der Fahrgast 100: November - Januar 2005

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Aus dem Inhalt

Börsengang-Aufschub: Zeit zum Nachdenken

Bisherige Diskussion über "Netz und Verkehr" war einfallslos

Der Fahrgastverband PRO BAHN begrüßt die Verschiebung des Börsengangs der Deutschen Bahn AG, die der Aufsichtsrat am 22. September beschlossen hat, und fordert die Politik auf, die Form des Börsengangs des größten deutschen Verkehrsunternehmens neu zu überdenken. Die bisherige Diskussion für und gegen den Börsengang war einfallslos. Die Verschiebung gibt Gelegenheit, die Frage zu überdenken, ob und in welcher Form Schienenwege und Grund und Boden der Bahnhöfe privatisiert werden sollen.

Infrastruktur der Börsenbahn: Stilllegung unter dem rollenden Rad

Wird die Bundesregierung endlich wach?

Wenn Straßen so verwaltet würden wie Schienen, gäbe es bald keine Industrie mehr in Deutschland. Die DB legt Bahnlinien und Gleisanschlüsse still, obwohl die Unternehmen auf den Anschluss an das Schienennetz existenziell angewiesen sind. Mit der Kürzung der Investitionsmittel für das Schienennetz fördert die Bundesregierung dieser Entwicklung. Jetzt . deutet sich an, dass selbst das Bundesverkehrsministerium das einsieht.

Infrastruktur

Die Wirtschaft braucht die Schiene
(von Dr. Michael Rogowski)

"Deutschland braucht Mobilität statt Stillstand" - 45 Verbände unterzeichneten im Juni 2004 eine vom Bundesverband der Industrie (BDI) initiierte "Gemeinsame Erklärung gegen Kürzungen von Investitionen in Bundesverkehrswege in den Haushaltsjahren 2005 bis 2008". Darin wurde die Bundesregierung unter anderem aufgefordert, das von der Länderverkehrsministerkonferenz am 25. Februar 2004 geforderte jährliche Investitionsniveau von 5,8 Milliarden Euro für Fernstraßen, 4 Milliarden für Schienenwege und 0,6 Milliarden Euro für Wasserstraßen bereitzustellen. derFahrgast hat nach den Hintergründen dieser Forderung gefragt.

Verschwendung von Steuermitteln: DB baut viel zu teuer

Über ein Lehrbuch für mehr Bahn für weniger Geld
(von Rainer Engel)

Was hinter vorgehaltener Hand schon lange gesagt wurde, wird jetzt durch ein Gutachten bewiesen: Die Deutsche Bahn AG baut viel zu teuer. Im Auftrag der Bundesländer und der Besteller des Nahverkehrs, die die Instandsetzung von Bahnsteigen und Bahnhöfen mit gewaltigen Summen fördern, hat die Agentur Bahnstadt die Umbauten von Bahnhöfen und Bahnsteiganlagen analysiert und verglichen. Das Ergebnis: Andere Bauherren bauen bis zu 40 Prozent preiswerter als die Deutsche Bahn AG. Dabei sind die Abläufe bei anderen Unternehmen ungleich zügiger und effizienter. Überhöhte Standards und ineffiziente Unternehmensstrukturen bei der DB sind die Ursache. Das Gutachten gibt Anlass zu der Frage: Wird bei Unterhalt und Bau des Netzes durch die DB das Geld des Steuerzahlers in ähnlichem Umfang verschwendet? Die Einblicke, die die Gutachter in das Handeln des Konzerns DB geben, sprechen dafür, dass nur eine gemeinnützig verwaltete Infrastruktur mehr Verkehr mit weniger Aufwand auf die Schiene holen kann.

Teure Bahnsteige im Detail

Gutachten der Agentur Bahnstadt

Wie ein roter Faden zieht sich durch das Gutachten der Agentur Bahnstadt die Kritik an kostentreibenden Standards. Eine Diskussion dieser Kritik ist dringend erforderlich, um das System Eisenbahn wieder bezahlbar zu machen.

Netz für alle Bürger

Wohin fährt die Bahn in Lindau?
(von Winfried Karg)

Ein Durchgangsbahnhof in Lindau-Reutin und die vollständige Aufgabe des Bahnhofs auf der Insel im Bodensee gehören zu den Wunschprojekten der Deutschen Bahn AG. Doch der Stadtrat leistet Widerstand. PRO BAHN unterstützt diesen Widerstand. Warum?

Fortschrittsglaube und Realität: Hauptbahnhof am Abstellgleis

Ludwigshafen ist ein abschreckendes Beispiel

"Die Bahn muss zu den Menschen kommen" - mit diesem Erfolgsrezept hat Dieter Ludwig in Karlsruhe verwaiste Schienen zum Erfolgsschlager gemacht. Die Deutsche Bahn AG und ihre Vorgänger machen es umgekehrt: Sie verlegten und verlegen Bahnhöfe dorthin, wo keine Fahrgäste sind. Ludwigshafen zeigt, wie die Strategie der "großen Bahnhöfe abseits der Zentren" wirkt.

DB will Vertriebskosten senken: Reise(büro) ins Abseits

Bahn ohne Beratung wird Bahn ohne Fahrgäste

Die Deutsche Bahn AG will die Kosten des Vertriebs ihrer Fernverkehrsfahrkarten senken. Die Methode: Die Provisionen für die Reisebüros und Agenturen werden gesenkt.
Die Agenturen halten die Provisionen nicht für auskömmlich. Die DB-Führung meint, die Agenturen sollten sich das fehlende Geld anders verdienen. Doch tatsächlich droht die Schließung weiterer Fahrkartenausgaben und Verkaufsstellen im großen Stil.
Die wirklichen Ursachen der hohen Vertriebskosten - ein unsystematischer Fahrplan, ein kompliziertes Preissystem und ein benutzerfeindliches Buchungssystem - werden von der DB-Führung ignoriert. Statt diese Probleme zu lösen, setzt die DB die Benutzbarkeit des Systems Bahn aufs Spiel und riskiert einen weiteren Einbruch der Umsätze im Schienenfernverkehr.

Fahrgastrechte: Viel Lärm um fast nichts

Wenig Ersatz, wertlose Gutscheine, dreimal Schlange stehen

Was die Deutsche Bahn AG im Frühjahr als "Kundencharta" angekündigt und zum 1. Oktober 2004 als "Entschädigung der Fahrgäste bei Verspätungen" eingeführt hat, ist kaum der Rede wert. Neu und insoweit als Erfolg zu werten ist, dass es in den "Allgemeinen Beförderungsbedingungen" jetzt eine Regelung über Ersatzleistungen bei Verspätungen gibt, die die geheimen Kulanzanweisungen an das Personal abgelöst hat. Doch über 90 Prozent der Fahrgäste gehen nach wie vor leer aus. Die übrigen bleiben der Willkür des Personals ausgesetzt und müssen ihren Ansprüchen in einem umständlichen Verfahren hinterherlaufen, bevor sie etwas auf eine neue Fahrkarte angerechnet bekommen. Fahrgäste erhalten bei der DB auch weiterhin nur einen oft fast wertlosen Gutschein. Wer das "Entschädigung" nennt, verspottet die Fahrgäste, die in ihrer Erwartung einer pünktlichen Bahnfahrt bitter enttäuscht sind.