Das Erdinger Vermächtnis

Kurios erscheint, dass beim Bau der Bahnlinie die damals völlig unbedeutenden, nur 3 km auseinander liegenden Bauerndörfer Hörlkofen und Walpertskirchen mit je einer Bahnstation bedacht wurden, denn nur eine davon war geplant. Nachdem der Trassenverlauf feststand, hatte die General=Direction der Königlich Bayerischen Verkehrs=Anstalten 1867 lediglich die Errichtung der Stationen Schwaben (Markt Schwaben) und Dorfen festgelegt, nicht jedoch die Lage einer Zwischenstation mit Ausweichmöglichkeit. Eine solche war jedoch aus betrieblichen Gründen notwendig, da ohne Ausweichstelle ein Güterzug mit der damals üblichen Fahrgeschwindigkeit den 26 km langen Streckenabschnitt mehr als eine Stunde belegt hätte. Zweckmäßigerweise musste daher die Zwischenstation auf halber Strecke angelegt werden. Die Generaldirektion ließ hierzu die Alternativen Hörlkofen und Walpertskirchen prüfen.

Mit Vehemenz versuchte nun die (Kreis-)Stadt Erding, um einen für sie günstigen Zugang zur Bahnstrecke zu erhalten, die Einrichtung der Zwischenstation in Hörlkofen zu erreichen. Zweifellos erschien Hörlkofen, am Kreuzungspunkt der Bahn mit der Districtsstraße Erding - Ebersberg gelegen, wesentlich vorteilhafter als Walpertskirchen, das nur über einen schlechten Feldweg erreichbar war. Zudem befuhren die Districtsstraße drei Postlinien, und es bot sich an, diese in Hörlkofen an den Zugverkehr anzubinden.

Die Entscheidung über die Lage der Ausweichstelle fiel dennoch zu Gunsten von Walpertskirchen, obwohl dies mit höheren Baukosten verbunden war, musste doch der als Station II. Classe klassifizierte Bahnhof auf einem Damm angelegt werden. Ausschlaggebend war die nahezu mittige Lage zwischen den Stationen Schwaben und Dorfen und die von Mühldorf aus stetig ansteigende Trassierung der Strecke, die den damaligen Lokomotiven (C II, C III, B VI) vor Zügen nach München enorme Anstrengungen abverlangte. Durch die Anlage der Zwischenstation nahe dem 200-Seelen-Dorf Walpertskirchen ließ sich die Steigungsstrecke ab Dorfen auf 15 km begrenzen. So erhielt Walpertskirchen ganz ohne eigenes Zutun einen Bahnhof mit einstöckigem Betriebshauptgebäude, Ausweich- und Ladegleis mit Rampe und Güterhalle, und konnte sich glücklich schätzen, mit der modernsten und vorteilhaftesten Verkehrsinfrastruktureinrichtung ausgestattet zu werden, die die damalige Zeit bieten konnte.

Flurkarte von 1950

Mehr als 80 Jahre lag der Bahnhof Walpertskirchen außerhalb des Ortes. Dieser Ausschnitt aus einer Flurkarte im Maßstab 1 : 5.000 zeigt die bis Anfang der 1950er Jahre bestehende Situation. Quelle: Sammlung des Verfassers

Station Walpertskirchen 1898

1898 gibt es in der Station Walpertskirchen noch keine Bahnsteigsperre. Foto: Joseph Eixenberger, Sammlung des Verfassers

Durch ihre beharrlichen Interventionen erreichte die Stadt Erding, dass die Generaldirektion kurz vor der Streckeneröffnung entschied, auch in Hörlkofen eine Bahnstation - zunächst nur als Personenhaltestelle - einzurichten. Ihr war sowohl hinsichtlich des Reiseverkehrs als auch der Postbeförderung die Aufgabe zugedacht, die Züge mit den Postlinien zu verknüpfen, weshalb die Bahnstation vereinigt mit einer Postexpedition in Betrieb ging. Von Anfang an zog diese Haltestelle den stark anwachsenden Verkehr auf sich, was ab 1875 mehrere Erweiterungen der Hörlkofener Bahnanlagen und die organisatorische Aufstufung der Bahndienststelle zu einer Station II. Classe mit Postdienst erforderte. Insbesondere das enorm ansteigende Güteraufkommen veranlassten die Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen (Kgl.Bay.Sts.B.) zu mehreren Ausbaumaßnahmen, die 1893 mit der Erweiterung des viel zu kleinen Haltestellengebäudes zu einem vollwertigen, zweistöckigen Betriebshauptgebäude und dem Bau eines Güterschuppens zum Abschluss kamen. Damit hatte die Station Hörlkofen der Station Walpertskirchen endgültig den Rang abgelaufen.

Bahnhofsgebäude Hörlkofen 1981

Das Betriebshauptgebäude des Bahnhofs Hörlkofen entstand aus dem 1871 errichteten, einstöckigen Haltestellengebäude, das ebenerdig 3 Doppeltüren (links) aufwies. Das östlich angebaute Stellwerkshäuschen hat noch seine ursprüngliche Form. Aufnahme 20. Dezember 1981.