Positionen

Stellungnahme zu Angebotskürzungen beim Schienenangebot

Zur Diskussion um Angebotskürzungen beim Schienenangebot gab es folgenden Schriftwechsel zwischen K.-P. Naumann (Vorsitzender von PRO BAHN) und H. Mehdorn (Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Bahn AG)

Schreiben an Hartmut Mehdorn vom 26. Januar 2000

Angebotskürzungen im Schienenverkehr

Sehr geehrter Herr Mehdorn!

Der Fahrgastverband PRO BAHN begrüßt Ihre Initiativen, die Leistungsfähigkeit Ihres Unternehmens durch rationellere Produktionsweisen zu erhöhen und dadurch mehr Verkehr auf die Schiene zu holen.

Dieses kann sicher auch bedeuten, das eine oder andere Angebot zu streichen oder stark zu verändern. In diesem Sinne halten wir es auch für möglich, wenig nachgefragte Zugleistungen durch das Angebot einer Busfahrt zu ersetzen.

Allerdings wird diese Angebotsform nur in sehr wenigen Einzelfällen zu einer wirklichen Verbesserung des Betriebsergebnisses der DB AG führen, nämlich dann wenn der Fahrgast davon profitiert. Solche Vorteile können sich im Einzelfall an Stichstrecken durch die Weiterfahrt der Busse in bestehende Stadtbusnetze und durch die Integration in das Angebot örtlicher Aufgabenträger ergeben.

In der Regel ist der Ersatz von Zügen durch Busse jedoch für den Fahrgast mit erheblichen Nachteilen verbunden:

  • nicht oder nicht als vollwertig wahr.
  • Anschlussreisende aus dem Fernverkehr müssen sich auf ungewohnte und z.T. unbekannte Abfahrtsstellen einrichten.
  • Die Anschlusssicherung - gerade bei Spätfahrten besonders wichtig - funktioniert erfahrungsgemäß bei Busfahrten nicht.
  • Parallel zu zeitgemäß rationalisierten und instandgesetzten Bahnlinien sind die Fahrzeiten der Busse in der Regel nicht konkurrenzfähig.

Wenn Reisende ihre Spätzüge nicht mehr in Fahrplan finden, werden sehr viele von ihnen für ihre Reise nach unseren bisherigen Erfahrungen auf die Bahn ganz oder zumindest auf den Anschlussstrecken verzichten und auf das Auto ausweichen. Planco - Consulting hat in einer Untersuchung im Auftrage des Bundesministers für Wohnungsbau und Raumordnung bereits 1978 festgestellt, daß bei Umstellung von Bahn auf Bus 50 % der Fahrgäste den Bus nicht annehmen und auf den PKW umsteigen.

Auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht des DB - Gesamtkonzerns ist der Einsatz von Bussen fragwürdig.

  • Die Fixkosten des Netzes sinken nicht.
  • Die Grenzkosten des Betriebes eines Leichttriebwagens sind nicht höher als die Kosten eines Busses. Dies gilt erst recht, wenn die Produktivität der Schienenstrecke durch kürzere Fahrzeit höher ist.

PRO BAHN kann sich daher nicht vorzustellen, dass 7 % der Zugleistungen durch Busleistungen ersetzbar sind, ohne dass die DB AG dadurch in erheblichem Umfang Fahrgäste und damit auch Umsatz verliert und darüber hinaus einen erheblichen Image-Verlust erleidet.

Vielmehr sollte das Management von Fern- und Nahverkehr aus einer Hand zu einer besseren Fahrgastbedienung führen durch:

  • Einsatz kleinerer Zugeinheiten und leistungsfähiger Nahverkehrs-Fahrzeuge im Tagesrandbereich auch für Fernverkehrsleistungen .
  • Einsatz von Zügen des Fernverkehrs im Vor- und Nachlauf als Leistungen des Nahverkehrs.
  • Ggf. auch die Einführung eines speziellen Takt - Fahrplans für die verkehrsschwachen Zeiten, wie ihn PRO BAHN schon am 20.10.1998 bei einem Gespräch zu den geplanten IR - Kürzungen in Ihrem Hause vorgestellt hat. (Kopie anbei)

Wenn das System Bahn als Alternative - und nicht nur als Ergänzung oder Notnagel im Spitzenverkehr - zum Auto im Markt eine Chance haben, brauchen Ihre Kunden - die Fahrgäste - ein umfassendes Angebot, auch spätabends und frühmorgens. Mit leichtfertigen und systemsprengenden Kürzungen vergraulen Sie nur Fahrgäste statt sie zu gewinnen. Die Behördenbahn DB hat dieses in der Vergangenheit "erfolgreich" gezeigt. Wir bitten Sie hiermit ausdrücklich die Kürzungen noch einmal gründlich zu prüfen. Mit zusätzlichen Ideen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Wir hoffen statt dessen, dass Ihr Management zukunfts- und fahrgastorientiert, die Synergien der verschiedenen Teile des Konzerns besser zum Vorteil der Fahrgäste zu nutzen als bisher.

Wir werden dieses Thema auch am 31.1. auf der Sitzung des Kundenforums der DB Reise & Touristik ansprechen, aus diesem Grund erhält Dr. Franz eine Kopie dieses Schreibens

Mit freundlichen Grüßen

gez.: Karl-Peter Naumann

Antwort von Hartmut Mehdorn vom 30. Januar 2000

Sehr geehrter Herr Naumann,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 26. Januar 2000.

In den letzten Wochen wurde in der Öffentlichkeit immer wider die nicht von der Bahn kommende Aussage verbreitet, dass die Bahn sich aus der Bedienung der Fläche zurückzieht.

Ich möchte Ihnen gerne auf diesem Wege unere Position darlegen, an welcher wir derzeit arbeiten und die wir überall dort, wo es notwendig ist, mit unsren Vertragspartnern in Detailgesprächen erörtern wollen.

Die Bahn befindet sich derzeit etwa in der Halbzeit der 1994 eingeleiteten Bahnreform und hat in den vergangenen Jahren erhebliche Produktivitätsverbesserungen erzielt. Jetzt müssen wir diese Bemühungen intensiv fortsetzen und über viele kleine und große Maßnahmen unsere Wirtschaftlichkeit und unsere Produktivität steigern. Dies ist schlichtweg notwendig, um die Zukunft der Bahn zu sichern.

Ein Thema ist dabei ein Konzept mit dem Ziel eines marktkonformen Einsatzes unserer gesamten Strecken und Züge, die nur schwach ausgelastet sind. Niemand kann daran interessiert sein, dass wir auf Strecken, die tagsüber von vielen, abends aber nur noch von wenigen Kunden benutzt werden, große, schwere Züge betreiben. Das System Bahn ist nur dann ökonomisch und ökologisch das beste System, wenn der optimale Nutzungsgrad sichergestellt ist. Wir werden dabei mit unseren Vertragspartnerb in Gespräche einsteigen und klären, inwieweit wir in verkehrsschwachen Stunden alternative Transportangebote machen.

Die Bahn an sich möchte und wird wachsen und nicht schrumpfen. Auf diese Feststellung legen wir Wert. Allerdings wollen wir unseren Service wirtschaftlich und marktgerecht anbieten. Ihre Anregungen und Vorschöäge werden wir dabei in unsere Überlegungen miteinbeziehen.

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dieses Bemühen der Bahn, effizienter zu produzieren, nicht vorverurteilen, sondern uns eine faire Chance zur Verbesserung geben. Denn wir bekommen von niemandem Unterstützung, wenn unsere Gesamtbilanz rote Zahlen und Misserfolg aufweist. Es ist klar, dass wir hier viele aufrugfen müssen, sich mit uns einem Wandel zu unterzeiehn, den der Markt angesichts der großen Konkurrenz auf der Straße von uns verlangt. Nur wenn wir nichts tun, werden wir unser Bemühen um bessere Marktanteile von Anbeginn verlieren.

Mit freundlichen Grüßen
gez.: Hartmut Mehdorn