Positionen

SCHIENEN, SCHROTT und SCHABERNACK
oder 12 Jahre im Netzausbau der DB

Seit Ende der Achtziger Jahre ist bei der DB AG viel geplant und gebaut worden. Eigentlich eine erfreuliche Entwicklung. Bei kritischem Hinsehen entpuppen sich nahezu alle Maßnahmen als Halbherzigkeiten, Kapazitätsminderungsmaßnahmen oder als Individualismen (zu Teil auf Druck von Politikern) ohne Netzzusammenhang.

  1. VDE Projekt Nr. 1 HH/HL - Rostock - Stralsund
    Ziel : durchgehend zweigleisiger Ausbau für 160 km/h. Die parallel neu(!) gebaute Autobahn A20 ist bis Rostock schon fast fertig während der Ausbau (kein Neubau) der Schiene nördlich von Schwerin stockt. Zwischen Lübeck und Bad Kleinen wird nicht elektrifiziert, die Strecke bleibt eingleisig. Zwischen Ribnitz-Damgarten und Stralsund wurde die Strecke zwar modernisiert, aber nur eingleisig; zwischen Rostock- Kassebohm und Ribitz ist noch nichts passiert. Der Niedergang dieser Strecke ist vorprogrammiert, wenn die A20 vollständig fertig gestellt ist.

  2. VDE Projekt Nr. 2 HH -Berlin
    Durch die Transrapid - Planungen wurde die Strecke nur für 160 km/h ausgebaut, jetzt startet der 2. Ausbau innerhalb von 10 Jahren (Ziel Tempo 230 km/h). Auf dem in der Streckenmitte gelegenen Bahnhof Wittenberge begann der Ausbau erst Ende 2000 (11 Jahre nach der Wende), bis dahin galt hier Tempo 30.Der Bahnsteig in Neustadt(Dosse) für Regionalzüge nach Rathenow und Neuruppin wurde nicht in den Umbau einbezogen, so daß die Fahrgäste nun weite Wege zu gehen haben und dort im Regen auf ihren Zug warten dürfen.

  3. VDE Projekt Nr. 4 Hannover - Berlin
    Trotz hoher Investitionen wurden hier Flaschenhälse, Engpässe und Zwangspunkte eingebaut, so daß nur eine beschränkte Anzahl von Zügen hier verkehren kann. So wurde der Abschnitt Lehrte-Fallersleben (bei Wolfsburg) zweigleisig belassen, so daß die Regionalzüge jetzt in Gifhorn von den ICE überholt werden müssen und damit 7 Minuten Fahrzeit verlieren. Im Bahnhof Rathenow wurde der (Fern-)- Personenbahnsteig so angelegt, daß Züge der Relation Berlin - Hannover zweimal das Gegengleis kreuzen müssen, was die freie Fahrplangestaltung einschränkte und jetzt zur Streichung des IR-Haltes in Rathenow führt (Sommer 2001). Die Abwicklung von Hochgeschwindigkeitsverkehr und Regionalverkehr auf den gleichen Gleisen in diesem Abschnitt bedingt bei den ICE einen Fahrzeitzuschlag von 8 Minuten. Außerdem wurde der Regionalbahnsteig gleich erst gar nicht renoviert. Dort können Fahrgäste auf einer alten Bankl im Regen warten.

  4. Verbindung NBS Hannover -Fulda mit NBS Wolfsburg - Berlin
    Die Ausfädelung aus der Nord-Südstrecke, die vor der Wende für eine 2stündliche Bedienung von Braunschweig geplant wurde, ist niveaugleich gebaut worden (d.h. in Richtung Süden kreuzt der Berliner ICE das Süd-Nord-Gleis). Die anschließende Strecke bis Hildesheim und weiter in Richtung Braunschweig bis Großgleidingen eingleisig, ebenso die neugebaute Verbindung von Weddel nach Fallersleben zur Berliner Strecke. Hier sind auf nicht einmal 100 km gleich 3 Zwangspunkte eingebaut worden, die den IC/ICE-Fahrplan in der ganzen Republik mit bestimmen. Bei Bedarf ist das Fahren zusätzlicher Züge Süddeutschland - Kassel - Berlin wegen fehlender Fahrplantrassen nicht möglich und führt an Wochenenden regelmäßig zu überfüllten Zügen.

  5. Sanierung des Bahndamms zwischen Münster und Lünen (HH-Köln)
    Bei der Sanierung des Bahndamms hat die DB die Strecke in dem eingleisi-gen Zustand belassen, obwohl der Bahndamm in seiner ursprünglichen Form zweigleisig angelegt war. Damit wurde ein weiterer Zwangspunkt im Fernnetz der DB zementiert. Zusatzzüge an Fr/So müssen daher meist den Umweg über Hamm nehmen, Nahverkehrszüge haben zusätzliche Kreuzugsaufenthalte.

  6. Schlampige Sanierung Sande - Esens
    Die eingleisige Zweigstrecke sollte von DB Netz von Mitte 1998 bis 1999 saniert und auf Tempo 80 ausgebaut werden. Während der Bauzeit wurde ein Schienener-satzverkehr mit Bussen eingerichtet. In den ersten Monaten fuhren zwar die Busse, gebaut wurde aber an der Schienenstrecke nicht. Nach rund 12 Monaten (mit ca. 1/2 Jahr Verspätung) gab es dann eine Einweihung. Der Betrieb währte 5 Tage bis zur Stillegung durch das EBA wegen erheblicher Mängel in der Bauausführung. Es gab erneuten Schienenersatzverkehr für 5 Monate, die endgültige Inbetriebnahme erfolgte mit fast einem Jahr Verspätung im März 2000. Nach der Sanierung sind die Züge zwar schneller (36 statt 46 Minuten). Im Falle einer Verspätung der Schiffe von Langeoog oder Baltrum kann der Zug in Esens max. 10 Minuten warten, da sonst der gesamt Fahrplan aus den Fugen gerät. Es gibt nur eine Kreuzungsmöglichkeit (Schortens-Heidmühle), auf dieser Strecke, alle weiteren wurden entfernt.

  7. Bahnsteige zu kurz / Bahnsteige falsch gebaut
    Die Strecke Rostock - Tessin wurde vor wenigen Jahren für den SPNV im Großraum Rostock saniert. Die neuen Bahnsteige sind jetzt so kurz, daß zu Spitzenzeiten dort keine bedarfsgerechten längeren Züge halten können. Für den Bedarf wären 2 Triebwagen (in Doppeltraktion) erforderlich, die Bahnsteiglänge läßt nur 1 Triebwagen zu. Man behilft sich mit einem Doppelstockzug, bestehend aus 2 Wagen (und reichlich Stehplätzen). Ebenso wurde die Strecke Mindelheim-Krumbach in Bayrisch Schwaben aufwendig saniert und neue Bahnsteige gebaut. Diese mussten dann gleich wieder abgerissen werden, da das EBA sie bemängelte: sie waren zu schmal.

  8. Sachsenmagistrale: Milliarden für alte enge Kurven
    (Berlin-) Leipzig/Dresden - Hof-München: Investitionen in Milliardenhöhe. Die Lücke im Fahrdraht zwischen Plauen und Regensburg bleibt, die engen Kurvenradien (Geschwindigkeitsreduzuerung) auch. Mit dem Neigetechnik ICE zwischen Nürnberg und Dresden kann zwar eine Fahrzeitverkürzung von 45 Minuten herausgefahren, die Durchschnittsgeschwindigkeit bleibt mit 96 km/h aber unter ICE - Niveau.

  9. Mitte-Deutschland-Bahn
    Hier gibt es einige wenige renovierte Abschnitte. Auch hier blieben die alten Kurvenradien und z.T. auch die Eingleisigkeit unveränert. Ein selbst vor der Wende zweigleisiger Abschnitt kann nur noch eingleisig befahren werden. Für die nahe Autobahn (inzwischen 6spurig ausgebaut) ist das keine Konkurrenz. Der Bahnverkehr plätschert wie immer vor sich her - und das obwohl hier hunderte Millionen verbaut wurden.

  10. Riedbahn Frankfurt(M) - Mannheim
    Der teilweise Ausbau auf 200 km/h bedeutete Kosten in Millionenhöhe und brachte zwei Minuten Fahrzeitgewinn und Kapazitätseinschränkungen im Nahverkehr (da die Geschwindigkeitsschere zwischen ICE und RE/RB deutlich größer wurde. Eine weitere Kapazitätseinschränkung ist die zweifache niveaugleiche Ein-/Ausfädellung von und zum Frankfurter Flughafen.

  11. Fulda - Frankfurt
    Gebaut wurde zwar die Neubaustrecke Fulda - Würzburg, auf der nur 1 ICE-Zugpaar pro Stunde verkehrt. Der viel stärker belastete Abschnitt Fulda - Frankfurt wurde gerade mal im ca. 16 km langen Abschnitt zwischen Gelnhausen und Hanau auf bis zu 200 km/h und 3 Gleise ausgebaut, wobei sogar noch ein Bahnübergang bei Niedermittlau nicht beseitigt wurde, so dass dort auf 160 km/h abgebremst werden muß. Auf den restlichen 60 km machen sich Nah- und Fernverkehr gegenseitig das Leben schwer.

  12. Knoten Frankfurt
    Warten auf einen unterirdischen Durchgangsbahnhof Frankfurt 21 verführte zum Nichtstun. Nur 4 ausreichend lange Bahnsteigkanten für ICE-Züge, alle Verzweigungen niveaugleich - Frankfurt Hbf ist heute schon ein Engpass, Zusätzliche ICE-Züge können den Hauptbahnhof nur über Umwege verlassen (ICE nach Bremen über Niederrader-Brücke) oder nur in Frankfurt-Süd halten (Verstärker - ICE). Wenn zusätzliche Züge der NBS Köln - Frankfurt hier ankommen wird es noch enger.

  13. Knoten Köln ab 2002 (NBS Frankfurt - Köln)
    Mit 7 Mrd. DM soll die Fahrzeit um 75 min gekürzt und damit mehr als halbiert werden. Köln Hbf erreichen dann einige Züge nur mit dem 10 minütigen(!) Umweg über die Südbrücke oder gar nicht (Ersatzhalt: Köln-Deutz(tief)).

  14. Flughafenfernbahnhof Düsseldorf
    Die Konstruktion (nur 1 Bahnsteigkante je Richtung) ist ein Flaschenhals auf der 200 km/h-Strecke Düsseldorf-Duisburg. Fahrplantechnisch können dort nur wenige Züge halten, die ICE-Züge müssen sogar die S-Bahn-Gleise benutzen und sind dadurch sehr viel langsamer (s.a. Andersen ERI 03/01)

Karl-Peter Naumann; im Mai 2001 [Ergänzung zu Frankfurt-Fulda nach Hinweis von C. Behrendt]