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Adolf-Heinrich von Arnim mit seiner Frau an seinem 90. Geburtstag. Ein Sonderzug mit 300 Gratulanten hatte sie von Köln nach Berlin gebracht (Foto: Naumann)

Adolf-Heinrich von Arnim wird 90 Jahre alt

80 Jahre Kampf für bürgerfreundlichen öffentlichen Verkehr!

Am Sonntag, den 21. Mai 2006 vollendet in der Uckermark, der Heimat seiner Väter, in Gerswalde bei Templin ein unermüdlicher Freund und Förderer der Bahn, Adolf-Heinrich von Arnim, sein 90. Lebensjahr.

Selbst Sonntagskind, nach einem mehrmonatigen Zusammensein seiner Eltern im 1. Weltkrieg in Konstantinopel bereits durch die Rückkehr seiner Mutter mit dem Örient-Express nach Charlottenburg (damals noch nicht Berlin!) mit Eisenbahnerblut getauft, wird er auch seinen 90. Geburtstag mit ca. 300 Freunden und Verwandten durch eine Sonderzugfahrt mit dem letzten noch zum Betrieb zugelassenen "Rheingold-Saionspeisewagen" aus Köln/Bonn, der Stätte seines beruflichen Wirkens, über Lorelei, Frankfurt/Main und Wartburg zu seinem Geburtsort hin festlich begehen.

Die Weichen zum rührigen Bahnverkehrspolitiker und bis heute in allen Fahrgastverbänden und Organisationen zur Förderung umweltfreundlichen Verkehrs bekannten und geschätzten Verkehrsexperten wurden früh gestellt:

Zum 9. Geburtstag 1925 erhielt er "Königs Kursbuch" für 1,80 Reichsmark für ganz Ostdeutschland! Von der Faszination für das aus unendlich vielen Einzelfahrten auf dem damals feingestrickten Netz der Schienenwege kunstvoll gesponnenen Fahrplansystem kam er nie wieder los! Bereits ab 1926 studierte er penibel das "Reichskursbuch", damals noch von der Reichspost herausgegeben, und allmählich auch die Fahrpläne der Nachbarstaaten. Die Begeisterung für das Verkehrssystem "Eisenbahn" ging bei ihm so in Mark und Bein über, daß er im Ziergarten des Gutes Wundichow Kreis Stolp in Pommern die von ihm dominierten Kusinen dazu brachte, an den Wegekreuzen bahnsteigähnliche Flächen zu harken, an denen der von ihm mit den Füßen gelenkte und von den Kusinen geschobene Handwagen halten mußte, mit Ausrufen der Station und Weiterfahrt zu anderen Stationen in geographischer, aus dem Kursbuch entnommener Reihenfolge.

Da das System bei Regen nicht zu praktizieren war, wurde es auf dem großen oberen Flur des Gutshauses kopiert. "Stationen" wurden dort aus Bauklötzen errichtet, teils sogar mit Stationsschildern versehen. Als Zug wurde eine hölzerne Straßenbahn mit mehreren angefertigten Holzwägelchen eingesetzt. Allmählich wurde von Phantasienamen wie "Treppenende" oder "Klotür" zur Verwendung geographisch geordneter Stationen übergegangen. Den Anfang bildete die den Ort Wundichow bedienende normalspurige "Stolpetalbahn" des Landkreises mit ihrem Endpunkt "Budow" bis hin nach Stoip. Schließlich gab es dann auch Bahnhöfe, die ihm seit dem Verlust des väterlichen Besitzes Gerswalde in der Uckermark durch ca. 5 - 7 Ferienhin- und -rückfahrten pro Jahr von seinem inzwischen mit seiner Mutter Irma bezogenen Dauerwohnsitz am "Steinplatz 2" im nunmehr wirklichen Berlin-Charlottenburg vertraut geworden waren. Die Bahnhöfe "Schlawe", "Köslin", "Beigard", "Schivelbein" usw. bis "Stettin", "Angermünde" und "Berlin" wurden also häufig aus dem "Baukasten", einem großen alten Korb mit verschiedensten Holzbausteinen, errichtet und frequentiert.

Das jährlich 1-2 mal nach Erscheinen der neuen Fahrpläne stattfindende Fahrplanstudium offenbarte ihm auch bald, wo die Mängel für die Benutzer der damals noch längeren und in dementsprechend größeren Abständen verkehrenden Züge lagen; Von Berlin nach Stolp gab es in den Zwanzigern zuerst 2, später 3 D-Zugpaare, später kam noch eine Tages-randverbindung mit Flügeln aus Lauenburg - Stolp, Neustettin - Dramburg und Schneidemühl - Kallies morgens über Stargard - Stettin bis Berlin dazu. Dort traf man vormittags ein. Als schnelle Verbindung zurück ins Land ca. 18 Uhr die gleiche Konstruktion ab Berlin. Ein Zugpaar D 23/24 lief über Stoip durch den polnischen Korridor nach Danzig, damals als "Freie Stadt" ein eigener Staat, und weiter über Marienburg bis Königsberg! Er erlebte, wie in den 30er Jahren dann ein Kurswagen von Hamburg über Lübeck-Pasewalk-Stettin schließlich sogar durchgehend von diesem Zug auf den D 23/24 in Stettin überging, der daraufhin noch beschleunigt und "Der schnelle Pommer" genannt wurde.

Gleichzeitig wurde allmählich versucht von diesen schnellen Zügen aus auf alle damals noch betriebenen Nebenstrecken möglichst direkte Anschlüsse ohne verlorene Wartezeiten für die Fahrgäste herzustellen. Hierzu wurden auch eingefahrene Gewohnheiten geändert: Züge des Schüler- und Berufsverkehrs wurden angepaßt. Dieser ständig sich selbst erneuernde Prozeß, der durch die Einführung von Akku-Triebwagen und schließlich auch dieselgetriebenen Fahrzeugen allmählich perfektioniert wurde, war sozusagen ein "lebendes Bild" vor den Augen von Adolf-Heinrich von Arnim. So wurde die optimale Verkehrsbedienung als Dienst am Gemeinwohl unmerklich ein in ihm selbst ständig wirkender Antrieb.

Adolf-Heinrich von Arnim war kein technisches Gehirn. Bei seiner 30jährigen späteren Arbeit im Fahrplanausschuß des DIHT nutzte er die Möglichkeiten des technischen Fortschritts zu höheren Reiseannehmlichkeiten, kurz zur Verbesserung der Qualität des öffentlichen Verkehrs. Das Aussehen der einzelnen Fahrzeuge, das Fieber der Modellbahnfreunde nach dem begeisternden Foto des schweren Güterzuges auf steiler Rampe mit Dampfwolken bis in den Himmel bewegten Ihn nicht. Er wollte immer nur durch ewig verfeinerte Planung die Anziehungskraft des Verkehrssystems "Schiene" verbessern. Darum ist es für ihn klar, daß das beste System für den Gütertransport dasjenige ist, bei dem die Fracht, sobald geladen, auch in Bewegung und möglichst schnell auf den Zielbahnhof oder die Ladestraße des Gleisanschlusses kommt. Und das beste System im Personenverkehr ist natürlich dasjenige, bei dem ich den Entschluß zur Ortsveränderung zu welchem Ziel auch immer sofort ausführen kann, sobald ich ihn gefaßt habe.

Als vor und nach dem Krieg 1939 - 1945 immer deutlicher wurde, daß mit Hilfe der durch ein entsprechendes Autobahnnetz herbeigeführten neuen Möglichkeiten ein Qualitätssprung zu deutlich schnellerer Nutzung des fast jeden Punkt im Lande bedienenden Straßensystems eintrat, war eines klar: Der Verkehr zu Lande mußte sich neu orientieren. Vor allem mußte er sich auch an den durch das System Schiene und das System Straße entstehenden Kosten ausrichten. Hierbei bemühte sich Adolf-Heinrich, diese Entwicklungen und Auseinandersetzungen mitzuvollziehen und gemeinsam mit den Verkehrspolitikern in Wirtschaft und Staat die besten Gesamtlösungen zu finden!

Als er nach Fronteinsatz beim Panzer-Regiment 6 aus Neuruppin bei Tula im Dezember 1941 ein Auge verlor und das Fleckfieber mit halbjährigem Lazarettaufenthalt überstanden hatte, konnte er seine zweite juristische Staatsprüfung ablegen. Er bewarb sich April 1943 um den Eintritt in den höheren Dienst bei der Reichsbahn. Während seines Studiums hatte er neben der Juristerei auch sämtliche Vorlesungen der Volkswirtschaft belegt. So hätte er sich auch zu dieser Prüfung melden können, wenn man ihm Zeit dazu gelassen hätte. Aber der Staat wollte ihn noch nicht aus der Armee entlassen, so daß er 1943 noch Rekruten ausbilden und 1944/45 in der Abteilung "Fremde Heere Ost" des Generalstabes des Heeres unter General Reinhard Gehien eingesetzt wurde. Dies geschah im Arbeitsgebiet "Logistik der Roten Armee". Auch hier konnte er zu seinem Jugendhobby Verkehrsplanung dazulernen, besonders nach einer Studie über die Versorgung der Roten Armee.

Seine während des Krieges in Zitzewitz, Kreis Stolp, lebende Familie war im Januar 1945 der Roten Armee mit einem der letzten Züge nach Pase-walk entkommen und bei einer von früher befreundeten Familie auf einem Gut bei Litjenburg in Holstein gelandet

So ließ er sich nach einigen Monaten Kriegsgefangenschaft auf dem Lande bei Passau nach Holstein aus der Wehrmacht entlassen und wurde bei der unter englischer Aufsicht stehenden Reichsbahndirektion Hamburg auf Grund der 1943 formell bereits vollzogener Annahme in den Höheren Dienst der Bahn in der britischen Zone des besetzten Deutschlands aufgenommen.

Nachdem zunächst wegen der aus dem Kriegseinsatz zurückkommenden zahlreichen Kollegen keine Stellen verfügbar waren, hatte er den unschätzbaren Vorteil, auf Dienstposten des gehobenen Dienstes bei der Güterabfertigung Hamburg-Harburg, in Hamburg-Wilhelmsburg, beim Verkehrsamt Hamburg-Altona und schließlich im Personenverkehrsdienst der Direktion Hamburg eingesetzt zu werden.

Im August 1949 erhielt er überraschend die erste Planstelle im Verkehrsamt Köln.

Seine 6-köpfige Familie fand in Ahrensburg an der Strecke Hamburg-Lübeck eine bescheidene Unterkunft im Bahnhof. Sie zog mit ihm um nach Rodenkirchen bei Köln, nachdem er seinen Dienst dort im Herbst angetreten hatte.

Bei seinem Amtsvorstand, Herrn Kieper, hat er sehr viel gelernt und ihn aber gern verlassen, als er 1952 als persönlicher Referent zu einem der auf Grund des Bundesbahngesetzes von 1952 zuerst in Offenbach, später in Frankfurt am Main wirkenden 4 Vorstandsmitgliedern der Zweizonen-, später Dreizonen-Bahnverwaltung berufen wurde. Während dieser Zeit nahm das Bahnwesen der Bundesrepublik Deutschland seine heutigen Formen an. Es kam diesseits des sich bildenden "Eisernen Vorhangs" zu Änderungen der Verkehrsströme Ost - West in die Richtung Nord - Süd! Das Bahnwesen geriet aber auch mehr und mehr, offensichtlich wegen ungenügender Auslastung seiner Kapazität und der auf Schiene und Straße mehr und mehr zu Buche schlagenden "externen Kosten", in den Sog des sich explosiv ausweitenden Autoverkehrs. Hierbei weitete sich der Güterkraftverkehr enorm aus.

Um an der "Denkfront" der Verkehrspolitik dranzubleiben, bewarb sich Adolf-Heinrich, als er nach 3 Jahren aus dem Dienst als (wissenschaftlicher) Hilfsarbeiter bei der Hauptverwaltung bzw. beim Vorstand ausscheiden mußte, urn eine zeitbegrenzte Verwendung bei der Verkehrsabteilung des "Deutschen Industrie- und Handelstags" in Bonn. Dort lernte er Verkehrspolitik und Verkehrsgestaltung aus der Sicht der Wirtschaft. Danach ordnete ihn die Hauptverwaltung zum Bundesverkehrsministerium in Bonn ab, wo er in der Abteilung "Allgemeine Verkehrspolitik" die Aufgabe erhielt, die Mitarbeit Deutschlands bei der ECE (Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa) in Genf wahrzunehmen.

Diese Tätigkeit war gerade in Bezug auf Verkehrspolitik so besonders interessant, weil schon "Kalter Krieg" in Europa herrschte und Verkehr über den "Eisernen Vorhang" hinweg in keiner Institution der Weil damals erörtert oder in irgendwelche Regelungen einbezogen werden konnte außer bei den .Vereinten Nationen". Dort waren sowohl die westlichen wie die östlichen Staaten vertreten. Gelöst wurden die Probleme durch die ECE. Dort wurden UNO-Abkommen ausgearbeitet, z. B. über Palettenverkehr, Binnenschifffahrtsverkehr, Zoll- und Steuervereinbarungen, die nach Annahme der betreffenden Texte in der ECE von der UNO zur Zeichnung aufgelegt und regelmäßig von so vielen Staaten Ost und West unterzeichnet wurden, daß sie ratifiziert und zwischen den Unterzeichnern rechtswirksam wurden, ob diese nun zur Welt West oder zur Welt Ost gehörten.

Nach Ablauf der 3 für ihn dort vorgesehenen Dienstjahre nahte aber Anfang 1962 für Adolf-Heinrich eine Stunde der Entscheidung: Nach der Bundestagswahl in Westdeutschland im Herbst 1961 hatte wieder die CDU die Wahl so gut bestanden, daß Adenauer erneut ein Kabinett bilden konnte. Hierbei war in der CDU ausgehandelt worden, daß zum ersten Mal in Deutschland eine Frau Ministerin werden sollte, und zwar im Ausgleich zwischen evangelischen und katholischen Kabinettsmitgliedern die evangelische Oberkirchenrätin Frau Dr. Elisabeth Schwarzhaupt als Gesundheitsministerin.

Diese, von Adenauer ein wenig allein gelassen, wandte sich an Adolf-Heinrichs damaligen Referenten im Verkehrsministerium, Herrn Stoltenhoff: der ebenfalls Eisenbahner, aber Sohn des Generalsuperintendenten für das gesamte Rheinland von Essen bis Saarbrücken war, um Hufe und Beratung. Er empfahl ihr, für ihr neues Ministerium, das erstmalig in Deutschland auch eine Abteilung für Fragen des Umweltschutzes erhalten sollte, dazu die irrt Innenministerium bereits bestehenden Abteilungen für Lebensmittelrecht und Gesundheitswesen , eine Zentralabteilung mit einem Organisations- und einem Personalreferat zu bilden. Ein solcher von unbezweifelbarer Unbeeinflußbarkeit sei schwer zu finden. Er empfahl Adolf-Heinrich von Arnim, seinen damaligen Hilfsreferenten, nicht wegen dessen verkehrspolitischem Engagement, sondern wegen der dringend nötigen Freihaltung des Personalbereichs von sachfremden Einflüssen. Adolf-Heinrich fühlte sich in der Klemme. Er wollte eigentlich umgehend bald bei der Bahn arbeiten und Einfluß gewinnen. Nun wurde an sein Pflichtgefühl appelliert- Er beriet lange und unter Gewissensdruck mit seiner Frau, nahm aber dann den Posten an. Hätte ein richtiger "Preuße" anders entscheiden können?

Am 1. März 1961 fing Adolf-Heinrich also in Bonn als Personalchef beim neuen Gesundheitsministerium an. Aber seine gesamte gesammelte und perfektionierte Kenntnis im Verkehrs- und Bahnwesen wollte er natürlich nicht aufgeben, zumal er in den sechziger Jahren auch noch in die Stadtverordnetenversammlung der werdenden Bundeshauptstadt Bonn als Mitglied der CDU-Fraktion gewählt worden war und gerade hier auch seine sehr speziellen im Fern- und Personennahverkehr gesammelten Erfahrungen ständig weiterentwickeln konnte.

Seine Familie etablierte sich nun endgültig in Bonn in einer großen, über 2 Etagen gehenden Dienstwohnung in der Argelander Str. 13, Nähe Poppelsdorfer Allee und Hauptbahnhof. Später, als er den Neubaustadtteil Taunenbusch zu betreuen hatte, in einem eigenen Haus "An der Düne 41".

Als er den personellen Aufbau des Ministeriums abgeschlossen hatte, kam in den sechziger Jahren die von Herbert Wehner eingeleitete große Koalition in der Bonner Regierung. Da von diesem Zeitpunkt ab auch die organisatorischen Positionen mehr und mehr mit Parteileuten besetzt wurden, mußte nach Ausscheiden von Frau Dr. Schwarzhaupt als Ministerin und ihrem Ersatz durch zunächst Frau Katharina Focke Adolf-Heinrich das Personalreferat aufgeben und wurde in der medizinischen Abteilung im Bereich "Gesundheitsfürsorge" eingesetzt.

Seine verkehrspolitischen Aktivitäten hatten jedoch in diesen Jahren dankbare Betätigungsfelder in der Bonner und Kölner Nahverkehrspolitik gefunden. Er wurde im Stadtrat Bonn Fraktionsvorsitzender der CDU und gleichzeitig stellvertretender Aufsichtsrats Vorsitzender der "Köln-Bonner-Eisenbahnen-AG", wobei der Vorsitzende der Kölner Oberbürgermeister war. In seinem Fall OB Burauen, mit dessen Nahverkehrspolitik er durchaus übereinstimmte und mit dem zusammen er einige Jahre den Köln-Bonner-Nahverkehr im Sinne seiner Vorstellungen von umwelt- und fahrgastfreundlicher Verkehrsgestaltung weitgehend verwirklichen konnte. Dies blieb so bis zu seinem Ausscheiden aus dem Rat der Stadt Bonn im Jahre 1989.

Für sein Wirken als Apostel eines integrierten Gesamtverkehrssystems durch Infrastrukturausbau zur weiteren Ermöglichung des Güterverkehrs auf immer stärker von Personenverkehrstakten blockierten Strecken der DB, aber auch als Förderer des reinen Personennahverkehrs mit optimiertem Fahrplan- und Anschlußsystem hat er in all diesen Jahren viele Möglichkeiten, aber auch zunehmend Helfer bei den Grünen und unter deren Einfluß sich allgemein bildender Bürgerinitiativen und Arbeitsgruppen zugunsten gerechter Anlastung der Infrastrukturkosten und der sogenannten "externen Kosten" des Verkehrs gefunden. Er beteiligte sich seit 1983 als Mitglied des Kreises um den ostpreußischen Eisenbahner Kurt Bielecki in Horb am Neckar, der 1982 die "Horber Schienen Tage" (HST) begründete. Diese für eine nicht von reinen Wirtschaftsinteressen motivierte Gruppierung hat inzwischen über 20 Jahre lang jedes Jahr von Bußtag bis Totensonntag etwa 100 bis 150 Teilnehmer zu gemeinsamen Diskussionen, zur Verabschiedung von Manifesten, Positionspapieren und Appellen an die Politik zusammengeführt. Auch nach dem von allen beklagten Tod des Gründers wurden von einem speziellen personellen Stab unter Leitung von Rudolf Barth auch 2005 wieder weit über 160 hochengagierte Mitglieder aus der jüngeren Generation in Horb aktiv. Auf den HST wurden auch Abgeordnete aller Ebenen, an der technischen Fortentwicklung des Eisenbahnwesens interessierte Großfirmen, nicht zuletzt durch die Unterstützung seitens der Stadt Horb und ihrem unermüdlichen Oberbürgermeister Theurer zu verkehrspolitischer Arbeit angehalten. Hier ist die geistige Front, wo die manchmal schwer verständlichen Entscheidungen des Bundes im Rahmen der Bahnreform immer wieder abgeklopft und Veränderungen angemahnt werden.

So ist jetzt naturgemäß aktuell der rasante Aufbau des Billigflugverkehrs, der allein durch die Befreiung des Flugbenzins "Kerosin" von der Mineralölsteuer mit Milliardenvorteilen gegenüber dem Landverkehr gestützt wird. Die jüngste Entscheidung eines Europäischen Gerichtes der EU, das hierin keine Bevorrechtigung des Luftverkehrs gesehen hat, ist Adolf-Heinrich von Arnim völlig unverständlich. Die Revision diesen Vorteils ist mit Sicherheit eine der notwendigsten verkehrspolitischen Aufgaben in der unmittelbaren Zukunft.

Dies um so mehr, als der Luftverkehr durch ein Verkaufssystem, das sehr frühzeitig mit ganz niedrigen, kurz vor dem Flugtag rasant steigenden Preisen, die im Landverkehr undenkbare Vollauslastung zu einträglichen Durchschnittspreisen erreicht, damit einen vorerst nicht mehr aufholbaren Vorsprung vor allen anderen Verkehrssystemen erzielt hat. Die gigantischen Flugzeugbestellungen der "AIR Berlin" zeigen, wo die Verkehrsentwicklung der folgenden Jahre hinführen wird.

In all diesen Gruppierungen findet Adolf-Heinrich von Arnim nicht zuletzt mit seinen Freunden aus der Initiative "Bürgerbahn statt Börsenbahn", einem überwiegend aus Verkehrswissenschaftlern, Professoren und Autoren bestehenden Gremium, immer wieder auch die Möglichkeit der Sache einer umwelt- und fahrgastfreundlichen Politik in Deutschland und Europa Unterstützung zu verschaffen. Hierbei soll die unermüdliche, emsige Öffentlichkeitsarbeit des Koordinators dieses Gremiums. Winfried Wolf des Verfassers des Standardwerkes für umweltfreundliche Verkehrspolitik "Eisenbahn und Autowahn" ausdrücklich hervorgehoben werden.

Adolf-Heinrich von Arnim war jahrelang auch Vorstandsmitglied beim Verkehrsclub Deutschland (VCD), der nach wie vor unter den Kämpfern für eine ausgewogene Verkehrspolitik eine wichtige Position einnimmt.

Wenn jetzt der neue Verkehrsminister in Nordrhein-Westfalen, Herr Wittke, nach seinen ersten Verlautbarungen die Stillegung des Schienenverkehrs erst so richtig in Gang bringen will, so muß zweifellos mit Sorgfalt und unter Einschaltung von Pro Bahn, dem VCD, der "Allianz für die Schiene" sowie in Teilen der Neuen Länder vom Deutschen Bahnkundenverband eine Gegenbewegung aufgebaut werden. Diese muß sich vor allem darauf stützen, daß zur Zeit die Verkehrsträger völlig unterschiedlich belastet sind und auf diesem Feld erst einmal absolute Transparenz zu schaffen ist!

Besonders wichtig ist, daß die Stilllegungsfreunde ja seit Jahren einen entscheidenden sachlichen Fehler in ihrer Argumentation nicht klargestellt haben; Sie sind immer noch dabei, wenn sie auf einem bestimmten Streckenabschnitt die Zäh! der tatsächlichen Bahnkunden unter eine bestimmte Anzahl sinken sehen, zu erklären: "Diese Strecke ist unwirtschaftlich! Wir legen sie still!"

Adolf-Heinrich von Arnims Sonderzug: Zugzielanzeige in Köln (Foto: Naumann)

Gegen diese Denk- und Vorgehensweise hat Adolf-Heinrich von Arnim stets gekämpft. Er hält sie für unverantwortlich und falsch. Denn eine Verkehrsinfrastruktur ist nun einmal kein Strich von A nach B, sondern ein Netz! Dieser grundlegende Gedanke aller Verkehrsinfrastruktur bedeutet, daß ich nicht ein Streckenstück von A nach B stillegen kann, wenn ich damit Verkehrsverbindungen von C nach D oder E, von F bis G oder H und darüber hinaus unterbreche. Bei der Wirtschaft!ichkeitsberechnung von Bahninfrastrukturen, wie Setzten Endes auch bei langen Autobahnstrecken durch bevölkerungsarme Räume kann ich natürlich überall Abschnitte mit einer zu geringen Durchschnittsfrequenz ermitteln. Das würde zu einer restlosen Zerstörung des Grundnetzes führen und die Verkehrspolitik in die Zeit von Postkutschen und Pferdefuhrwerken zurückfallen lassen.

Aber es kommt für die richtige verkehrspolitische Entscheidung darauf an, ob eine bestimmte Gesamtstrecke oder ein bestimmtes Netz insgesamt so viel Verkehr erzeugt und auch nachhaltig zu behalten vermag, daß es die Gesamtinfrastrukturkosten des Netzes deckt. Tut es das, so ist es im Sinne des Gemeinwohls und als Ganzes zu finanzieren und auf dem technischen Stand zu erhalten, den es nach heutigen Vorstellungen haben muß. Dies bedeutet, daß eine Schienenstrecke, bei der ich große Aufwendungen mache, um sie von kreuzendem oder abbiegendem Verkehr frei zu machen, durch das nach dem Grundgesetz immer noch offenstehende Gesetz über Modalitäten der Schieneninfrastruktur definiert werden muß. Welchen Ertüchtigungsgrad der einzelne Schienenstreckenabschnitt haben muß, um seine Aufgabe im Gesamt Verkehrsnetz zu erfüllen, muß deshalb in einem auf Grund dieses neu entstehenden Gesetzes festzulegenden Schienenverkehrsplan für das ganze Land festgelegt werden.

Es ist also jetzt die dringendste Aufgabe des Gesetzgebers, in einem Schieneninfrastrukturgesetz festzulegen, daß Schienenstrecken im Regelfall Höchstgeschwindigkeiten von mindestens 120 km/h, auf schwierigen Trassenabschnitten Langsamfahrabschnitte bis zu 80 km/h Höchstgeschwindigkeit, auf ausgesprochenen Fernverbindungsstrecken aber nicht unter 200 km/h, im großen Fernverkehrsnetz 280 km/h Höchstgeschwindigkeit zulassen müssen.

Dies sind Maximen künftiger Verkehrsstrukturpolitik, die Adolf-Heinrich von Arnim schon lange vertreten hat. Für sie will er auch in seinen letzten Lebensjahren noch eintreten. Jedenfalls wäre dies der einzig richtige Ausgangspunkt für die gesetzliche Festlegung der Standards für Schienenverkehr.

Und nur dann rechtfertigt es sich, mit hohem Aufwand Schienenstrecken im Gegensatz zu anderen Verkehrswegen mit Schutzvorrichtungen gegenüber Begegnungen mit anderen Verkehrsteilnehmern auszustatten.

Auf Landesstraßen, Bundesstraßen und Autobahnen höhere Geschwindigkeiten zuzulassen, als sie heute bestehen, grenzt an vorsätzliche Tötung. Jeder weiß, daß bei diesen Geschwindigkeiten tödliche Verkehrsunfälle nicht auszuschließen sind. Beim Straßennetz sind wir aber ohne unsägliche zusätzliche Kosten am Ende der verantwortbaren Geschwindigkeitsgrenzen angelangt.

Bei der Bahn indessen wird sich bei einer gründlichen Inventur zeigen, welcher unendliche Nachholbedarf für die Infrastruktur im Verlauf der Weltkriege; aber auch während der jahrzehntelangen Diskussionen über die richtige Infrastruktur der Zukunft angewachsen ist. Diese Tatsachen müssen den Bürgern ins Bewußtsein gebracht und dann vom Parlament mit hohem Verantwortungsbewußtsein entschieden werden. Geschieht dies in den nächsten 20 Jahren in Deutschland nicht, bewegen wir uns mit Sicherheit zunächst einmal weiter ins Chaos.

Ein ausgesprochener Skandal ist es aber, in dieser Situation zu erklären, man wolle das in den Infrastrukturen steckende, in über 100 Jahren vom Volk erwirtschaftete Kapital nun an Interessenten verkaufen, denen man eine Rendite von über 10 % in Aussicht stellen und gewährleisten muß. Das ist Diebstahl am Volksvermögen und darf so nicht geschehen! Adolf-Heinrich von Arnim meinte stets, bevor man diesen von Herrn Mehdorn empfohlenen Weg beschreitet, muß man darüber nachdenken, ob nicht die Welt über all den sich überstürzenden Ereignissen der letzten rund hundert Jahre vergessen hat, den vor dem Krieg so nachdrücklich angedachten Weg einer "Brechung der Zinsknechtschaft", mindestens beim Zinseszins, endlich einmal auf dem Sektor der vom Staat für das Gemeinwohl vorgehaltenen Dienstleistungen wirksam zu beschreiten!

Hier bestehen offenbar Zusammenhänge mit der Tatsache, daß immer weniger Individuen in unserem Wirtschaftssystem immer reicher, die große Menge der Bürger indessen immer ärmer wird.

(Mai 2006)

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