Positionen

Netz und Betrieb im System Bahn

Das heutige Bahn-Netz ist in seinem Bestand gefährdet. Unterhalt und Ausbau entsprechen nicht den verkehrlichen Notwendigkeiten. Im Jahr 2001 sind mehr als 400 km als betriebsunsicher stillgelegt. Ca. 2000 Langsamfahrstellen bremsen das Tempo der Züge und gefährenden die Einhaltung der Fahrpläne.

Eine Trennung von Netz und Betrieb bedeutet nicht automatisch eine Trennung zwischen Schiene und Fahrzeug. Der Staat muss seine Verantwortung durch Eigentum an Grund und Boden wahrnehmen. Im Falle der 400 km illegal stillgelegten Strecken erwies sich die staatliche Aufsicht allein als schwerfällig und wirkungslos. Wenn der Staat Eigentümer von Grund und Boden ist, kann die Bewirtschaftung der Schienenstrecken in vielfältiger Form sachgerecht und effizient gestaltet werden.

Hier zeigt die Regionalisierung des Nahverkehrs auf der Schiene (SPNV), dass durch Verantwortung vor Ort und zusammmen mit den auf Jahre berechenbaren Geldern (Regionalisierungsmittel) eine bedarfsgerechte Infrastruktur und ein attraktives Angebot geschaffen werden kann. Die Wiederinbetriebnahme von bereits stillgelegten Strecken beweist dieses eindrucksvoll.

Es gibt eine staatliche Verantwortung für die Infrastruktur

Die Verkehrsinfrastruktur der Schiene ist in der Vergangenheit nie nach rein betriebswirtschaftlichen Vorgaben entstanden und daher nicht nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben zu bewerten. Die regionale Wirtschaftsentwicklung und -förderung hängt entscheidend von einer guten Verkehrsinfrastruktur ab, sowohl bei der Schiene als auch bei der Straße. Ebenso spielen ökologische und volkswirtschaftliche Kriterien eine große Rolle. Die gesamte Verkehrsinfrastruktur muss als zusammenhängendes Netzwerk mit Haupt- und Nebenachsen betrachtet und optimiert werden. Dieses ist nur aus einer übergeordneten Sicht möglich, nicht aber aus individueller.

Der Staat hat ohnehin die Verantwortung für die Schieneninfrastruktur in Art. 87e Grundgesetz und für den Schienenpersonennahverkehr in §4 des Regionalisierungsgesetzes geregelt. Diese staatliche Verantwortung kann nicht wahrgenommen werden, wenn die Eigentümer der Schienenwege privatrechtliche Firmen sind, die faktisch Monopole darstellen, die im Streitfall erst enteignet werden müssten, um Gemeinwohlinteressen durchzusetzen. Eine langfristige und dauerhaft geordnete Finanzverantwortung (Bsp.: Regionalisierungsmittel) sind ein essentieller Bestandteil dieser Verantwortung.

Grund und Boden gehören in staatliche Hand

Kann die viel diskutierte Trennung von Netz und Betrieb eine zukunftsträchtige Schieneninfrastruktur gewährleisten? Aus Sicht von PRO BAHN haben sowohl die Befürworter recht, die sich um den Wettbewerb sorgen, als auch die Gegner, die im System Rad/Schiene eine Einheit sehen, dessen technologische Weiterentwicklung gehemmt werden könnte. Diskutiert wird nämlich über die falsche Schnittstelle: Die liegt nicht am Radaufstandspunkt, sondern unterhalb der Schwellen, soll heißen: Grund und Boden der Verkehrswege gehört in die öffentliche Hand und nicht in eine private Aktiengesellschaft.

Die Entscheidung, wer die Verkehrswege bewirtschaftet, kann dann unterschiedlich ausfallen: Auf regionalen Strecken kann es das Verkehrsunternehmen selbst sein, auf Hauptstrecken ein unabhängiges Unternehmen oder der Hauptbetreiber. Sichergestellt werden muss aber, dass Trassenentgelte dort investiert werden, wo sie verdient werden und nicht in Großprojekte verschoben werden. Zur Wahrung der Chancengleichheit der Bevölkerung in den einzelnen Räumen muss der Staat topo-grafisch oder städtebaulich bedingte Kunstbauten (Brücken, Tunnel,..) finanzieren. Verkehrswege sind Daseinsvorsorge und gehören nicht in die Hand privater Interessen. Der technische Ausbau der Schiene (Oberbau: Schotter, Schiene und Oberleitung) kann durch Ausschreibung vergeben werden, wodurch Kostenein-sparungen möglich werden.

Im System Schiene sind einheitliche technische Standards unumgänglich

Anders als bei der Strasse müssen beim System Schiene Züge, Gleise, Bahnsteige, Signale und ggf. auch die Oberleitung genau zu einander passen. Eine strenge Normung ist hier für einen reibungslosen Betrieb erforderlich. Es darf nicht vorkommen, dass der Zug wegen unpassender Bahnsteige am Bahnhof nicht halten kann, oder dass die Züge auf einer Strecke nicht miteinander kuppelbar sind. Ebenso sind Signale und Zugsicherungssysteme so zu standardisieren, dass sie nicht zu Zugangshemmnissen werden.

In regionalen Netzen und bei NE-Bahnen bringt eine Einheit von Netz und Betrieb erhebliche Synergiegewinne

In der Region gibt es i.d.R. nur einen Betreiber des Schienenverkehrs, der durch Ausschreibung ermittelt wird. Er kann sein Netz den regionalen Erfordernissen in Abstimmung mit dem Aufgabenträger optimal anpassen. Es muss allerdings gewährleistet sein, dass im Bedarfsfall ein "fremder" Güter- oder Personenzug diese Strecke befahren kann und darf.

Einige NE-Bahnen wie auch die DB-Tochter Usedomer Bäderbahn sind hervorragende Beispiele hierfür.

Auf dem restlichen Netz muss es ein geregeltes Nebeneinander verschiedener Bahnen geben können

Auf den Hauptachsen gibt es verschiedenste Verkehrsbedürfnisse und -beziehungen. Auf der Schiene muss es das oberste Ziel sein, diese Bedürfnisse zu befriedigen. Dieses bedingt schon alleine ein Nebeneinander von verschiedenen Zuggattungen, die diskrimminierungsfrei zu fairen Bedingungen auf die Strecke müssen. Die Entscheidung hierüber kann nicht von einem Schienenverkehrsunternehmen alleine gefällt werden. Eine neutrale Instanz ist hier erforderlich, die nach festgelegten Regeln über den Zugang entscheidet, wobei die Züge des Integralen-Takt-Systems Vorrang genießen müssen.

Im Personenverkehr muss die Einheitlichkeit von Tarif und Fahrplan gewährleistet sein

Eine Bahnfahrt besteht nur selten aus einer einzelnen Zugfahrt, sie ist i.d.R. ein Netzwerk von verschiedenen Zügen (und Bussen). Sie ist für den Kunden nur dann attraktiv, wenn sie von vornherein planbar ist: Der Kunde muss den Fahrplan kennen. Ist es erforderlich für jeden Zug einen unterschiedlichen Fahrschein - vielleicht auch zu unterschiedlichen Bedingungen - zu lösen, wird er schnell an sein Auto denken, wo er mit einem Führerschein und einer Sorte Benzin zum Ziel fährt.

Konkurrenz auf der Schiene und mit anderen Verkehrsträgern

Der Fahrgastverband PRO BAHN befürwortet ein Nebeneinander verschiedener Unternehmen im Markt des Schienenverkehrs. Spezialisierung und Konkurrenz schaffen für die (verschiedenen) Kunden ein passendes und gutes Angebot.

Es darf dabei aber nicht vergessen werden, dass auch die Wettbewerbsbedingungen zu anderen Verkehrsträgern (Straße, Wasser, Luft) für den Erfolg des Systems Schiene mit verantwortlich sind. Hier sehen wir einen vordringlichen Hand-lungsbedarf, es sei an folgende Punkte erinnert:

  • Die Mannheimer Akte gewährt der Binnenschifffahrt Wegekostenfreiheit auf dem Rhein, während die Bahnen ihre Trassenpreise zu zahlen haben.

  • Weder Binnenschiff noch Flugzeug zahlen Mineralöl- und Ökosteuer, die Bahnen aber muss diese zahlen.

  • LKW und PKW bezahlen ihre Wegekostenanteile über die Mineralölsteuer, während sie bei den Bahnen zusätzlich zu den Trassenpreisen erhoben wird.

  • Soziale und externe Kosten finden bisher keine Berücksichtigung, die beim System Bahn deutlich geringer sind als bei den konkurrienden System.

  • Im Internationalen Verkehr sind Flugtickets von der Mehrwertsteuer befreit, Bahntickets nicht.

Ohne zweite Bahnreform und ohne Angleichung der Rahmenbedingungen im intermodalen Wettbewerbs hat das System Bahn kaum eine Chance in unseren Märkten

Karl-Peter Naumann; im April 2001; redaktionelle Änderungen: 8. Mai 2001