Preisfrage Juni 2013
Sabine K. hatte alle ihre Einkäufe auf dem Wochenmarkt erledigt. Jetzt wollte sie nur noch möglichst schnell nach Hause. Dabei galt es, den zahlreichen Infoständen der Parteien auszuweichen, was nicht ganz einfach war: ein Flugblatt hatte sie schon direkt vor die Nase gehalten bekommen, bei der zweiten Begegnung hat sie jetzt keine Chance. Der junge Mann steht dermaßen im Weg, dass ein Ausweichen unmöglich ist."Hallo, die Dame! Was können wir für Sie tun", säuselt er, den sein Namensschild als Guido Bartels ausweist, schwenkt Flugblätter und deutet nach rechts, "informieren Sie sich an unserem Stand, unser Abgeordneter Müller-Bernstein ist heute persönlich für Sie da."
"Sie können schon was für mich tun," antwortet Sabine, "Sie können mir die schweren Einkaufstaschen zur Trambahnhaltestelle tragen!"
Guido Bartels hat sich nach einer Nanosekunde schon wieder gefasst: "Aha, Sie sind eine Nutzerin der ÖVPN, sehr gut für die Umwelt! Wir sind da ja besonders engagiert. Unser Motto: Vorrang für die Schiene. Verkehrsverlagerung auf die Bahn. Förderung des ÖVPs!"
"Ach so!"
"Genau. Sie nehmen sicher die Trambahnlinie 4 in die Südstadt - sehr schöne Gegend, wenn ich das sagen darf."
"Naja, in die Südstadt fährt die Linie 5," meint Sabine, "und weder die Linie 4 noch die Linie 5 halten hier am Marktplatz, wenn ich Sie da korrigieren darf."
Ein bisschen verkrampft ist Guidos Lächeln schon: "Jaja, bei den vielen Trambahnlinien kann man sich schon mal vertun, aber mal im Ernst: was dürfen wir denn für Sie tun, verkehrspolitisch, meine ich?"
Sabine überlegt kurz: "Toll fände ich es, wenn mein Zug ein bisschen schneller fahren könnte."
Guido ist begeistert. Er wühlt in seinen Flugblättern, findet aber offensichtlich nicht das, was er sucht. "Ich kann Ihnen versichern, dass das eines unserer Hauptwahlziele ist! Beschleunigung des Bahnverkehrs, zum Nutzen der Ökologie und der Ökonomie. Unsere Wirtschaft kann nur prosperieren, wenn die Infrastruktur ausgebaut wird. Und mit besonderem Nachdruck möchte ich betonen, dass das auch mir und natürlich unserem Abgeordneten Müller-Bernstein ein persönliches Anliegen ist." Guido hat sich jetzt in Wallung geredet. "In aller Bescheidenheit möchte ich darauf hinweisen, dass unsere Fraktion immer dafür gekämpft hat, dass unsere Bahnstrecke ertüchtigt wird: von Tempo 200 km/h auf 250 km/h. Ich weiß nicht, ob ich es Ihnen schon gesagt habe. Unser Motto lautet: Mehr Verkehr auf die Schiene!"
"Ja, das sagten Sie schon, aber ich dachte eher an eine Beschleunigung meiner Regionalbahn. Von 50 km/h auf 100 km/h," unterbricht ihn Sabine.
"Wie ich schon sagte: 50 km/h schneller, das ist unser Ziel." Guido stellt sich schon eine Wählerstimme vor. "Mit unserer Partei in der Regierung sind Sie locker mal 'ne Stunde früher am Ziel".
"Es muss ja gar nicht eine Stunde sein; ich wäre ja schon mit 5 Minuten oder so zufrieden."
Guido stutzt ob der offensichtlichen Genügsamkeit seiner potenziellen Wählerin. Auch Sabine fällt auf, dass Sie den jungen Mann etwas verwirrt hat. Und anscheinend ist die Verwirrung anhaltend.
"Jetzt überlegen Sie doch mal" - Sabine ist ganz einfühlsam - "wie lange die Ausbaustrecke sein müsste, um einen Fahrzeitgewinn von 5 Minuten zu erzielen, wenn Sie die Geschwindigkeit von 200 km/h auf 250 km/h erhöhen, oder von 50 km/h auf 100 km/h. Und dann rechnen Sie mal aus, was das kostet und wie lange der Bau dauert."
"Es ist doch immer 50 km/h schneller; wenn Sie da unbedingt Unterschiede sehen wollen..."
"Aber hallo, Herr Bartels, das kann man doch im Kopf ausrechnen", Sabine ist jetzt leicht verärgert. "Damit es leichter zum rechnen ist, können wir ja einen Fahrzeitgewinn von 3 Minuten ansetzen, und Beschleunigungs- und Bremsphasen vernachlässigen wir mal".
Sie schaut ihm mitten ins Gesicht und wird den Eindruck nicht los, dass er etwas überfordert ist. Sie wartet noch ein paar Momente auf eine Reaktion und geht dann Richtung Haltestelle. Die Einkaufstaschen muss sie selber tragen.
Frage: Wie lange müssen die beiden Ausbaustrecken sein (in km), um einen Fahrzeitgewinn von 3 Minuten zu erzielen, wenn die Geschwindigkeit von 200 km/h auf 250 km/h [Fall A] bzw. von 50 km/h auf 100 km/h [Fall B] erhöht wird? | |
Die richtige Lösung lautet:
Fall A: 50 km, Fall B: 5 kmHinweis: Den Lösungsweg kann man hier nachlesen.
Eingeschickte Lösungen: 58; richtige/gültige Lösungen: 39
Die Gewinner eines PRO BAHN Mousepads sind Gerold B. (Trossingen)
und Gregor W. (Jena).
Herzlichen Glückwunsch!