16. Horber Schienen-Tage

Resolution

16. Horber Schienen-Tage

Mensch und Sicherheit
Das Spannungsfeld zwischen Geschwindigkeit, Sicherheit, Konkurrenz und Wirtschaftlichkeit
18. - 22. November 1998

Die schienenverkehrspolitische Veranstaltung seit 1983

Neue Bundesregierung soll Streichpläne der Deutschen Bahn stoppen

Experten: DB-Fernverkehr wird teurer, langsamer und unbequemer
Fahrgäste und Güterkunden werden durch Steuersystem benachteiligt

Horb am Neckar - Durch die geplanten Streichungen von Fernverkehrszügen der DB ab dem Sommerfahrplan 1999 wird das Bahnfahren für viele Kunden unbequemer, langsamer und teurer. Rund 200 Eisenbahnexperten aus ganz Deutschland forderten deshalb bei einer Fachtagung in Horb am Neckar die neue Bundesregierung auf, als Eigentümer der Bahn diese Pläne umgehend zu stoppen. Nach Ansicht von Fachleuten führen die geplanten Einsparungen zu Verlusten von 100 Millionen Mark pro Jahr bei der Bahn zur massiven Abwanderung von Fahrgästen. Zugleich forderten die Teilnehmer der Fachtagung "Horber- Schienentage" von der Bundesregierung die Einführung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes für den DB-Fernverkehr und die Abschaffung der Mineralölsteuer für den Schienenverkehr, um Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der Bahn zu vermeiden.

"Nachdem SPD und Bündnis90/Die Grünen in der Opposition wiederholt eine Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene gefordert hatten, müssen sie nun in der Regierungsverantwortung dafür sorgen, daß die Bahn mit offensivem Marketing neue Kunden gewinnt", forderten die Bahnexperten in einer Resolution an Bundesverkehrsminister Franz Müntefering (SPD). Zum Fahrplanwechsel Ende Mai 1999 will die Bahn bekanntlich neben mehreren ICE- und IC-Verbindungen auch das Kern-Netz des Interregio-Systems zerstören. So sollen die Verbindungen Ruhrgebiet-Bremen, Ruhrgebiet-Hannover, Ruhrgebiet-Berlin, die Linien Karlsruhe-Salzburg und Saarbrücken Lindau entweder gestrichen oder in wirtschaftlich völlig unsinnige Kurzstrecken zerstückelt werden, die über kurz oder lang ebenfalls eingestellt werden.

Durch den Wegfall zahlreicher Direktverbindungen müssen viele Kunden zusätzlich mehrmals umsteigen und teurere ICE- bzw. IC- Züge benützen, dafür aber teilweise deutlich längere Fahrzeiten in Kauf nehmen. Ein Beispiel ist die Relation Kaiserslautern- Stuttgart, bei der künftig anstelle einer umsteigefreien Direktverbindung in Mannheim in einen häufig heute schon überfüllten ICE umgestiegen werden muß. Die Fahrzeit erhöht sich dabei um 15 Minuten, der Fahrpreis steigt um DM 18 pro Richtung.

Absurd ist die Streichung der Direktverbindungen auch deshalb, weil nach DB-eigenen Analysen, so Experten auf den Horber Schienentagen, drei Viertel der Fernverkehrsreisenden besonderen Wert auf umsteigefreie Direktverbindungen und günstige Fahrpreise legen. Nach Ansicht von Kurt Bielecki, dem Begründer der Horber Schienentage, eines Bahnpolitischen Fachkongreßes, der seit 16 Jahren jährlich in Horb stattfindet, betreffen die Streichungen vor allem die am stärksten frequentierten Linien Dadurch dürfte die Bahn nach Expertenschätzungen jährlich einen zusätzlicher Verlust von 100 Millionen Mark einfahren. Die Experten gehen davon aus, daß als Folge davon mittelfristig das gesamte Interregio-Netz dem Rotstift zum Opfer fällt, wenn sogar die aufkommensstärksten Relationen gestrichen werden. Die Teilnehmer der Horber Schienentage sehen in den Streichplänen gerade bei den gut frequentierten Linien einen eklatanten Verstoß gegen das Ziel der Bahnreform, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen.

In ihrer Resolution forderten die rund 200 Bahnexperten die Bundesregierung auch auf, die Benachteiligung von Fahrgästen und Güterverkehrskunden durch das deutsche Steuersystem schleunigst zu beenden. So müssen die deutschen Eisenbahnen mit 62 Pfennig pro Liter in Europa die höchste Mineralölsteuer füCr Dieselzüge begleichen. Die deutschen Fahrgäste zahlen für ihre Fahrkarten im Fernverkehr außerdem die höchste Mehrwertsteuer in Europa, nämlich 16 Prozent. In den Nachbarländern werden in der Regel fünf bis sechs Prozent verlangt. Durch eine Steuersenkung können die Fahrkarten im Fernverkehr um 10 Prozent billiger werden, wenn wenigstens der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent angewendet werden würde.

Die deutschen Bahnen bezahlen außerdem immer noch den höchsten Trassenpreis in Europa für die Nutzung des Schienenweges. Trotz Trassenpreissenkung liegen die Kosten einerseits doppelt so hoch wie in Frankreich oder Italien. Andererseits unternimmt der Geschäftsbereich Netz der Bahn, der für den Unterhalt des Streckennetzes zuständig ist, sehr wenig, um seine Anlagen zu modernisieren und zu rationalisieren.

Um weitere Verkehrsverlagerungen auf die Straße zu verhindern und in Zukunft die Eisenbahn im Wettbewerb zu sichern, verlangen die Teilnehmer der Horber Schienentage von der Bundesregierung:

  • beim Fernverkehr der DB nur mehr den halben Mehrwertsteuersatz anzuwenden
  • die Mineralölsteuer für den Schienenverkehr abzuschaffen
  • im Steuer- und Reisekostenrecht eine Entfernunspauschale einzuführen
  • die Trassenpreise ("Schienen-Benutzungs-Entgelt") auf ein europaweit einheitliches Niveau anzupassen

Verantwortlich für den Inhalt:
Kurt Bielecki