PRO BAHN Zeitung 82

Anschluss für ganz Deutschland

PRO BAHN legt Konzept für die Zukunft der Bahn vor

aus PRO BAHN Zeitung Nr. 82 (2/2000): Fahrgast-Interessen im Vordergrund

Alle Fahrgäste wollen schnell, bequem und preiswert reisen - und das nicht nur dort, wo sich Flugzeuge als Alternative anbieten. Die deutsche Eisenbahn wird nur Erfolg haben, wenn sie sich als "Inter-City-Straßenbahn" versteht. Der Integrale Taktfahrplan für das ganze Land ist der Fahrplan in die Zukunft des Standorts Deutschland.

Fahrplan in die Zukunft

Das System Eisenbahn braucht
  • mehr Wirtschaftlichkeit
  • mehr Akzeptanz bei den Kunden
  • und politischen Rückhalt in der ganzen Republik.
Darin ist sich PRO BAHN mit Hartmut Mehdorn einig. Doch diese Ziele scheinen sich zu widersprechen. Um sie gleichzeitig zu schaffen, muss die Eisenbahn ein Verkehrsmittel sein, von dem alle Vorteile haben - in Stadt und Land. Hartmut Mehdorn beklagt, dass das Netz, auf dem die Bahn fährt, nie insgesamt geplant worden ist. Auch die meisten bisher gebauten Erweiterungen des Eisenbahnnetzes entstanden als Lösungen von Einzelproblemen. Das von Mehdorn Ende Februar 2000 vorgestellte "Knoten-Modell" stellt - auch deshalb - in Wirklichkeit kein Netz dar, sondern eine Sammlung von nicht direkt miteinander verbundenen Linien. Abhilfe ist möglich. PRO BAHN legt dafür mit der Studie "Der letzte Fahrplanwechsel" ein geschlossenes Konzept vor, das mehr ist als Mehdorns Versuch, auf Höhe Null zu fliegen: den Integralen Taktfahrplan für Deutschland.

Vom Takt zur Bahn 2000

Der Taktverkehr wurde ursprünglich im Nahverkehr erfunden. Doch auch überregionale Eisenbahnen haben sich inzwischen dafür entschieden. Die Niederlande waren der Vorreiter, schon vor dem Zweiten Weltkrieg wurde dort landesweit im Takt gefahren. Wie es möglich ist, eine größere Wirtschaftlichkeit und ein größeres Angebot in Konsens zu bringen, hat die Schweiz gezeigt. "Bahn 2000" heißt das Konzept, das die Schiene zu einem dauerhaft zukunftsfähigen Verkehrsmittel entwickeln will. Vor dem Hintergrund einer derzeit schon guten Nachfrage wurde ein Bahn-Netz geplant, das kaum noch Wünsche offen lässt. Der integrale Taktfahrplan für den Personen-Fern- und Nahverkehr mit merkbaren Abfahrtszeiten und sicheren Anschlüssen in alle Richtungen will
  • eine gesteigerte Nachfrage
  • geringere Betriebskosten und
  • wirtschaftlich effiziente Investitionen

erreichen. Volksabstimmungen haben dieses Konzept bestätigt, und so konnten die Eisenbahnen der Schweiz damit beginnen, das Netz auszubauen - zum Nutzen aller Bürger. Auch knappe Finanzmittel und zeitliche Verzögerungen haben das Projekt "Bahn 2000" niemals in Frage gestellt.

Schritt für Schritt zum Netz

Schritt für Schritt wird "Bahn 2000" in der Schweiz umgesetzt. So werden die zwei Linien zwischen Genf und Zürich gleichzeitig beschleunigt, so dass die Fahrzeiten einander ähnlich werden: Auf der Linie am Fuß des Jura über Biel geschieht das durch den Einsatz von Neigezügen, auf der Linie über Bern durch einen Neubauabschnitt zwischen Manstetten und Rohrist. Nach Abschluss dieser Maßnahmen besitzen Genf und Zürich eine Zugverbindung im Halbstundentakt, die durch ebenfalls halbstündlich verkehrende Anschlusszüge in Zürich eine optimale Weiterreise ermöglichen. Mit ihrer hohen Verfügbarkeit wird die Bahn auch den Flügen von Genf nach Zürich weiter erfolgreich Konkurrenz machen. Das Eisenbahnnetz bleibt stabil und wird als Ganzes verbessert.

Die Anschlusszüge sind schon da...

Auch in Deutschland sind die Anschlusszüge schon unterwegs. Rund 20.000 fährt die DB Regio werktäglich. Die meisten von ihnen befinden sich schon im Takt und gewähren ihren Fahrgästen in vielen Bahnhöfen Anschluss und damit eine bequeme Weiterfahrt. Das sind der Allgäu-Schwaben-Takt, Rheinland-Pfalz-Takt, Nordrhein-Westfalen-Takt..., um nur einige zu erwähnen. Diese Konzepte haben sich regional bewährt, denn direkte Anschlüsse bewirken stets, dass mehr Fahrgäste zusteigen und das nicht nur in den Ballungsräumen, sondern auch in dünner besiedelten, ländlichen Gebieten. Doch die Anschlüsse zum Fernverkehr lassen schon jetzt zu wünschen übrig. Und: Wird Mehdorns Konzept verwirklicht, werden auch die heute funktionierenden Anschlüsse zerstört. Dabei sind nur rund 1.000 Fernverkehrszüge von "DB Reise & Touristik" in Deutschland unterwegs. Die von ihnen erbrachten Verkehrsleistungen - ausgedrückt in Personenkilometern- liegen nur geringfügig über denen der Regionalzüge. Die Zahl der Reisenden in den Regionalzügen ist aber zehnmal so hoch wie die in den Fernzügen. Wie Untersuchungen aus Schleswig-Holstein zeigen, wechseln rund 20 Prozent der Fahrgäste vom Regionalbereich in den Fernverkehr über. Und eine andere Marktuntersuchung zeigt, dass man die Fahrgastzahlen durch keine andere Maßnahme mehr steigern kann als durch die Schaffung von zusätzlichen Direktverbindungen.

...und ihre Fahrgäste suchen Anschluss

Dass selbst in dünn besiedelten Regionen eine bedeutende Nachfrage im Fernverkehr erreicht werden kann, zeigen Beispiele wie Uelzen und Fulda. Hier gibt es ein traditionell gutes Angebot schneller Züge, und die Bürger haben sich darauf eingestellt (siehe "Das Potenzial der Region", abgedruckt in PRO BAHN Zeitung 2/2000). Daher setzen die Überlegungen von PRO BAHN beim möglichst reibungslosen Übergang zwischen Regional- und Fernverkehr an. Nicht in den großen Ballungsgebieten, wo die Anschlussverkehrsmittel - seien es die Regionalzüge der Bahn selbst oder S-, U- und Straßenbahnen sowie Busse - ohnehin meist häufig verkehren, müssen die Knoten gebildet werden, sondern dort, wo es den Anschluss nur stündlich oder gar zweistündlich gibt. Wenn man hier Verkehrsknoten bildet, kann man für einen großen Teil der Fahrgäste die Umsteige- und damit auch die Beförderungszeiten entscheidend verringern und damit einen zusätzlichen Anreiz zur Benutzung der Bahn geben. In diese regionalen Knoten könnte man auch die "Überland"- Busse einbeziehen und damit die Anzahl der mit öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig erreichbaren Gemeinden entscheidend vergrößern. Zudem wäre vorstellbar, dass die fast gleichzeitig am Knotenpunkt eintreffenden Züge ihre Linien tauschen; dadurch würden zusätzliche Direktverbindungen geschaffen.

Nur durch Fahrplanoptimierungen und damit ohne größere Baumaßnahmen - könnte die DB AG bis etwa 2002 ohne größere Mühe 35 solcher Regionalknoten einrichten. Im Zeitraum von 2002 bis 2012 wäre - dann allerdings durch Ausbaumaßnahmen - möglich, die Zahl der Knoten auf 60 zu erhöhen. In einer letzten Stufe schließlich sollten die Strecken zwischen den großen Ballungsgebieten beschleunigt werden. Davon würden aber nicht nur diese Verbindungen selbst profitieren, sondern auch der Regionalverkehr, denn die Zahl der Knoten ließe sich auf 81 vergrößern.

Zu teuer zum Fliegen

Was nützt es, wenn beispielsweise zwischen Hamburg und Hannover eine neue Strecke gebaut wird, die zehn Minuten Fahrzeitgewinn bringt, wenn weiter reisende Fahrgäste diese Zeit anschließend in Hamburg und Bremen auf dem Bahnsteig verbringen müssen? Das System Eisenbahn ist zu teuer, um damit nur Flugverkehr abzuwickeln. Der Neu- und Ausbau der Bahnlinien wird auf Dauer nicht ohne öffentliche Mittel auskommen - das steht sogar im Grundgesetz. Deshalb muss das Eisenbahnnetz mit dem höchstmöglichen gesamtwirtschaftlichen Effekt ausgebaut werden. Das heißt auch: Hochgeschwindigkeitsstrecken, die an der Region vorbeifahren, sind nur zu rechtfertigen, wenn mit ihnen mehrere überregionale Verkehrsströme gebündelt werden können. Es verwundert die PRO BAHN-Zeitung, wenn Bahnchef Mehdorn vor dem Bundestag lauthals beklagt, dass das Eisenbahnnetz niemals geplant wurde - und als Konsequenz verkündet, kein Zug solle künftig über Frankfurt am Main hinaus fahren, nur weil der Bahnhof im letzten Jahrhundert aus mehreren Kopfbahnhöfen zusammengelegt und seither nicht umgebaut wurde. Seine Kapitulation vor dem gewachsenen Netz ist keine Zukunftsperspektive.

81 statt 9 Knoten

Das vorhandene Netz hat unerschlossene Reserven. Schon heute zeigen sich darin Knoten, die eine Weiterentwicklung herausfordern. Sie liegen überall dort in Deutschland, wo sich regionale und überregionale Verkehrslinien kreuzen und Umsteiger zu erwarten sind. Das PRO Bahn-Konzept hat 81 derartige Knoten genau beschrieben. Bedingung wäre allerdings, dass in diesen Knoten überregionale Züge gleichzeitig aus beiden Richtungen eintreffen.

Ausbau zwischen den Knoten

Zwischen diesen Knoten muss die Bahnlinie so ausgebaut werden, dass die Fahrzeit beschleunigt wird. Manchmal reicht für die Erhöhung der Geschwindigkeit schon die Optimierung einiger Weichen oder die Anpassung von Signalen, in vielen Fällen genügt der Einsatz von Neigezügen, um die Fahrzeiten so zu verbessern, dass auch im nächsten Knoten Anschluss besteht. In einigen wenigen Fällen müssten kurze Abschnitte neu gebaut werden. Vor allem auf der Strecke von Leipzig über Hof nach München und in Richtung Tschechien sind solche Maßnahmen erforderlich. Das PRO Bahn-Konzept beschreibt sie im Einzelnen.

Drehscheiben sind anders

Die großen Drehscheiben des Verkehrs sind keine Knoten im Sinne eines integralen Takts. Es wäre unsinnig, Züge aller Richtungen in großen Bahnhöfen wie Stuttgart oder Frankfurt am Main gleichzeitig zu versammeln. Dadurch würde die Leistungsfähigkeit dieser Bahnhöfe überfordert. Im Interesse der vorhandenen großen Ströme von Reisenden sollten solche Züge möglichst durchfahren oder wenigstens zeitnahe Anschlüsse geschaffen werden. Auf den wenigen Achsen mit wirklich großem Verkehrsvolumen muss auf jeden Fall so schnell wie möglich gefahren werden, denn jede Fahrzeitverbesserung garantiert eine bessere Nutzung. Bei der Gestaltung der Fahrzeiten und Ausbauten sollte aber darauf geachtet werden, dass die Züge nicht dann ankommen, wenn alle Anschlusszüge gerade abgefahren sind. Anschlüsse, wie sie in Köln zwischen dem deutschen Fernverkehr von Frankfurt, Berlin und Hamburg und den internationalen Zügen nach Brüssel, Paris und London bestehen, aber auch Anschlussknoten an stark befahrenen Schnellfahrstrecken mit Anschlüssen in die Region - beispielsweise Fulda oder Bielefeld - erhöhen die Nachfrage bedeutend.

Fahrzeiten wie beim Flugzeug

Damit die Bahn gegenüber der Konkurrenz des Flugzeugs standhalten kann, müssen für einige Verbindungen weitere Neubaustrecken gebaut werden, um empfindliche Lücken zu schließen. Zwischen Mannheim und Fulda klafft eine solche empfindliche Lücke, und auch zwischen Köln und Hannover ist der heute verkehrende ICE weit davon entfernt, ein europäischer Hochgeschwindigkeitszug zu sein. Doch durch Kombination solcher Netzergänzungen mit dem Ziel einer konsequenten Verwirklichung des bundesweiten integralen Taktfahrplans ergäben sich nicht nur von Großstadt zu Großstadt, sondern auch von Region zu Region Reisezeiten, die bei der Bahn bis zu Entfernungen von 500 Kilometern kürzer sind als bei Flugzeug oder Auto.

Und die Kosten?

Auch diese hat PRO BAHN abgeschätzt. Sie liegen nicht höher als die Kosten von wenigen prestigeträchtigen Neubaustrecken. Aber der betriebswirtschaftliche Gewinn und der volkswirtschaftliche Nutzen wären ungleich größer. Das Gesamtkonzept lässt erkennen, welche Maßnahmen einen frühen Nutzen im Netz brächten. Das ist genügender Anlass, über neue Methoden der Planung nachzudenken: Nicht mehr Linien, sondern Netze werden optimiert. Der Bundesverkehrswegeplan sollte damit auf neue Grundlagen gestellt werden.

Der letzte Fahrplanwechsel

PRO BAHN Konzept
für einen bundesweiten integralen Taktfahrplan
mit schnellem Fernverkehr

Ca. 48 Seiten mit 6 Farbtafeln und zahlreichen Abbildungen.

Achtung: die Broschüre ist vergriffen. Sie können sie hier aber downloaden.

Broschüre zum downloaden (pdf-File; 638 K)
PRO BAHN Zeitung Nr. 82