Positionen
"Die Bahn" duldet "Die Bahnen!" nicht
Dokumentation (November 2001):
siehe auch: Fragwürdige Verbote zugunsten der DB AG
Die Deutsche Bahn AG hat dem Anfang Oktober gegründeten Verein "Die Bahnen! Vereinigung für Wettbewerb im Schienenverkehr" gerichtlich verbieten lassen, "Die Bahnen!" zu heißen.
Die Vereinsgründung wurde am 9. Oktober 2001 in Berlin öffentlich bekannt gegeben. Mitglieder des Vereins sind Connex Regiobahn GmbH, Niederbarnimer Eisenbahn AG, Norddeutsche Nahverkehrsgesellschaft mbH, Regionalverkehr Mittelland AG, Rhenus Keolis GmbH & Co. KG, RP Eisenbahn GmbH.
Ziel des Vereins ist es, "den Wettbewerb auf die Schiene zu bringen." Der Verein will darauf drängen, dass staatliche Leistungen für den Schienenpersonenverkehr im Wettbewerb vergeben werden.
Vor wenigen Tagen verschwand nun das Logo und der Name "Die Bahnen!" aus den Webseiten des Vereins. Unter www.diebahnen.de tritt der Verein nur noch unter seiner Zusatzbezeichnung "Vereinigung für Wettbewerb im Schienenverkehr" auf.
Ein Gericht hat die Führung des Namens "Die Bahnen!" im Wege der einstweiligen Verfügung verboten. Der Inhalt der Entscheidung und die Gründe sind PRO BAHN e.V. noch nicht bekannt. Bei der Bewertung des Vorgangs muss aber berücksichtigt werden, dass solche Verbote durch einstweilige Verfügungen vorläufig erlassen werden. Das Verfahren findet ohne Anhörung des Gegners und Prüfung der vorgebrachten Tatsachen statt und oft ist auch die Prüfung in rechtlicher Hinsicht nur oberflächlich. Zuwiderhandlungen werden mit Ordnungsgeld bis zu 500 000 DM oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten bedroht, solange nicht dieselbe oder eine höhere Instanz die Eilentscheidung aufgehoben hat.
Verboten: "Die Bahnen!"
- 2001; Rainer Engel
Fragwürdige Verbote zugunsten der DB AG
Die Deutsche Bahn AG wehrt bekanntlich ihre Wettbewerber auch mit gerichtlicher Hilfe ab. PRO BAHN e.V. liegen jetzt die Entscheidungen gegen Connex und "Die Bahnen!" vor. Die Entscheidungen sind sehr fragwürdig.
Am 11. Oktober 2001 hat die 12. Zivilkammer des Hamburger Landgerichts durch Beschluss angeordnet, dass der Connex Verkehr GmbH verboten wird, "im geschäftlichen Verkehr das Kennzeichen "ICX" im Zusammenhang mit Transportleistungen zu verwenden und/oder verwenden zu lassen." (Aktenzeichen 312 O 345 / 01).
Am 25. Oktober 2001 hat dieselbe Zivilkammer dem Verein "Die Bahnen!" verboten, "die Bezeichnung "DIE BAHNEN!" als Bestandteil seines Vereinsnamens zu verwenden." (Aktenzeichen 312 O 691/01).
Beide einstweiligen Verfügungen sind mit der Androhung verbunden, dass bei Zuwiderhandlungen für jeden Fall ein Ordnungsgeld bis zu 500.000 DM oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten verhängt werden kann. Das entspricht § 891 der Zivilprozessordnung.
Beide Entscheidungen sind ohne rechtliches Gehör erlassen worden. Dieses Verfahren ist grundsätzlich zulässig, wenn die Eilbedürftigkeit es notwendig macht, Schaden von dem Antragsteller abzuwenden. Gegen die Entscheidung steht dem Betroffenen das Recht des Einspruchs zu.
Die Gerichte haben bei solchen Anträgen zu entscheiden, ob der Fall so eilig ist, dass ohne rechtliches Gehör des Betroffenen entschieden werden muss. In Rechtssachen, die Wettbewerbsverstöße betreffen, ist die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung der Regelfall.
Die Gerichte sind weiter verpflichtet, den vorgelegten Antrag auf seine rechtliche Stichhaltigkeit zu prüfen. Der Jurist nennt das "Schlüssigkeitsprüfung".
Die beiden Entscheidungen des Landgerichts Hamburg fallen dadurch auf, dass sie keinerlei Begründung enthalten und keine Rechtsgrundlage nennen. Auch eine Begründung für die Entscheidung ohne Anhörung des Gegners enthalten die Beschlüsse nicht, sondern beschränken sich auf die Floskel "der Dringlichkeit wegen". Diese Handhabung ist nicht unbedingt üblich.
Es ist daher nicht erkennbar, ob eine solche rechtliche Prüfung überhaupt stattgefunden hat. Eilige Anträge stören die alltägliche Arbeit der Richter, die oft den Fall nur oberflächlich ansehen oder einfach erst einmal glauben, was ihnen die Anwälte schreiben, weil sie keine Zeit haben, sich innerhalb weniger Stunden in eine sehr schwierige Materie einzuarbeiten. Das führt dazu, das der Antragsteller erst einmal einen Beschluss über ein Verbot bekommt, obwohl sich der Antrag bei genauem Hinsehen als unbegründet erweist. Auf diese Weise kann sich ein Wettbewerber ungerechtfertigte Vorteile im Wettbewerb verschaffen, die in der Öffentlichkeit als "gerichtlich geprüft und bestätigt" darstellen lassen.
Die Praxis der Gerichte ist sehr unterschiedlich. Viele Gerichte prüfen auch Eilanträge sorgsam und weisen sie gegebenenfalls auch als unbegründet zurück, andere bescheiden jeden Antrag positiv, um sich erst einmal Zeit zu verschaffen. In Wettbewerbssachen kann der Antragsteller das zuständige Gericht aussuchen, weil ein Wettbewerbsverstoß als "unerlaubte Handlung" gilt, die an jedem Ort der Bundesrepublik begangen wird. Erfahrene Anwälte suchen sich daher die Gerichte aus, die den Antrag schnell bearbeiten und nur oberflächlich prüfen.
Warum die DB AG, die ihren Sitz in Berlin und Frankfurt hat, sich das Landgericht Hamburg aussucht, um gegen eine Firma mit Sitz in Frankfurt und einen Verein mit Sitz in Berlin vorzugehen, entzieht sich der Kenntnis von PRO BAHN.
Ob die Verbote einer nachträglichen Prüfung standhalten, ist auch für Juristen schon auf den ersten Blick zweifelhaft und nicht mit "ja" oder "nein" zu beantworten. Nur so viel steht fest: Die DB AG hat sich mit ihren Anträgen einen Zeitvorteil im Wettbewerb verschafft. Das Vorgehen der Firma, die sich selbst "Die Bahn" nennt, gegen einen Verein, der sich "Die Bahnen!" nennen will, ist besonders grotesk, wenn man sieht, dass Politiker Wettbewerb fordern. Die DB AG ist immer noch 100 % Staatseigentum.
Aus gegebenem Anlass müssen wir an dieser Stelle darauf hinweisen, dass PRO BAHN bereits im Jahre 1981 gegründet wurde, also lange bevor die DB AG begann, sich "Die Bahn" zu nennen. Damals hieß sie noch "Deutsche Bundesbahn". Im Namen PRO BAHN steht "Bahn" für alle Bahnen, mit denen Fahrgäste mitfahren können. PRO BAHN e.V. legt Wert darauf, nicht mit einem Förderverein für ein bestimmtes Unternehmen verwechselt zu werden.
Autor: 28. 11. 2001; Rainer Engel