Wiesbadener Stadtbahn-Blues

Rezension

Das Hauptthema der so eben erschienenen Ausgabe der Zeitschrift "Schiene" widmet sich der Analyse des Stadtbahn-Desasters in Wiesbaden. Während in Karlsruhe, Saarbrücken oder Kassel, in vielen Städten weltweit die Vorteile eines Stadtbahnsystems erkannt und angewendet werden, wurden die Pläne in der hessischen Landeshauptstadt bekanntlich nach der letzten Kommunalwahl beerdigt.

Joachim Seyferth beleuchtet in seinem Aufsatz detailiert, wie es trotz der anfänglichen Stadtbahn-Euphorie zum Scheitern des Projektes kam. Er handelt von "Schlachten" in den Leserbriefspalten, vom Taktieren der Parteien und vom Schüren von Ängsten durch Fehlinformationen. So prognostizierte die F.D.P. unter anderem die Verschandelung des Stadtbildes durch Oberleitungen [solche "Argumente" kennt man auch in München] oder extrapolierte die Kosten ins Uferlose. Folglich widmet sich Seyferth ausführlich der Rolle der Parteien.

Das Beispiel Wiesbadens zeigt auch, wie wichtig es ist, die künftigen Fahrgäste über das zu informieren, was sie wirklich interessiert: kommt man bequem mit dem Kinderwagen in die Stadtbahn, wie oft fährt sie, welchen Fahrkomfort bietet sie, welches Platzangebot hat sie. Die Höhe des Nutzen-Kosten-Faktors oder die Wirtschaftlichkeitsberechnungen verschiedener Trassenvarianten sind dagegen kaum geeignet, Stadtbahnbegeisterung zu wecken. Insofern ist Seyferths Analyse auch auf andere Städte übertragbar.

Ein schonungsloser und engagierter Aufsatz, sehr lesenswert.

FDP Wahlplakat im Kommunalwahlkampf 2001; Original-Foto: J. Seyferth

"Wiesbadener Stadtbahn Blues" in Schiene, Heft 4/2001
außerdem: "Im Zug zum Flug?", "Schiene-Galerie", Streckenmeldungen und vieles mehr.

zu beziehen bei:
Joachim Seyferth Verlag, Anne-Frank-Straße 23, 65197 Wiesbaden

Hinweis: im Sommer 2008 wurde die Herausgabe der Zeitschrift nach 154 Ausgaben eingestellt.

Matthias Wiegner, PRO BAHN Bayern