der Fahrgast 97: Februar - April 2004

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Aus dem Inhalt

Kürzungen gefährden das Netz

Streichungen beschlosssen

Der "Subventionsabbau" aufgrund der Beschlüsse des Vermittlungsausschusses vom Dezember 2003, die Kürzung des Verkehrshaushalts und die Pleite mit der Lkw-Maut gefährden das Schienennetz in Deutschland in seinem Bestand. Man kann bei einer teuren Infrastruktur "Schiene" nicht "ein bisschen kürzen". Doch solange das Schienennetz als private Fabrikhalle organisiert ist, meint die Politik, dafür nicht verantwortlich zu sein.

Im Schleudersitz als City-Hopper - Verlieren wir die Kultur des Bahnreisens?

(von Karl-Dieter Bodack)

Verlieren wir die Reisekultur und damit einen wesentlichen Vorteil, den das System Eisenbahn bieten kann? Design und Ambiente ist kein überflüssiger Luxus, sondern eine wirtschaftlich sinnvolle Investition. Die Strategie "Qualifizierung der Reisekultur" stellt eine unter volks-/betriebswirtschaftlichen Kriterien weitaus bessere und konsequentere Alternative zur Hochgeschwindigkeit ohne Reisekultur dar.

Zehn Jahre Bahnreform

Das Unheil der Börsenbahn

Zehn Jahre nach In-Kraft-Treten der Bahnreform erleben die Fahrgäste auf Bahnhöfen und in Zügen das größte Verspätungschaos in der Geschichte der Eisenbahn in Deutschland. Der öffentliche Verkehr als Ganzes gerät in eine Krise seiner Akzeptanz. So wird er wohl Opfer der Sanierung leerer Haushaltskassen. Das ist die Folge einer halbherzigen Bahnreform und einer Politik, die gemeint hat, sich vor vielen Problemen davonstehlen zu können.

Bahnreform

Von Großbritannien lernen, heißt privatisieren lernen
(von Joachim Kemnitz)

"Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen" - wie oft haben Schüler diesen Spruch lesen und auch schreiben müssen, die je eine Schule in der nicht mehr existierenden DDR besucht haben. Die Geschichte hat diesen Leitspruch irrelevant werden lassen, da die Mehrheit der Menschen diese Art des Siegens für nicht erstrebenswert gehalten hat. Und auch das System ist verschwunden, das ihn hervorgebracht hat. "Von Großbritannien lernen heißt privatisieren lernen" - wird die Geschichte auch diesen Leitspruch bald irrelevant machen, weil die Mehrheit der Menschen diese Art der Privatisierung der Eisenbahnen nicht will? Und besteht nicht die Gefahr, dass auch das dahinter stehende System, die Bahn, in ihrer Existenz gefährdet wird? Anzeichen dafür gibt es bereits.

Verspätungen: Meistens hausgemacht

Die DB AG reagiert hilflos

Immer mehr Verspätungen - trotz aller Anstrengungen bekommt die Deutsche Bahn AG die Verspätungen nicht in den Griff. Auch andere Bahnunternehmen sind davon betroffen. Nur sechs Prozent der Verspätungen beruhen auf externen Ursachen, schreibt "Der Spiegel". Zwar hat die DB die Presse der Falschmeldung bezichtigt, aber dementiert hat sie die Fakten nicht. Die Verspätungslage ist ernst, die Ursachen sind vielschichtig. Fahrpläne bei der Eisenbahn haben keine Verlässlichkeit mehr. Die Erkenntnis, dass ihre Verspätungen meistens hausgemacht sind, kommt für das Management der DB AG um Jahre verspätet, und der Vorstand reagiert halsstarrig und hilflos.

Analyse der Verspätungen: Verspätungen ziehen Kreise

Primäre und sekundäre Ursachen und ihre Verkettung: Ein Einblick in Zusammenhänge

Die Materie "Verspätungen" ist kompliziert. Meistens konzentriert sich die Diskussion darüber auf die leicht erkennbaren primären Ursachen, also Unfälle, Eingriffe von außen, Bauarbeiten, technische Probleme am Fahrzeug und bei den Signalen. Über die sekundären Ursachen wird viel weniger geredet. Denn wie eine primäte Verspätungsursache sich auswirkt, hängt davon ab, wie die Eisenbahnen organisiert sind: Streckenbelegung, Puffer im Fahrplan, Überholgleise, Ausweichstrecken, Ersatzfahrzeuge, Ersatzpersonal. Über die tieferen Gründe für die primären und sekundären Ursachen wird nach Möglichkeit gar nicht gesprochen, weil dabei zutage kommt, dass die Deutsche Bahn AG in erster Linie börsenfähig und nicht pünktlich fahren muss. Gute Leistung und Börsenfähigkeit sind nicht dasselbe: Pünktlichkeit zahlt sich erst morgen aus, denn gute Qualität spricht sich nicht so schnell herum. Sparen auf Kosten der Pünktlichkeit zahlt sich aber sofort aus, denn dann stimmt die Bilanz für das laufende Jahr. Dabei wirkt sich auch aus, dass die Bahn für Verspätungen nicht haftet. Wir versuchen, das große Knäuel der Ursachen ein wenig zu entwirren.

Verspätungen und Fahrgastrechte: Haftung schafft Leistung

Privatrechtliche Bahnen brauchen privatrechtliche Gewährleistung

Der heiße Verspätungsherbst des Jahres 2003 brachte es an den Tag: Die meisten Verspätungen sind hausgemacht. Viele Verspätungen beruhen auf verschärftem Sparen am Kunden. Solange die Eisenbahnen nicht finanziell für ihre Verspätungen geradestehen müssen, werden sie unpünktlich fahren. Pünktlichkeit muss sich auch für die Unternehmen finanziell rechnen - eine geordnete Gewährleistung ist die Voraussetzung dafür.

Verspätungen und Fahrgastrechte: Netz ohne Gewährleistung?

Auch das Netz muss Verantwortung übernehmen

Die Gewährleistung für die Pünktlichkeit spielt auch im Bereich des Netzes der Deutschen Bahn AG bisher keine finanzielle Rolle. Das muss sich ändern.

Ministerium wollte Bock als Gärtner

Die Länder machen Druck, die Bundesregierung mauert

Während Deutsche Bahn AG, Bundeskanzler und Bundesverkehrsministerium eine Reform der Fahrgastrechte verhindern wollen, machen die Bundesländer Druck. Der Verspätungs-Herbst hat der Diskussion um die Fahrgastrechte neuen Schub verliehen. Auf Weisung des Bundeskanzleramtes verhandelt das Verbraucherschutzministerium hinter verschlossenen Türen mit der Deutschen Bahn AG. Unterdessen beauftragte das Bundesverkehrsministerium einen DB-Juristen mit einem Rechtsgutachten. Eine unglaubliche Skandalgeschichte.

Träumen und sparen

Reisen zu nachtschlafender Zeit
(von Erich Preuß)

Manche können im Schlafwagen einfach nicht schlafen. Das ist ein nicht zu leugnender Umstand und zugleich ein Vorurteil. Denn ebenso können manche im Schlafwagen sehr gut schlafen und dadurch die Nacht für die Anreise zu einem Termin oder in den Urlaubsort nutzen. Neue Preisangebote machen die Nachtreise erschwinglich.