Linien nach Westen Richtung Germering mit Ziel Germering Süd sowie über Germering und Eichenau nach Olching.

Die Linie 157 benötigt in Aubing einen kurzen Umsteigeweg zur S-Bahn. Dies ist nur über die Georg-Böhmer-Straße und weiter über den Germeringer Weg / Aubinger Allee mit einer Haltestelle Höhe Giglweg möglich. Die Pretzfelder Straße bedeutet einen langen Fußweg (mehr als 200 Meter) und senkt damit die Attraktivität erheblich. Wir schlagen daher vor, die Linie über den von uns genannten Weg fahren zu lassen. Aufgrund der klaren Beschlusslage der Stadt zu Bedeutung und Vorrang des Umweltverbunds ist die Priorisierung einer attraktiven Buslinie eindeutig.

Unabhängig davon besteht die Möglichkeit, die Linien 143 und 157 im Bereich Aubing-Ost-Straße / Altostraße zu tauschen. Zusammen mit der Führung zur S-Bahn Aubing wird damit eine neue direkte Anbindung an die S4 für die Fahrgäste aus Richtung Aubing Ortskern sowie der Bergsonstraße geschaffen. Wir bitten daher, Vor- und Nachteile dieses Tausches zu prüfen.

Am S-Bahnhof Freiham ist die Linie, die von Freiham Richtung Germering weitergeführt wird (im MVG-Vorschlag 157), direkt von der Aubinger Allee auf der Ostseite des Bildungscampus entlang zum Busbahnhof Freiham zu führen (siehe Bebauungsplan 2068, noch nicht realisiert). Damit wird die Fahrzeit zwischen dem Wohngebiet in Freiham und Germering erheblich verkürzt, und die Verbindung attraktiver. Potentiell kann auch im Bereich der S-Bahn Freiham ein (ggf. weiterer) Linientausch der Linie 143 und 157 erfolgen. Auch für diesen Linientausch wäre eine Prüfung der Vor- und Nachteile sinnvoll.

Am Freihamer S-Bahnhof benötigen wir für die in der Anhörung vorgestellten Maßnahmen endlich den Busbahnhof, wie er im Bebauungsplan vorgesehen ist. Die Realisierung wird die langen Fußwege zur S-Bahn erheblich verkürzen. Dies würde auch die Erreichbarkeit und damit Attraktivität des Interim-Supermarkts verbessern.

Der Expressbus X5 Freiham - Westendstraße ist überfällig, und sollte daher vorgezogen werden. Die Haltestellen sollten auf BRT-Standard sein, d.h. unter anderem: durchgängiger Wetterschutz beim Ein- und Ausstieg in den Bus. Der Bus benötigt einen eigenen, vom Autoverkehr nicht negativ beeinflussten Fahrweg, sprich: eine Busspur. Auf der Autobahn bietet sich die Nutzung des Standstreifens hierfür an. Nur so kann ein attraktives Angebot bis zur Realisierung der Schienenanbindung Richtung Pasing sichergestellt werden.

sonstige Maßnahmen / Ausblick

Die Aufsplitterung des Busbahnhofs Pasing sehen wir negativ. Auch wenn kurzfristig vermutlich ohne realistische Alternative, so sollten im weiteren Planungsverlauf beispielsweise beim Projekt U-Bahn Pasing auf großzügig dimensionierte Haltestellen für den Oberflächenverkehr geachtet werden. Auch an anderen Stellen in München sollte aus diesem Fehler gelernt werden, und die Haltestellenanlagen künftig mit ausreichend Reserven dimensioniert werden.

Bei der Umgestaltung von Verkehrsknoten (auch in Pasing beim Bau der U-Bahn) muss deutlich stärker noch nach dem Prinzip 'form follows function' gehandelt werden. Das Umsetzen abstrakter Konzepte, die im Modell schön aussehen, aber wie heute in Pasing die Verkehrsabwicklung behindern, kostet am Ende das doppelte Geld, und wirft uns bei der Verkehrswende unnötig zurück. Die MVG muss an solchen Stellen ihre Interessen als Verkehrsbetreiber stärker einbringen.

Wir vermissen Ausführungen zu neuen Busspuren. Laut Koalitionsvertrag sind Busspuren beschleunigt auszubauen. Unabhängig von dieser Festlegung sind Busspuren die (fast) einzige Möglichkeit, wie ohne große Kosten Verbesserungen bei den Fahrgästen schnell und einfach ankommen können. Umso mehr wundert uns daher, dass von dieser Möglichkeit so wenig Gebrauch gemacht wird.

Bezüglich der Maßnahmen im Ausblick bitten wir um rechtzeitige Einbindung / Anhörung, soweit dies nicht ohnehin im Rahmen des nächsten Leistungsprogramms erfolgt.