Fahrgastverband PRO BAHN: Pressemeldungen

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Pressemeldung vom 30.11.2010

Schlichtungsergebnis zu Tunnelbahnhof

Steuerzahler muss unkalkulierbare Risiken übernehmen - Tunnelbahnhof auch mit Nachbesserungen nicht akzeptabel

Der Fahrgastverband PRO BAHN hält auch nach dem heutigen Schlichterspruch zum Tunnelbahnhofprojekt den Bau des Tiefbahnhofs "Stuttgart 21" nicht für politisch verantwortbar. "Die Faktenschlichtung hat ergeben, dass ein modernisierter Kopfbahnhof 2 Milliarden Euro weniger kostet als der Bau des Tiefbahnhofs und der dafür notwendigen Tunnelbauten," erklärt der Rechtsexperte des Fahrgastverbandes PRO BAHN, Rainer Engel. "Damit sind auch die Kostenrisiken zu Lasten des deutschen Steuerzahlers für das Tunnelbahnhofprojekts doppelt so hoch wie die des Kopfbahnhofs. Selbst nach Anrechnung der Ausstiegskosten bleibt für der Abbruch des Projekts billiger als die Fortführung."

"Das Schlichtungsverfahren unter der Leitung von Bundesminister a.D. Dr. Heiner Geißler hat unmissverständlich klar gemacht, dass die finanziellen Risiken der Bauprojekte des Schienenverkehrs der Deutschen Bahn AG die Steuerzahler in ganz Deutschland zu tragen haben," erklärt Engel. "Mit der optimistischen Angabe geringer Baukosten soll das Projekt nach wie vor politisch durchgesetzt werden. Die Wirtschaftsprüfer, die die Kostenkalkulation der Deutschen Bahn AG geprüft haben, haben deutlich gemacht, dass die Deutsche Bahn AG mit ihrer Kostenkalkulation nicht auf der sicheren Seite ist. Wir sind dem Schlichter Dr. Geißler dankbar dafür, dass die Fakten hierzu jetzt öffentlich verfügbar sind. Die Bewertung durch den Schlichtungsspruch, die Risiken seien kein ausreichender Grund für einen Ausstieg aus dem Projekt, ist weder nachvollziehbar noch fachlich begründet, sondern eine Kapitulation vor der Parlamentsbeschlüssen, die auf der Schätzung viel geringerer Kosten beruhen. Die Erfahrung mit Kostensteigerungen bei Neubauprojekten der Deutschen Bahn AG haben gezeigt, dass Kostensteigerungen zu Lasten des Steuerzahlers an der Tagesordnung sind."

Die Deutsche Bahn AG schätzt die Kosten des Tunnelbahnhof-Projekts auf 4,088 Milliarden Euro. Der derzeitige Finanzierungsrahmen sieht noch einen Puffer für Mehrkosten in Höhe von 438 Mio. Euro vor. "Das sind nur zehn Prozent der Baukosten, und dieses Geld steht ausschließlich für unvorhergesehene Kostensteigerungen zur Verfügung," erläutert Engel. "Mehrkosten für Nachbesserungen des bewusst reduzierten Gleisnetzes können davon nicht bezahlt werden. Die Schlichtung hat aber deutlich gemacht, dass kostentreibende Nachbesserungen unausweichlich sind. Andernfalls wird Stuttgart zum Flaschenhals.""

Der Fahrgastverband hält die vom Schlichter geforderten Nachbesserungen des Gleisanlagen für unabdingbar. Sie werden aber den bisherigen Kostenrahmen sprengen und Kosten dürften daher nicht aus der Kalkulation und Wirtschaftlichkeitsberechnung herausgenommen werden. In der bisherigen Planung sind die Kosten für die Erweiterung des Tunnelbahnhofs von 8 auf 10 Gleise genauso wenig enthalten wie die Kosten eines zweiten Gleises am Flughafen-Messebahnhof und eine zweigleisige und kreuzungsfreie Anbindung zwischen dem Flughafen und Tübingen. "Schon grobe Kostenschätzungen zeigen, dass dafür eine weitere Milliarde Euro erforderlich werden wird," erklärt Engel.

Der Schlichtungsvorschlag plädiert zu Recht dafür, dass Engpässe rund um den Tunnelbahnhof geplante Gleisnetzes beseitigt werden. "Das Tunnelbahnhofprojekt ist im Bereich des Flughafens und des Anschlusses nach Tübingen bewusst unzulänglich ausgelegt, um den politisch vereinbarten Kostenrahmen einzuhalten," erläutert Engel. "Nachbesserungen, die die Kosten hochtreiben, sind unausweichlich. Auch diese Mehrkosten gehen zu Lasten des Bundes und zu Lasten anderer, dringend notwendiger Schienenprojekte. Es ist nicht ersichtlich, dass das Land Baden-Württemberg die Mehrkosten für Nachbesserungen allein bezahlen möchte. Selbst wenn die Deutsche Bahn AG behauptet, sie würde diese Risiken übernehmen, so treffen sie doch den Steuerzahler, denn die Deutsche Bahn AG gehört immer noch uns Bürgern"

"Wenn die Investitionen in die Schiene nicht spürbar erhöht werden, sind die Folgen fortbestehende Engpässe an anderen Stellen des deutschen Schienennetzes, fehlende Kapazitäten für die Verlagerung von Gütern auf die Schiene und durch Lastwagen verstopfte Autobahnen, erläutert Engel.

Bekanntlich stellt die Bundesregierung nur noch jährlich 1,3 Milliarden Euro für Investitionen in das deutsche Schienennetz zur Verfügung. "Das deutsche Schienennetz ist hoffnungslos unterfinanziert. Nach dem derzeitigen Stand können die als dringlich bezeichneten Schienenwege erst im Zeitraum von drei Jahrzehnten bezahlt werden," erläutert Engel.

Der Fahrgastverband PRO BAHN befürwortet grundsätzlich den Neubau einer schnelleren Verbindung zwischen Stuttgart und Ulm. "Einer Neubaustrecke über die schwäbische Alb, der einen überdurchschnittlich hohen Mitteleinsatz erfordert, darf nicht dadurch entwertet werden, dass neue Flaschenhälse eingebaut werden, die die flexible Fahrplangestaltung ausschließen und die Pünktlichkeit im gesamten deutschen Hochgeschwindigkeitsnetz gefährden," so Engel.

Der Fahrgastverband PRO BAHN ist auch nicht davon überzeugt, dass die Vorschläge des Schlichters die Nachteile des Tunnelbahnhofs beseitigen. "Der Kopfbahnhof ist schon heute so leistungsfähig wie der geplante Tunnelbahnhof, das hat die Erörterung im Schlichtungsverfahren klar ergeben," so Engel. "Mehr Verkehr auf die Schiene kann nur mit der Verbesserung des Kopfbahnhofs auf die Schiene gebracht werden. Wer etwas anderes behauptet, hat keine eisenbahntechnischen Fachkenntnisse oder verdreht die Wahrheit aus politischen Gründen."

Engel verweist darauf, dass fachkundige Bürger schon vor eineinhalb Jahrzehnten eine Modernisierung des Kopfbahnhofs als Alternative vorgeschlagen worden. "Diese Bürger, zu denen auch ich schon damals gehört habe, sind mit ihren Bedenken und Alternativvorschlägen von Bahn und Regierung eineinhalb Jahrzehnte lang nie angehört und ernst genommen worden. Erst die Demonstrationen dieses Jahres haben den Bürgern Gehör verschafft, das von den Regierung und Bahn systematisch verweigert wurde.. Das darf sich nicht wiederholen. Die Bürgerbeteiligung darf daher nicht mit >Weiterbauen wie gehabt< und unter Hinweis auf Ausstiegskosten ausgehebelt werden."

Der Fahrgastverband PRO BAHN arbeitet im "Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21" aktiv mit und war bei den Schlichtungsverhandlungen mit Rainer Engel und Alexander Drewes als Experten vertreten.

Zum Download: Kostenvergleich S21 - K21.

Rückfragen bitte an
Rainer Engel (Rechtsreferent),
Tel.: 0173 - 545 45 59, E-Mail: r.engel@pro-bahn.de
v.i.S.d.P.: Rainer Engel

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