Katzenjammer in Oberammergau

Discounterpark statt Fahrgastservice

Über die Entwicklung des Bahnhofs in Oberammergau haben wir schon öfter mal berichtet. Nur noch ein Gleis führt in den Ort, Fahrkartenschalter und Wartesaal sind schon längst durch Automat und einen "windigen" Wetterschutz ersetzt. Das Gleis findet man heute hinter einem Gewerbepark, dessen Gebäude bis direkt an den Bahnsteig gesetzt wurden. Auf Sonderzüge will man offenbar verzichten, denn ein zweites Gleis war nicht mehr drin. Wie es heute dort aussieht, hat PRO BAHN im Internet dokumentiert.

Doch die Eisenbahn und ihre Fahrgäste standen längst nicht mehr im Fokus der Gemeinderäte, als sich ein Investor aus Regensburg anbot, das Bahngelände zu einem Gewerbepark mit dem bezeichnenden Namen LOK zu "entwickeln".

Voll Euphorie erwartete die Kommunalpolitik die Ansiedlung heimischer Handwerksbetriebe und einer gesunden Mischung an verschiedenen Geschäften z.B. für den Garten- oder Heimwerkerbedarf. Ein auf die Bahnkunden abgestimmtes Serviceangebot stand gar nicht zur Debatte. Mittlerweile hat die Tankstelle auf der anderen Straßenseite eher unfreiwillig die Aufgabe übernommen, ankommenden Gästen weiterzuhelfen.

Doch aus den Träumen vom Wirtschaftswunder wurde nicht viel. Wo früher Gleise lagen, sind heute alle denkbaren Discounter wie Lidl, Müller-Markt, V-Markt und ein Getränkehändler angesiedelt. Tengelmann und Plus haben ihre Räume im Ortszentrum aufgegeben (diese stehen jetzt leer) und sind auch zum Bahnhof gezogen.

In der Lokalpresse äußert der Sprecher der Einzelhändler massive Kritik an dieser einseitigen Ausrichtung des Gewerbeparks und befürchtet das Ausbluten des Handels im Ort. Mit den Worten: "Das ist der Genickschuss für uns und den Ort", wird er in der Zeitung zitiert.

Wer jetzt glaubt, der Ort habe sich mit dem Gewerbepark wenigstens finanziell saniert, der irrt: Oberammergau zählt zu den höchstverschuldeten Gemeinden in Bayern, deren Haushalt unter Zwangsverwaltung steht. Der Investor hat aber sicher gut dabei verdient.

Was bleibt den Oberammergauern? Die Bahnanbindung ist mehr als desolat, die Zeit der Sonderzüge zu den Passionsspielen ist endgültig vorbei. Und nun hat man sich noch weitere Strukturprobleme eingehandelt. Auch das Interesse der DB an der Oberammergauer Bahn ist mittlerweile geschwunden: Tritt irgendwo in Südbayern Fahrzeugmangel auf, werden die Triebwagen von der Strecke abgezogen und der Betrieb auf Schienenersatzverkehr umgestellt, da die Busse den viel zu langsamen Fahrplan auch einigermaßen einhalten können.

Als warnendes Beispiel taugt Oberammergau allemal noch für alle Kommunen, die ihr Bahnhofsumfeld entwickeln wollen und dabei ihr Schicksal in die Hand externer Investoren legen, die mit Fahrgästen und bahnaffinen Nutzungen nichts am Hut haben, sondern naturgemäß auf Gewinnmaximierung getrimmt sind.

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