UNESCO Weltkulturerbe

Nach Köln und Berlin hat jetzt auch die bayerische Landeshauptstadt ein "Objekt von einzigartigem künstlerischen Wert", das in die UNESCO-Liste der Weltkulturerbes aufgenommen wurde. Die Wahl fiel auf die Rolltreppe im Starnberger Flügelbahnhof, die vom S-Bahn-Zwischengeschoss an den Fuß der Treppe zum oberirdischen Bahnhofsteil führt. In einer ersten Stellungnahme zeigten sich Politiker aller Parteien sowie Vertreter der Kirchen tief beeindruckt.

Die Laudatio sprach am Mittwoch Nachmittag (Ortszeit) der Chef des UNO-Kulturausschusses, der Brite Sir Benjamin Stairley, vor tausend geladenen Gästen in der New Yorker Metropolitan Opera. Die Fernseh-Liveübertragung wurde in 172 Staaten übertragen und von schätzungsweise zwei Milliarden Menschen verfolgt.

Es sei, begann Stairley, einer der bedeutendsten Momente seiner fast 50jährigen Karriere. "Diese Rolltreppe ist nicht nur Sinnbild des ewigen menschliche Aufwärts-Strebens, sie verkörpert auch die heute oft in Vergessenheit geratenen Tugenden der Zuverlässigkeit, der Bescheidenheit und des Dienens am Mitmenschen. Dieser Attitüde ist die Technik Werkzeug: Der perfekte Gleichklang der unzähligen Trittstufen muß zweifellos als die Krönung abendländischer Ingenieurskunst betrachtet werden. Hier wurde bewiesen, dass technische Raffinesse und ästhetischer Genuß vereinbar sind: Seit Leonardo da Vinci hat es keine so vollendete Harmonie zwischen Gummilaufband und Metallstufen mehr gegeben. Dem Schöpfer dieser Rolltreppe ist es darüber hinaus gelungen, in dem Verhältnis von Rillenabstand und Höhe der Stufen das Vorbild der ägyptischen Pyramiden auf die heutige Zeit zu übertragen und so eine Klammer der Menschheitsgeschichte über mehr als 3 Jahrtausende unter dem Starnberger Flügelbahnhof zu manifestieren." Die Deutsche Bahn AG habe dem durch die Anbringung des Barcodes mit der Nummer 6001 1266 000, einer mittelalterlichen Metapher für Ewigkeit, in würdiger Weise Rechnung getragen.

Sir Benjamin Stairley: "Verhältnis von Rillenabstand und Höhe der Stufen den ägyptischen Pyramiden nachempfunden"

Als künstlerisch genial sei zu bewerten, so Sir Stairley im Namen der Jury weiter, dass sich die Höhe der Stufen am Anfang und Ende der Rolltreppe in des Wortes wahrster Bedeutung stufenlos verringert, was zudem in der täglichen Anwendung erhebliche Vorteile biete. Bei keiner weiteren Rolltreppe sei dieses in so vollendeter Weise gelungen. Sir Stairley abschließend: "Wir dürfen auch zur Kenntnis nehmen, dass die Kurven an beiden Enden der Rolltreppe eine durchaus erotische Ausstrahlung haben - nicht obszön, wie in der heutigen Zeit leider nicht unüblich, sondern dezent und geschmackvoll." Das sollte für die verderbte Jugend des Internet-Zeitalters Signalwirkung haben.

Sir Benjamin Stairley: "Kurven: erotisch, aber nicht obszön"

Sichtlich gerührt zeigte sich auch Matthias Wiegner, Vorsitzender des Fahrgastverbands PRO BAHN in Bayern. Wiegner wörtlich: "Das ist auch meine Lieblingsrolltreppe." Aus Fahrgastsicht sei die Wahl "uneingeschränkt" zu begrüßen und erfülle hunderttausende von Fahrgästen, die diese Rolltreppe bereits benutzt hätten, mit Stolz.

Zur Feier der Verleihung des Prädikats "UNESCO Weltkulturerbe" wird die Rolltreppe am 1. April ganztägig kostenlos zu benutzen sein. Die Anbringung der UNESCO-Plakette ist für den späten Vormittag vorgesehen.

M. Wiegner, 1. April 2005