DB 1988: Kein Kreuzzug gegen heiße Luft!

Erinnern Sie sich noch an den bahnbrechenden Artikel von Göbertshahn und Häfele, der 1988 in der hauseigenen Zeitschrift "Die Bundesbahn" (Seite 689) erschienen ist. Vielleicht sollte er den heutigen Bahnmanagern, die von Verlagerung von Schienenverkehr auf die Straße träumen, mal wieder ins Gedächtnis zurückgerufen werden!
Wir zitieren aus dem damaligen Artikel:

An dieser Stelle ist es geboten, mit dem weitverbreiteten Vorurteil aufzuräumen, "starke, kontinuierliche Verkehrsströme" seien unumgängliche Bedingungen für einen Taktfahrplan. Dieses Argument ist aufgrund der völlig unterschiedlichen Kosten- und Erlösstruktur in Hauptverkehrszeit (HVZ) und Schwachverkehrszeit (SVZ) nicht haltbar.

So betragen die Kosten zusätzlicher Leistungen in der SVZ zum Beispiel beim VT 628 nur etwa ein Viertel der Kosten von Spitzenleistungen in der HVZ. Demgegenüber sind die spezifischen Einnahmen in der SVZ etwa doppelt so hoch wie in der HVZ. Dies führt dazu, daß zum Beispiel ein VT 628 mit einer Besetzung von etwa 15 Fahrgästen am Wochenende wirtschaftlich einem vollbesetzten Zug zur HVZ gleichwertig ist. Dies bedeutet auch, daß eine Steuerung über den zuggattungspezifischen Mittelwert "Reisendenkilometer/Zugkilometer" unsinnig ist, da sie zum Beispiel Rückgänge im Schülerverkehr paradoxerweise mit dem Ausstieg aus dem Markt des Gelegenheitsverkehrs beantworten würde - unter Verzicht auf positive Deckungsbeiträge.

Diese Deckungsbeiträge zu maximieren muß das Ziel der DB sein -und nicht etwa ein Kreuzzug gegen die Beförderung sogenannter "warmer Luft". Insofern ist es wirtschaftlich durchaus sinnvoll , außerhalb der HVZ auch Züge mit einer Besetzung deutlich unterhalb der Kapazitätsgrenze des Busses zu fahren und somit über den ganzen Tag ein vertaktetes Grund angebot auf der Schiene bereitzustellen; demgegenüber verschlechtert sich die Wirtschaftlichkeit des DB-Schienenverkehrs, wenn nur die (relativ teure) Spitzenleistung auf der Schiene gefahren und die Grundlast dem Bus überlassen wird.

Daher ist gerade außerhalb der HVZ die Rückverlagerung von Busleistungen auf die Schiene und die Beseitigung von Bus-Parallelverkehren in vielen Fällen ernsthaft in Betracht zu ziehen - auch gegebenenfalls durch Brechen bislang durchgehender Buslinien, wobei das dann erforderliche Umsteigen zwischen Bus und Schiene durch optimale Anschlußabstimmungen in den Verknüpfungspunkten marktverträglich zu gestalten ist. Der Kunde wird im Übrigen den gebrochenen Verkehr Bus/Schiene wegen der deutlich günstigeren Fahrzeiten gegenüber derdurchgehenden Busbeförderung - gute Anschlüsse vorausgesetzt- in den meisten Fällen als merkliche Verbesserung empfinden.

In der HVZ kann es dagegen bisweilen sinnvoll sein, Buslinien über Verknüpfungspunkte hinaus schienenparallel durchzubinden, um nicht durch Lastspitzen auf kurzen Schienenabschnitten den Einsatz wirtschaflicher Fahrzeuge, Triebwagen) zu erschweren.

"Zugkilometer" sind weniger eine zur Steuerung des Aufwands geeignete Größe als vielmehr primär eine bedeutsame Größe zur Beschreibung der Angebotsqualität.

Angebot aber ist Kundennutzen, und zwar nicht erst durch seine immerwährende starke Inanspruchnahme, sondern bereits durch seine optionale Verfügbarkeit. Schließlich ist - neben der Reisegeschwindigkeit - die Bedienungshäufigkeit wichtigstes Kriterium für die Verkehrsmittelwahl.

Es kann also nicht das Ziel sein, Angebotsverbesserungen zu verhindern, sondern sie zu realisieren unter der für das Erzielen positiver Deckungsbeiträge zwingenden Vorgabe, daß kein Fahrzeugmehrbedarfentstehen darf die in diesem Sinne optimale Ressourcen kombination bedingt allerdings auch eine selektive Personalstrategie: Im Rahmen der insgesamt erforderlichen Absenkung des Personalbestands der DB kann eine gewisse Mehrung der Triebfahrzeugführer im SPNV sinnvoll sein, um nicht auf positive Deckungsbeiträge verzichten zu müssen.